Archiv für die Kategorie ‘Klatsch & Spott’

Kapitalismus, Kolleg!

Christian Zellweger am Mittwoch den 29. Mai 2013

Wie viele Leute mögen so reagiert haben, als ihnen jemand sagte, dass sie am Tanz dich frei eigentlich gegen den Kapitalismus demonstrierten?
(Bild von: whenyouliveinbern.tumblr.com

Es gibt da einen jungen Mann, der dürfte wohl auch den Mäuseblick aufgesetzt haben, als er erfuhr, dass seine vermeintlichen Gefährten mit schwarzen Pullovern und vermummten Gesichtern nicht nur die Deutungshoheit über das Tanzen beanspruchen, sondern auch über die Krawallmachereien: Alles antikapitalistische Taten, gegen das «Gewaltmonopol des Unterdrückerstaates» und gegen die «demokratische Herrschaft». Sein in diesem Kontext doch eher unpassendes Outfit machte den Herrn übers Wochenende kurzzeitig zum Facebook-Star:

Nach diesem kurzen Einblick in die Reaktionen des Internets auf die ungewöhnlichen Begebenheiten vom letzten Wochenende sind Sie hoffentlich eingestimmt auf das eigentliche Anliegen dieses Beitrages: Wir wollen Ihnen nämlich wieder einmal ein Produkt heimischen Musikschaffens näherbringen.

In dieser Folge: Die Gruppe Jeans for Jesus. In «Kapitalismus, Kolleg» beschäftigen sich die Damen und Herren mit dem Balanceakt der Widersprüchlichkeiten, den so ein Leben im Kapitalimus nun mal bedeutet. Zum Beispiel so: «Nachdem i We Feed The World ha gseh/hani zwöi Wuche schlächt gässe». Aber hören sie selbst:

Mit dabei unter anderem Marcel Kägi, der auch schon für Kutti MC und Open Season produziert hat, sowie der Rapper MIK (der beim obigen Song aber lediglich als Texter beteiligt war). Ein Album soll später im Jahr erscheinen. Das erste Lied daraus sei aber ein Ausreisser, eigentlich seien sie eher eine «Pop-Band». Auch wenn es in den folgenden Liedern weniger Falco geben sollte: Wir sind gespannt und wollen mehr.

When you live in Bern

Roland Fischer am Mittwoch den 8. Mai 2013

Gifs! Alter Hut, ich weiss, aber immer eine Augenfreude, wenn sie gut gemacht sind. Seit kurzem gibt es einen neuen Gif-Blog speziell für Bern. Wenn man in Bern wohnt, wird einem das alles ziemlich bekannt vorkommen. Zum Beispiel wenn jemand stolz verkündet, er habe einen Backstage-Pass für den Gurten:

Apropos Gurten – So stellt man sich vielleicht die typische Reaktion bei der Bekanntgabe der Headliner vor:

Aber so schlimm ist es ja gar nicht. Immerhin macht Müslüm den Schluss und mit Bastille oder dem Black Rebel Motorcycle Club hat es auch noch ein paar nette Programm-Nachnominierungen gegeben. Und sowieso, die Verantwortlichen zeigen bei der Programmierung durchaus Humor, haben sie doch am Samstag extra eine Warnung auf die Bühne geholt, mit Beware of Darkness, bevor am Sonntagabend zum Schluss die Dunkelheit selbst über das Festival kommt.

Kulturpreis ans Schlachthaus

Nicolette Kretz am Freitag den 5. April 2013

Heute Abend durfte das Schlachthaus Theater den Kulturpreis der Burgergemeinde Bern entgegennehmen! Diese ehrenvolle aber auch finanzstarke Würdigung erfolgte in der ziemlich vollen Rathaushalle und war ein überaus – man möchte fast sagen: überraschend – lockerer Anlass.

