Archiv für die Kategorie ‘Strassenkunst’

Alles live, alles hier, alles jetzt

Roland Fischer am Donnerstag den 29. November 2018

Hat die Performance als Kunstform vielleicht ein Präsenz-Problem, im Sinne von past, present, future? Man konnte nicht umhin, sich das zu fragen, wenn am Eröffnungsabend des Bone die Wiederaufnahme einer Wiederaufnahme programmiert wird. Das Unsichtbarst-Solo von Anna Huber hat auch schon zwanzig Jahre auf dem Buckel. Könnte man also wieder einmal zeigen, das stimmt, zumal das Stück

in einer extrem exponierten performativen Situation den Blick auf einen sich wandelnden Körper untersucht. Sehen und gesehen werden; zeigen, darstellen, verstecken. Wer schaut wem zu? Die Arbeit stellt ihrem um diese Jahre älteren Körper und ihrem Selbst als Tanz-Performerin heute veränderte Fragen und öffnet neue Möglichkeiten und Freiheiten.

Aha. Veränderte Fragen. Man hätte da vielleicht an Digitalisierung gedacht, #perfectbodies und so. Dazu dann aber nicht so viel. Es ging und geht da um sehr Persönliches, man könnte auch sagen Selbst-bezogenes, und so bleiben die wohl eher subtilen Veränderungen allen verborgen, die sich nicht zu den Huber-Aficionados zählen und das Stück sowieso schon kennen und vielleicht auch schon das Zehnjährige in der Dampfzentrale begangen haben. #Kunstfüreingeweihte und so, aber das wäre ein anderes Thema.

Immerhin sehr passend dazu: «Eine Einigelung» draussen in der Gasse, von Christoph Rütimann. Das hat dann auch dieses Augenzwinkern, das die grosse Metaphorik ein wenig leichter werden lässt. Noch ist da vor allem ein Haufen Holz, aber so langsam zeichnet sich schon ab, wohin das führt, bis Ende Woche. Ein hermetischer Zirkel der sehr physischen Art, und im Inneren: Wohin man auch blickt – Brett vor dem Kopf.

Was einen zurück zur Präsenz bringt, denn gerade Rütimanns Arbeit lebt ja vom Werden, vom Live-Moment, dem man beiwohnen kann. Wie er aufs Geratwohl ein Stück Abfallholz aus der Beige pflückt und es zu seiner prekären Skulptur hinzufügt und dabei mit der Nagelpistole kämpft. Das wäre dann auch der kleinste gemeinsame Nenner des Performativen, heute: Dieses Jetzt-und-Hier-Sein. Kein Zufall wohl, dass sich das Bone dieses Jahr gewissermassen ein zweites Festival gönnt: B for Music, kuratiert von San Keller. Ist die Musik doch Methode der Wahl, wenn es ums Präsenz-Herstellen (und natürlich auch Past-Präsent-Futur-Verklären) geht. Wir kommen darauf zurück.

Krumme Geschäfte

Roland Fischer am Freitag den 10. August 2018

Buskers all over. Vor allem auf dem Münsterplatz, wo das überalle All sich ausbreitet für ein paar Tage, mit allerlei Inner-, Aufder- und Ausserirdischem. Zum Beispiel Essen aus abartigem Gemüse, mit dem Food Fest.

Oder mit dem ehemaligen KSB-Alien Miko Hucko, die ja mit der Social Space Agency schon einige Erfahrung in Sachen Wel/t/raum-Erkundung hat. Am Buskers entführt sie als Utopian Witness auf eine zeitreisende Stadtführung.

Wir nehmen euch mit auf eine Reise zurück in die dunklen Zeiten des Spätkapitalismus. Damals, als die Welt von Krisen gebeutelt schien und viele Menschen keine Zukunft näher sahen als den Weltuntergang.

