Archiv für die Kategorie ‘KSB Gastkolumne’

Rauchfrei seit 1993

Ilona Steiger am Sonntag den 4. November 2018

Für KulturStattBern zeichnet Ilona Steiger aka rauchfrei93 als Gastillustratorin sonntäglich Shortstorys aus dem urbanen Untergrund und von der Sandsteinoberfläche.

Keinzigartiges Lexikon: Folge 20

Gisela Feuz am Dienstag den 16. Mai 2017

Der Berner Schriftsteller Giuliano Musio spürt für KSB jede Woche einen heimlichen Verwandten eines vermeintlich einzigartigen Begriffs auf. Manuel Kämpfer illustriert ihn.

Heute: Der Flederhamster
Der Flederhamster ist das einzige fliegende Säugetier neben der Fledermaus und der Schwebekuh. Sein Flug zeichnet sich durch die typischen Schaukelbewegungen aus, die gewöhnliche Hamster nur mithilfe eines Hamsterrads hervorbringen. Der Flederhamster, der bei den Inka übrigens als Glücksbringer galt, orientiert sich über Ultraschalllaute, sofern seine Backen nicht gerade vollgestopft sind. In der transsilvanischen Literatur des frühen achtzehnten Jahrhunderts waren Vampire zunächst noch den Flederhamstern nachempfunden. Ihre langen Nagezähne wirkten aber wenig furchteinflößend. Erst als die englische Literatur stattdessen die Fledermaus mit ihren Reißzähnen als Vorbild nahm, stand dem Erfolg der Vampirromane nichts mehr im Weg.


Das Wort „masuklcha“ in der Sprache der Inka bedeutet zugleich „Flederhamster“ und „Juhu!“.

Nächste Woche: Die Sintebbe

Keinzigartiges Lexikon: Folge 19

Gisela Feuz am Dienstag den 9. Mai 2017

Der Berner Schriftsteller Giuliano Musio spürt für KSB jede Woche einen heimlichen Verwandten eines vermeintlich einzigartigen Begriffs auf. Manuel Kämpfer illustriert ihn.

Heute: Der Serienselbstmörder
Der Serienselbstmord hat sich zu einer beliebten Todesart entwickelt. Eine gängige Methode besteht darin, mitten in einem Hungerstreik und nach einer Überdosis Heroin, einem Glas Pflanzenschutzmittel und zwei Packungen Schlaftabletten mit einer Plastiktüte auf dem Kopf, aufgeschnittenen Pulsadern und Kopfhörern im Ohr, aus denen von Teenagern gesungene Xavier-Naidoo-Songs ertönen, von einem Gebäude hinunterzuspringen, direkt in ein mit elektrischem Stuhl und Selbstschussanlage ausgestattetes Cabrio, das nach einer Fahrt über vermintes Gebiet in einen Brückenpfeiler prallt, worauf man aus der Frontscheibe auf einen zugefrorenen See gespickt wird, in den man nach einer automatischen Selbstentzündung ein Loch hineinschmilzt, um unterzugehen.


Eine sorgfältige Vorbereitung ist für einen Serienselbstmörder das A und O.

Nächste Woche: Der Flederhamster

Keinzigartiges Lexikon: Folge 18

Gisela Feuz am Dienstag den 2. Mai 2017

Der Berner Schriftsteller Giuliano Musio spürt für KSB jede Woche einen heimlichen Verwandten eines vermeintlich einzigartigen Begriffs auf. Manuel Kämpfer illustriert ihn.

Heute: Klipp
Nicht alles, was man mit Nachdruck vermitteln will, sagt man klipp und klar: Manche Aussagen sind auch schlicht nur klipp. Einer klippen, aber unklaren Sprache – erkennbar an der übermäßigen Verwendung von Schnalz-, Zisch- und Knalllauten – bedient man sich vorzugsweise dann, wenn man nichts zu sagen hat, aber unbedingt etwas sagen möchte. Sie wird etwa in Berufsbezeichnungen wie „Proactive Coordination Analyst“ oder in geistreichen Songzeilen wie „Schalala“ oder „Live is life“ deutlich. Die klippe Sprache ist aber auch bei Kiffern beliebt, die einem erklären, wie wenig man vom Leben begriffen hat. Oft geht mit ihr ein Anschwellen des Oberkörpers einher, wie es bei Waldhühnern und Fasanen während der Balzzeit beobachtet werden kann.


Inzwischen wird die Kunst des klippen Sprechens in Managerseminaren und Marketingweiterbildungen gelehrt.

Nächste Woche: Der Serienselbstmörder

Keinzigartiges Lexikon: Folge 17

Gisela Feuz am Dienstag den 25. April 2017

Der Berner Schriftsteller Giuliano Musio spürt für KSB jede Woche einen heimlichen Verwandten eines vermeintlich einzigartigen Begriffs auf. Manuel Kämpfer illustriert ihn.

Heute: Das Dünnicht
Dünnichte sind, anders als Dickichte, sichere und überwachte Zonen im Wald, der bekanntlich von jeher der Todfeind des Menschen ist. Die vom Bundeswaldgesetz verordneten Dünnichte sind mit Scheinwerfern und Feuermeldern ausgestattet und von jeglichen Gefahren befreit worden: Regelmäßig entfernen Gärtner spitze Zweige, Dornen, giftige Beeren, aus dem Boden ragende Wurzeln und ekliges Moos. Das nervtötende Vogelgezwitscher wird von angenehmer Liftmusik übertönt, und alle Tiere sind auf den Fuchsbandwurm getestet. Mithilfe von Pestiziden hat man Zecken, Mücken und singende Pfadfinder ausgerottet. Dank klarer Beschilderung sind sogar Orientierungsläufe einfacher geworden. Waldspaziergänge und Erholung sind endlich kein Widerspruch mehr.


Die in Dünnichten lebenden Igel werden monatlich von Hundesalonbesitzerinnen entstachelt.

Nächste Woche: Klipp

Keinzigartiges Lexikon: Folge 16

Gisela Feuz am Dienstag den 18. April 2017

Der Berner Schriftsteller Giuliano Musio spürt für KSB jede Woche einen heimlichen Verwandten eines vermeintlich einzigartigen Begriffs auf. Manuel Kämpfer illustriert ihn.

Heute: Der Trikini
Der Trikini ist ein Damenbadeanzug, der aus Oberteil, Unterteil und einer linken Socke besteht. Heute kann man sich kaum mehr vorstellen, warum man den modischen Dreiteiler nicht früher erfunden hat. Er sieht nicht nur sexy aus, sondern ist auch überaus praktisch: Wer einen Trikini trägt, kann problemlos auf einem Bein über den heißen Sand hüpfen, und Trikini-Fans klagen nie über Sonnenbrand am linken Fuß. Gelegentlich wird die Bezeichnung „Trikini“ kritisiert: Sie suggeriere, dass „Bikini“ die lateinische Vorsilbe „bi“ für „zwei“ enthalte, obwohl der Name auf ein Südsee-Atoll zurückgehe. Mit dem Trikini verhält es sich allerdings ähnlich: Er wurde auf dem südjapanischen Hügel Trikini-Oka erfunden; der Gleichklang mit „Bikini“ ist rein zufällig.


Trikini-Trägerinnen müssen nie fürchten, von einem Einsiedlerkrebs in den linken großen Zeh gezwackt zu werden.

Nächste Woche: Das Dünnicht

Keinzigartiges Lexikon: Folge 15

Gisela Feuz am Dienstag den 11. April 2017

Der Berner Schriftsteller Giuliano Musio spürt für KSB jede Woche einen heimlichen Verwandten eines vermeintlich einzigartigen Begriffs auf. Manuel Kämpfer illustriert ihn.

Heute: Der Spätling
Der Spätling war eine Jahreszeit, die in den Siebzigern probeweise eingeführt wurde, nachdem man gemerkt hatte, dass sich auch Verrücktheiten wie die Umstellung auf Sommerzeit durchsetzen lassen. Mit dem Spätling entstanden zwei neue Monate, Quintember und Sixtober, wodurch es beim Abzählen an der Hand endlich keine überzähligen Fingerknochen mehr gab. Wie im Frühling begannen auch im Spätling die Blumen zu sprießen, die Bäume zu knospen und die Vögel zu singen. Da der Spätling aber direkt in den Herbst überging, endete das liebliche Erwachen der Natur jeweils in jähem Tod. Innendekorateure, Bastelgruppen und Hebammen ließen es sich dennoch nicht nehmen, die neue Jahreszeit zu zelebrieren: mit Spätlingsgedichten und Knospensträußen.