Auf die nicht ganz schnitzerfreie aber sehr charmante Begrüssung durch den Brugergemeindepräsident Rolf Dähler folgte die amüsante Festrede von Guy Krneta, welche auch den der freien Theaterszene ferneren Anwesenden einen Eindruck des Werdegangs dieses Hauses vermittelte. Getoppt wurde aber alles von der Dankensrede der beiden Schlachthaus-Leiterinnen: Die beiden (ursprünglich aus Deutschland und aus dem Welschland Stammenden) machten sich die Mühe, sich dem Anlass entsprechend auf Berndeutsch zu bedanken – und zwar ausführlich. Dies sowie die kleinen musikalischen und theatralen Schmankerl aus dem Schlachthaus-Programm nahmen der Feier definitiv ihre Reststeifheit.

Wir gratulieren den beiden Leiterinnen Myriam Prongué und Maike Lex und ihrem gesamten Team herzlich!

KTB kopflos

Roland Fischer am Dienstag den 2. April 2013

Bisschen kopflos kommt er daher, der alte Tasso, auf einem aktuellen KTB-Aushang. Budgetkürzungen im Marketing? Postmoderner Umgang mit Klassikern? Hochsymbolische Werbekampagne? Schliesslich verliert der arme Torquato ja im Stück (wie im echten Leben schon – das Tasso-Original litt an Schizophrenie, was sich auch in Schüben von Verfolgungswahn äusserte) beinahe den Kopf:

Ich soll erkennen, daß mich niemand haßt.
Daß niemand mich verfolgt, daß alle List
Und alles heimliche Gewebe sich
Allein in meinem Kopfe spinnt und webt!

Am Freitag ist Premiere, bis dahin behält der famose Andri Schenardi hoffentlich den seinen.

Tomazobi: Affehuus

Resli Burri am Samstag den 30. März 2013

Was unterscheidet  Tomazobi von den Kindern? Sie sind grösser und tragen auf der Strasse keine Lüchtzgis. Sonst gibt es keinen Unterschied. Der Kindergarten war und bleibt ihre Adresse, und das ist gut so.

Auf ihrer neuen CD «Affehuus» versammeln die Spassmacher sechzehn Songs zwischen Punk und Triplettes de Belleville-Gipsy, Troubadour und Jazz, Ethno und Schubidu. Ein unterhaltsames, theatralisches, comicartiges drittes Studioalbum haben die Haudegen Maze, Tobi und Obi mit Nick mit den Gästen Baze (der morgen im Mokka zu Thun den Osterrap gibt), Daniel Durrer am Sax und Gigi Moto da eingespielt. Höhepunkte sind neben dem Titelsong «Affehuus» die «Böhmischen Rapsfelder», dem virtuos gecoverten «Bohemian Rhapsody» von Queen oder das unbeschwerte «Lazarett», in dem allerlei Leiden und Gebresten angesungen werden, als wären sie schöne tropische Blumen.
Wie bei den Jungs üblich, sind auch einige Vulgaritäten und grobschlächtige Blödeleien auszumachen. Die seien ihnen jedoch verziehen, schliesslich gehören sie zum Erwachsenwerden.
Die Scheibe wird am 20. April im Dachstock getauft. Hingehen wird sich sicher lohnen.

Der Release ist am 5. April. Die geneigte Leserschaft kann die CD aber auch schon jetzt hier bestellen.

Radio Seldwyla 1

Gisela Feuz am Mittwoch den 27. März 2013

Irgendwo in einem Büro in Züri
Chef: Sodeli, jetzt zeigen wir diesen Hinterwäldern in diesem Bern niden mal, wie man eine andständige Corporate Identity entwirft, odr. Kosmopoliten sind sie ja definitiv nicht da unten, «Capital FM» passt ihnen ja offenbar nicht, pffff. Aber gut, dann halt bodenständig. (ruft Werbeabteilung an) Stettler, überlegen Sie sich mal was!»

drei Monate später
Anruf Stettler: Chef, wir haben eine geniale Idee gebrainstormt: Radio Bern, was sagen Sie dazu, das haut Sie jetzt aus den Socken, odr?!

Drei Monate später
Anruf Chef: Stettler, Sie Tubel, jetzt hat mir mein linker Hippie-Neffe aus Bern gerade erklärt, Radio Bern gäbe es schon, lassen Sie sich gefälligst was Neues einfallen, Sie Holzkopf! