Archiv für die Kategorie ‘Museen & Galerien’

Königin Chantal Michel bittet zu Gast

Grazia Pergoletti am Donnerstag den 23. Juli 2009

images-1Seit Mitte Juni schon ist die grosse Ausstellung von Chantal Michel im Schloss Kiesen zu sehen und bis Mitte Oktober kann man sich dort noch in das faszinierende, theatralische, verletzte, perfektionistische und absolut zauberzauberzauberhafte Universum der Künstlerin aus Thun begeben. Wers verpasst, den frisst der Wolf.

Das Schloss selbst gibt eine traumhafte, etwas staubige Kulisse ab und Chantal Michel hebt sich nicht über den Ort, sondern hat sich in die Räume eingearbeitet, mit Fotografien, Videos und Installationen. Ein halbes Jahr lang hat sie dort gelebt und gearbeitet, nun lädt sie uns zu sich ein, ist als Gastgeberin auch anwesend. Ein Geschenk, man kann es nicht anders sagen.

Es sind viele ältere Werke zu sehen, was die Ausstellung im Sinne einer Übersicht zusätzlich interessant macht. Wenn man durch die Räume geht, an Betten vorbei, die mit ausgestopften Vögeln bevölkert sind und an einem gruseligen Superhelden-Empfangskomitee, das sich wiegt wie Schilf im Wind, dann durch rot beleuchtete Gänge in Zimmer kommt, wo Geister beten, und in Badezimmer, wo Seejungfrauen seufzen, und irgendwann weiter über eine Baustelle ans Meer gelangt – dann wird man komplett eingenommen und Teil dieser Welt.

Königin Chantal ist so talentiert, so fleissig und schön – wenn sie Audienz gibt, wer könnte da nein sagen? Ich jedenfalls nicht.

Sachliche Sachen, menschliche Menschen

christian pauli am Freitag den 10. Juli 2009

Falls Sie der instabilen Wetterlage entfliehen und angesichts des nun schon stark ausgedünnten Kulturangebotes etwas Beschaulichkeit suchen, empfehle ich einen Besuch der Berner Kunsthalle. Dank der daselbst innewohnenden und immer wieder überraschenden Ruhe ist das bekanntlich ein stets lohnendes Unterfangen – zumal wenn wie jetzt, die Ausstellung so zurückhaltend ist, dass dieses wunderbare Gebäude voll zur Geltung kommt.

Bis am 19. Juli stellt in der Kunsthalle Zhang Enli, ein 44-jähriger Künstler aus Shanghai aus. Den Chinareisenden, der im Frühling von der schrillen Kunstflut Bejing überwältigt worden war, fühlte sich angesprochen. Umso grösser die Überraschung, dass es in der Kunsthalle mit feinen Tönen und matten Farben zu und her geht. Enli ist einer, der die sozialistische Kunst weiter führt, und aus ihr reduzierte, aber präzise, sehr stimmungsreiche, gross- und kleinformatige Bilder schöpft. Die Wirkung ist erstaunlich: Man fühlt sich wegen einem Hausblock oder einem Wasserkübel, einer Kippe oder einer Glühbirne aus der Hand von Zhang Enli nach China zurück versetzt. Einfache, gewissermassen nackte Dinge, die so gut zu diesem schönen, einfachen Land passen. Aber auch der Schrecken, der in diesem Land hinter jeder Ecke hervorschaut, ist in einzelnen Adern, die sich in die pastellartigen Bilder verirrt haben, spürbar.

zweiboden

Wir geben an dieser Stelle diese leich surreal wirkende Gegenüberstellung von einem chinesischen Riemenboden mit einem schweizerischen Buchenparkett wieder. Was übrigens in Enlis Bilder nicht vorkommt, sind Menschen. Ich kann das gut nachvollziehen.

Im Übrigen stimmt das gar nicht: Im hintersten Raum im Keller der Kunsthalle lässt Zahng Enli simultan drei Projektoren laufen, auf denen viele Menschen zu sehen sind: Ein junges, zärtliches, kopulierendes Paar; ein erzählender Strassenarbeiter; eine performanceartig agierende Gruppe. Diese Menschen wirken auf mich übrigens – wie soll ich das sagen? –  menschlich.

Wegwerfkunst

Gisela Feuz am Donnerstag den 2. Juli 2009

wegwerfkunst
«Eh ja, die fischen wir zwischendurch aus dem Müll und dann hängen wir sie da auf»,
bejaht ein zufällig anwesender Herr freundlich meine Nachfrage. «Sie glauben im Fall gar nicht, was Leute alles wegwerfen.»

Doch doch, glaubt die Schreiberin sofort. Vom surrealistischen Portrait, dem Familienhund-Föteli, Eisberg- und Sonnenuntergangsposter der übleren Sorte, einer Abbildung von Fischen, deren Farbwahl auf Missbrauch von bewusstseinserweiternden Drogen schliessen lässt, bis hin zu künstlerischen Ausdrucksmalereien Unbekannter findet sich alles, liebevoll arrangiert, an einer Garagenwand der Kehrichtverbrennungsanlage am Warmbächliweg.

Wenn man genau hinschaut, entdeckt man übrigens auch ein weiteres (garantiert echtes) Werk aus Van Goghs Sonnenblumenserie. Nicht in London, nicht in den USA, nicht in Amsterdam und auch nicht in Japan, sondern im Berner Holligenquartier. Wer hätte das gedacht.

Hilfe! Pornografie an der Langstrasse!

Grazia Pergoletti am Montag den 8. Juni 2009

An der Langstrasse in Zürich befindet sich das La Perla, ein lebendiger Off-Kunstraum in einem ehemaligen Textilwarengeschäft. Im oberen Stockwerk teilen sich verschiedene Galerien die Räumlichkeiten, unter anderem ist dort auch der Message Salon Downtown von Galeristin Esther Eppstein zuhause.

Die Galerie Perla Mode an der Langstrasse (Bildquelle: http://www.hochparterre-schweiz.ch/default/perla-mode-bleibt-bis-auf-weiteres.html)Im Juni 2008, während der Zeit der Euro 08, zeigte Eppstein in der Perla-Mode das Werk «Projection« des tschechisch-amerikanischen Künstlers Petr Motycka, eine Bildabfolge im Stil eines Comics, das auf die Aussenwand projeziert und von der Langstrasse her während den Nachtstunden zu sehen war

«Die Arbeit beschäftigt sich offensichtlich mit der sozialen und politischen Dimension des Sexmarktes und mit der Doppelmoral in einem Teil der Gesellschaft, sowie mit dem Verhältnis von Macht und Ausbeutung. Die Aussagen in den Sprechblasen der Comicbilder hat Petr Motycka während seines Schweiz-Aufenthalts aus Abstimmungsparolen, Fernsehumfragen, Zeitungsartikeln und weiteren Quellen gesammelt», schreibt die Galerie dazu.

Am Abend des letzten Ausstellungtags erschien eine zivile Polizeieinheit der Abteilung Sexualdelikte und Millieu und forderte Eppstein auf, die Projektion abzustellen, da eine Anzeige wegen Pornografie gegen sie eingegangen sei. In der Folge erhielt die Galeristin vom Stadtrichteramt eine Busse wegen Pornografie. Doppelmoral at its best. Esther Eppstein zog vor Gericht.

Die Verhandlung vom 26. Mai war gut besucht, der Fall wurde auch von den Medien kommentiert. Das Urteil bleibt abzuwarten.

Gras und Asphalt

Daniel Gaberell am Sonntag den 17. Mai 2009
Oben: «Hopper» (verkauft), Unten: «Übermut» (noch zu haben)

Oben: «Hopper» (verkauft), Unten: «Übermut» (noch zu haben)

Luk Wartenweilers Weltanschauungen sind ein kleiner Halt im weiten Universum der Unübersichtlichkeiten. Einen kurzen Moment nur, ein kleiner Augenblick nur, der Betrachter hält innen und sieht eine Illustration des Realen. Dreidimensional, fein ausgearbeitet, scharf beleuchtet, im Massstab (ca.) 1:150, hat der Künstler kleinste und wunderschöne Welten aus Holz erschaffen. Unfälle zum Beispiel. Autounfälle. Sieben Stück auf einem Holzbrett aufgereiht. Das erste Auto «fährt» den Abhang runter und landet im Tobel, das zweite verpasst die Kurve schlittert über den gefrorenen See und bleibt schlussendlich im dünnen Eis stecken, Geisterfahrer, eine Frontale in eine Pappel – sieben an der Zahl. «Das sind die neuen sieben Todsünden», erklärt Luk schmunzelnd: «Eile, Übermut, Unaufmerksamkeit, Verwirrung, Faulheit, Leichtsinn, Aufdringlichkeit». Philosophie trifft hier auf Kunst, Ernstgemeinstes auf Ironie und sauberes Handwerk auf mögliche Käufer.

Eine schöne Ausstellung ist das, dort hinten an der Bahnstrasse im «Westrich». Gehen Sie hin und nehmen Sie Ihre Kinder mit, auch die Kleinen werden Ihre Freude an den Miniaturen haben.

Im «Westrich», Bahnstrasse 22, geöffnet heute Sonntag von 12 bis 16 Uhr. Oder auch offen an folgenden Tagen: 18., 19., 21., 23., 24., 25., 26. und 28.5. jeweils von 15-18 h.

Heavy Metal Roboter

Gisela Feuz am Sonntag den 10. Mai 2009

lemmi1Die Ausstellung in der grossen Halle der Reitschule hat garantiert viele Augen von kleinen und grossen Kindern zum Glänzen gebracht, denn die Installationen und Tüftlerwerke von «Maschinenkunst und Robotik» waren ideenreich, spannend und mit sehr viel Liebe zum Detail gestaltet worden.

Vom pyrotechnischen Hosenlupf und Mondoskopen über eine Live-Jukebox bis hin zum Elektro-Fahrzeug-Rennen und einer überdimensionalen Feuer-Orgel gab es viel zu entdecken.

Star des Abends war aber eindeutig Gitarrist Lemmi aus «Six Freaks Under», dem Musik-Roboter-Objekt-Theater-Spektakel von Rozzobianca. «Der spielt nicht nur besser Gitarre als unser Gitarrist, sondern sieht vor allem auch besser aus», so ein anwesender Schlagzeuger einer Berner Band, die zur Wahrung des Bandraumsegens hier jetzt wohl nicht namentlich erwähnt werden sollte.

Stadt der leuchtenden Comics

Benedikt Sartorius am Sonntag den 5. April 2009

Ein weiterer Raum widmet sich dann ganz dem KSB-Kommentare-Booster David Shrigley, dessen Fotokopien mit Slogans, lustigen und grausamen Strichmännchen, besoffenen Geistern und sonstigen Krakeleien aufwarten. Das sieht dann so aus…

… oder fokussiert zum Beispiel so:

Neben dem Festivalzentrum konzentrieren sich sehenswerte Ausstellungen im Picassomuseum, von denen mir insbesondere die des Amerikaners Mark Newgarden gefallen hat. Humorkontrolleure, eine Nonne, viele Nicknames und der virtuelle ästhetische Hammer für den Kunstkritiker – ein schönes Werk von einem Herrn, der mir bis gestern gänzlich unbekannt war.

Zufällig und weiter in der Stadt begegnete ich einem Satellitenapfelladen, der vom Berner Rodja Galli gestaltet wurde. Vom Spruch «Yeah, we are nerds» sehen Sie im Bild das «Yeah»-Fenster:

Und weil heute Sonntag ist, wünsche ich mir noch unbescheiden eine frische Züpfe oder sonstige Gebäcke auf den Morgentisch:

Das Fumetto ist nur noch heute Sonntag in der Stadt der Leuchten. Besuchen Sie dort auch die verstecktere Ausstellung der Kanadierin Geneviève Castrée, die auch schöne Covers zu ihren eigenen Platten gestaltet.

Mit Tracey Emin unter einer Decke

Grazia Pergoletti am Montag den 30. März 2009

Mit Tracey Emin habe ich etwas gemeinsam, nämlich die Bekanntschaft mit Wild Billy Childish. Wobei Sie fünf Jahre lang eine on-and-off-Beziehung mit ihm führte, während ich bloss in blutjungen Jahren ein paar wilde Partys miterlebte, als der Herr mit den Milkshakes in Basel gastierte. Auch sonst ist mir ihr Universum nicht völlig fremd.

Die Arbeit der 45-jährigen Britin, die wie Damien Hirst zu den Young British Artists gehörte, ist dokumentarisch und, ja, sehr persönlich. Ihre Sicht auf die Welt ist schonungslos und geprägt von einer gehörigen Portion Selbstironie und einem schwarzen Humor, der mich an die schottische Autorin A.L. Kennedy denken lässt, selbst wenn diese viel analytischer arbeitet. Jedenfalls ist es Emins unselbstmitleidige Betrachtungsweise, die schon allein eine Umsetzung darstellt und das rein persönliche in etwas universelles verwandelt.

«Sie bricht einem das Herz und ist noch dazu auf unangestrengte Weise komisch», schrieb die Times einmal und ich finde, besser kann man es nicht sagen. Besonders schön sind die bestickten Bettdecken, die mich an die Arbeit der von mir ebenfalls verehrten Annette Messager erinnerten. Und die Holzachterbahn. Und das Video, in welchem sie erklärt, weshalb sie keine Tänzerin geworden ist und daraufhin Wayne, Freddy, Tony, Doug und Ritchard keck auf der Nase herumtanzt.

Tracey Emin hat viel Schmerz und viel Humor. Eine ihrer ersten Arbeiten, die sie verkaufte, waren übrigens Mülleimer, deren Boden Damien Hirsts Konterfei zierte. Unbedingt sehenswert, zur Zeit im Kunstmuseum.

Museumsnacht Bern 09

Manuel Gnos am Samstag den 21. März 2009

Meine Damen und Herren, wir begrüssen Sie zum ersten selbst erstellten Video-Beitrag in diesem Fachforum. Das Video stammt von Elisabeth Blättler und Andrea Baumann. Es fasst ein paar Eindrücke zusammen von der mit 91’400 Eintritten wiederum sehr erfolgreichen Nacht der offenen Museen, die in unserer beschaulichen Stadt zum siebten Mal durchgeführt wurde. Aber sehen Sie selbst:

Das Video in grösserer Auflösung finden Sie hier.

Ab in die Berge

Nicolette Kretz am Donnerstag den 5. März 2009

Kurgäste in Leukerbad mit schwimmenden BadtischenWann waren Sie das letzte Mal im Alpinen Museum? Derzeit lohnt sich da ein Besuch besonders. Die sehr schön gestaltete Ausstellung «Zimmer frei. Alpenhotels zwischen Abbruch und Aufbruch» ist äusserst informativ. Hier erfahren Sie so einiges über den Schweizer Tourismus, was Ihnen möglicherweise noch nicht bekannt war.

Wussten Sie zum Beispiel, dass die Übernachtungszahl der Schweizer Tourismusbetriebe im Sommer deutlich höher ist als im Winter? Oder kennen Sie das ziemlich hoch gegriffene Projekt von Herzog & de Meuron zur Erweiterung des Hotels Schatzalp? Oder die gelungene neue Jugendherberge in Scuol?

Und natürlich lohnt sich der Besuch des Alpinen Museums auch für die Dauerausstellung. Bloss der Versuch, mit ein paar Puppen verschiedene Facetten des alpinen Lebens darzustellen, ist nicht ganz so geglückt. Doch die zig unglaublich detaillierten Reliefs sind wahrlich faszinierende Kunstwerke, genau wie die Landkarten einen Stock darüber.