Manch einer feierte die neue Jahreszeit mit dem leckeren Unreife-Äpfel-Kuchen.

Nächste Woche: Der Trikini

Keinzigartiges Lexikon: Folge 14

Gisela Feuz am Dienstag den 4. April 2017

Der Berner Schriftsteller Giuliano Musio spürt für KSB jede Woche einen heimlichen Verwandten eines vermeintlich einzigartigen Begriffs auf. Manuel Kämpfer illustriert ihn.

Heute: Das Leut
Das Leut ist ein aus der Menge der Leute isoliertes Individuum. Obwohl es abgeschieden lebt und ausgesprochen einsam ist, zeigt es durchweg Verhaltensweisen, die eigentlich für Menschenmengen üblich wären. So macht es immer mal wieder eine Stadionwelle oder tanzt Macarena. An der Street Parade wurde schon ein Leut allein auf einem Lovemobile gesichtet, wo es abwechselnd tanzte und das Fahrzeug steuerte. Besonders tragisch ist, dass das Leut durch sein Verhalten noch stärker isoliert wird. Schmerzlich auf seine trostlose Existenz zurückgeworfen wird es regelmäßig bei seinen Versuchen, einen Kanon zu singen oder eine Polonaise anzuführen. Es kommt immer wieder vor, dass das Leut in solchen Situationen in Massenpanik gerät.


Gelegentlich feiert das Leut in seiner Einzel-WG für sich allein Partys, die in Einzel-Massenschlägereien ausarten.

Nächste Woche: Der Spätling

Keinzigartiges Lexikon: Folge 13

Gisela Feuz am Dienstag den 28. März 2017

Der Berner Schriftsteller Giuliano Musio spürt für KSB jede Woche einen heimlichen Verwandten eines vermeintlich einzigartigen Begriffs auf. Manuel Kämpfer illustriert ihn.

Heute: Der Ostpol
Der Ostpol ist eine Eisplatte im Indischen Ozean, die in ihrer Größe nur etwa einem Drittel des Schwarzwalds entspricht. Die Eroberung gestaltete sich deshalb äußerst einfach. Vergeblich versuchten die Entdecker der Neuzeit eine Sensation daraus zu machen, indem sie fehlkonstruierte Eisbrecher und Senioren-Schlittenhunde einsetzten, um wenigstens hin und wieder einen abgefrorenen Zeh verbuchen zu können. Wissenschaftler weltweit sind sich einig, dass der Ostpol von allen fünf Polen der tollste ist. Unter anderem, weil die dortigen indigenen Einwohner nicht nur lahme vierzig Wörter für Schnee haben, wie es den Eskimos nachgesagt wird, sondern dreihundertsiebenundsechzig, darunter auch eines für „Schnee, in den ich meinen Namen gepinkelt habe“.


Nur am Ostpol gibt es sowohl Eisbären als auch Pinguine – zumindest war das so, bevor die Pinguine von den Eisbären gefressen wurden.

Nächste Woche: Das Leut

Keinzigartiges Lexikon: Folge 12

Gisela Feuz am Dienstag den 21. März 2017

Der Berner Schriftsteller Giuliano Musio spürt für KSB jede Woche einen heimlichen Verwandten eines vermeintlich einzigartigen Begriffs auf. Manuel Kämpfer illustriert ihn.

Heute: Das Rumbastilzchen
Dass das Rumpelstilzchen ursprünglich Rumbastilzchen heißen sollte und, statt auf einem Bein zu hüpfen, mit leidenschaftlichem Hüftschwung ums Feuer tanzte, offenbaren kürzlich entdeckte Handschriften von Wilhelm Grimm aus dem Jahr 1808. Zur Zeit der deutschen Romantik, als Alexander von Humboldt unter anderem Kuba erforschte, hatte in den Künstlerzirkeln um Goethe und Schiller der sogenannte hessische Rumba – im Unterschied zum kubanischen Paartanz ein gepflegter Einzeltanz – Hochkultur. Ob das Rumbastilzchen den Gebrüdern Grimm nicht deutsch genug schien oder ob es die effeminierten und verweichlichten Tanzbewegungen waren, die sich nicht mit einer bedrohlichen Figur zusammenbringen ließen, ist umstritten.


Allein das nächtliche Tanzen am Feuer weist in späteren Fassungen noch auf die heißblütigen Ursprünge des Rumpelstilzchens hin.

Nächste Woche: Der Ostpol