Drifting through the night

Roland Fischer am Donnerstag den 24. Mai 2018

Irgendwo in der Lorraine gestern so gegen Mitternacht: Eine Schar von Nachtwanderern mit grün leuchtenden Ohren zieht in seltsamer Formation durchs Quartier.

Gesprochen wird nichts, doch scheinen alle die Regeln zu kennen. Alle haben Kopfhörer auf, vielleicht empfangen sie ja geheime Kommandos einer fremden Macht? Wird da eine Konspiration vorbereitet, werden Hirnwindungen umgespult? Oder was soll das Theater? Genau so etwas soll es, heutzutage. Driften durch die Nacht. Die Stadt mit anderen Augen sehen.

Oder kann das weg? Da, unter dem Baldachin?

Roland Fischer am Donnerstag den 26. April 2018

Der Auftakt zu einer neuen Rubrik, womöglich. Im Stadtraum ist viel Kunst verstreut, auf Plätzen, an Strassenecken, an Hausfassaden. Manchmal springt etwas ins Auge, von dem man nicht recht sagen kann, ob das nun auch zur Kategorie «Kunst im öffentlichen Raum» gehört, oder ob man es, (sehr) frei nach Beuys, wegmachen kann.

Für die Ausstellung im Schloss Morsbroich ging das Werk nach Leverkusen und wurde dort eingelagert, da die Ausstellung noch aufgebaut werden sollte. Der SPD-Ortsverein-Leverkusen-Alkenrath feierte am 3. November 1973 in diesem Museum ein Fest. Zwei SPD-Mitglieder, Hilde Müller und Marianne Klein, suchten eine Schüssel zum Gläserspülen und entdeckten die scheinbar mit Heftpflaster und Mullbinden verschmutzte Badewanne, ohne zu ahnen, dass diese mit ihren Materialien ein Kunstwerk war. „Wir dachten, das alte Ding könnten wir schön sauber machen und benutzen, um darin unsere Gläser zu spülen“, erinnern sie sich, „so wie die aussah, konnten wir sie nicht gebrauchen. Deshalb haben wir die Wanne geschrubbt.“ Dadurch wurde ein Skandal ausgelöst; Beuys war nicht begeistert.

Noch berühmter ist natürlich die Fettecke. Noch einmal Wiki:

Die Ereignisse um die Fettecke machte dieses Werk zu einer der bekanntesten Arbeiten des Künstlers. Die Arbeit wirkte provozierend auf einen großen Teil der Gesellschaft und führte zu Kontroversen über die Frage, was als Kunst angesehen werden könne.

Na dann: Was sollen denn diese Linien auf dem Bahnhofplatz?

 

Kleines PS: Diesen Sommer lanciert die Kommission Kunst im öffentlichen Raum der Stadt Bern das Projekt «Kunstplätze»: In Zusammenarbeit mit der Quartierbevölkerung werden Kunstschaffende temporäre Kunstinterventionen umsetzen. Gestartet wird in den Stadtteilen Länggasse-Felsenau und Breitenrain-Lorraine. Die «Kunstplätze» sollen in den kommenden Jahren zu einer Auseinandersetzung mit dem eigenen Wohnort anregen, wie die Stadt mitteilt. Nächste Woche gibt es die erste Zwischenpräsentation für Länggasse-Felsenau – San Keller (Zürich), Ines Marita Schärer (Bern/Chur), das Künstlerinnenduo Hofer/Oppliger (Biel), Philip Matesic (Zürich) und Marinka Limat (Fribourg) haben Vorschläge für ortspezifische Interventionen erarbeitet. Samstag, 5. Mai 2018, 10 bis 14 Uhr, Gartenhalle des Blinden- und Behindertenzentrums, Neufeldstrasse 95.

Näbegrüsch zu Stärbegrüsch

Mirko Schwab am Freitag den 12. Januar 2018

Papi stürzt sich wiedermal ins Chaos und macht dabei eine gute Falle. Die Boys tollen. Ja: 2018 könnte die generationelle Tektonik dem Rap-Eiland Bern zu neuen Vulkanausbrüchen verhelfen.

Back inna days hat Greis über seine Pumaturnschuhe nachgedacht. Es war eins vor Millenium und ich so fünf vor zwölf, Neocolor und immer Räuber, nie Poli. Pit hätte mir vielleicht auf dem schneebedeckten Roten Platz die Fresse gewaschen im Kalten Krieg 19hundert99. (Und immer Para wegen den Albanern aus der Para.) Iroas hat womöglich mit japanischen Spielkarten gehandelt oder die Kleinen um wertvolle Glitzer-Panini betrogen. Roumee hat indes wahrscheinlich Fantasyromane gelesen. Oder Nietzsche.

Back inna days, als die Trams und Busse noch
und wir auch grün hinter den Ohren,
naseweiss und der Winter noch,
so blauäuig und der Rote Platz.

(«Nostalgisches RGB»
s/o to Marc von der Kommentarspalte)

Fast zwei Dekaden später betrachtet sich Greis, da er auf dem Sofa liegt und Fazit zieht, ein Zwischenfazit immerhin. Sosolala, naja. Roumee hat ihn mittlerweile bart- und bars-technisch frech eingeholt und ist nun um die Consciousness bestellt. Iroas und Pit machen wie immer schöne Punchlines. Der Beat ist aus dem besten Gestern – es ist ein Fest für Jung und Alt. Das könnte natürlich alles peinlich sein, wenn sich Papi G. nicht die feinsten Gangsterklamotten übergezogen hätte, nicht ein so stilsicheres Spiel triebe in seiner Greisen-Rolle. Denn den Hiphop muss man dieser Bande wahrlich nicht erklären. Und so macht einer auf dem Sofa liegend, laisser faire die beste Falle. Derweil sich rundherum die Kleinen – «Stich Stich Stärbegrüsch» – verbal auf die Rübe geben, der kompetitiven Brüderlichkeit frönen und das stabile Code-Repertoire des Berner Chaos-Rap bespielen. Schön auch, dass es einem dabei nicht langweilig wird.

Sie haben eine Songkritik erwartet? Nice.

Und schliesslich hört man munkeln, dass zwischen PVP und Chaostrupp eine sogenannte One Love im Gedeihen begriffen. Wir wünschen gutes Gelingen und freuen uns schon auf den nächsten Bubenstreich.

Nur noch schnell!

Roland Fischer am Samstag den 23. Dezember 2017

Vorsicht beim Lastminute-Shoppen. Nur nichts überstürzen. Sonst steht man plötzlich blöd da.

Mit dieser Performance von Caroline Schenk, gefilmt von Optickle, wünscht KSB allseits gute Weihnachtstage! Wir melden uns zwischen den Jahren wohl eher sporadisch. Und dann mit frischem Schwung im neuen Jahr wieder.

Titel und Träume

Sarah Elena Müller am Samstag den 13. August 2016

(Achtung!!! Dieser Eintrag ist teilweise fiktiv und enthält viele unbelegte Behauptungen.) Ursprüngliches Vorhaben: Zur Eröffnungsveranstaltung der Sommerakademie des Zentrums Paul Klee …

…mal schauen was die International Fellows diesen Sommer so vor haben. Diesjähriger Guestspeaker: Thomas Hirschhorn. Diesjähriger Titel: «Where do I stand? What do I want?» Die geistreiche Idee für einen Blogeintrag mit Titel: «What can I stand?» Dann Konflikt des Veranstaltungsbeginns mit eigener, kulturproduktivtätiger Übernächtigung. Also: «I can’t get up to stand somewhere and what do I want?» More sleep. Folgt ein Traum, in dem ich mit Thomas Hirschhorn an der Bushaltestelle für die PendlerInnen Tee ausschenke. Dann gehen wir in mein Atelier und ich blase ihm einen. Währenddessen schaut er sich die zahlreichen Zeitungsartikel an, die schon über mich und meine künstlerische Arbeit geschrieben wurden, einer davon trägt den Titel: «Ich wäre gerne eine Idealistin.» Ich versuche Thomas zu erklären, dass mich der Journalist falsch verstanden habe. Seine Frage: «Me chönnt sie also als Idealistin bezeichne?» Meine Antwort: (lachend) «Das wär i öppä gärn…» Das findet Thomas Hirschhorn einen gelungenen Wortwitz. Ich wache völlig versabbert auf und bin natürlich zu spät für die Eröffnungsrede, ganz nach dem Motto: «I can’t stand to do what I want. (Maybe I don’t want it then.)»

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Neu auch Menus im Zeppelin (und neue Musik)

Roland Fischer am Samstag den 28. Mai 2016

Der Koch kann zwar nicht so viel, aber was er kann, das kann er gut. Und sowieso: Liegt nicht in der Einfachkeit die wahre Kunst?

zeppelin

Musik gab’s gestern übirgens auch, vom umtriebigen Ensemble Proton. Bach und Neue Musik in der Quartierbar, ja das geht auch. Das geht sogar sehr gut, hat man sich sagen lassen, weil man zu spät war und das Konzert schon vorbei kurz nach neun. Das mit den Anfangszeiten müsste man vielleicht noch ein wenig anpassen, wenn man sich aus den klassischen Konzerthallen herauswagt.

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Heute abend übrigens schon wieder tolle neue Musik im Zeppelin: das Trio Murmur mit Rea Dubach, Laura Schuler und Klas Nevrin.

Noch ein paar Gedanken zur Reitschule

Roland Fischer am Donnerstag den 10. März 2016

Terrorismus, Vandalismus, Aktivismus – es liegt ja alles nah beisammen. Konnte man unlängst auch in einer Medienmittelung der Queen Mary University of London lesen:

The paper’s importance lies in the fact that – because terrorists often also engage in low level activities such as vandalism, graffiti, anti-government leaflet distribution and banner posting before major attacks – the model could potentially be used to help uncover terrorist bases before more serious incidents occur.

Terrorist base! Äh, oder doch nur Versteck einer Sprayerbande? Gefunden haben die Londoner nämlich erstmal einfach einen Künstler, wenn auch – ok – nicht irgendeinen: die Wissenschaft hat endlich die wahre Identität von Banksy enthüllt. Behauptet wenigstens Dr Steve Le Comber from QMUL’s School of Biological and Chemical Sciences. Er hat eine Methode namens Geographic profiling mal nicht auf epidemiologische, sondern auf künstlerische Outbrakes angewandt. Und glaubt so den Urheber der bestgehütetsten Geheimnisse der Kunstwelt endlich eingekreist und dingfest gemacht zu haben.

reitschule

Funktioniert übrigens für jeden Mückenschiss, findet Dr Le Comber.

Geographic profiling is reportedly very efficacious. Steven Le Comber said that the method could not only stop criminals dead in their tracks but that it could also potentially thwart epidemics. He said that during a malaria outbreak in Cairo “we found that if we used the addresses of people with malaria we could find the mosquitoes that were spreading the disease very easily.”

Damit sollten die 1000 Franken Belohnung Le Comber eigentlich ziemlich sicher sein.

0 statt 1

Miko Hucko am Mittwoch den 6. Januar 2016

oder: der Binärcode der Gangs. Nein, nur kurz, was ich in Berlin entdeckt habe ist nicht etwa ein weiteres 031-erli, die sich ja über die ganze Welt verteilen mittlerweile, sondern was Neues:

031

030, so habe ich mir sagen lassen, ist die Vorwahl eben dieser anderen Hauptstadt. Copycats, mangelnde Kreativität bei der Auswahl des Tags, reiner Zufall, Konkurrenz, Liebeserklärung oder eine Untergruppe? Erweckt auf jeden Fall fast Heimatgefühle.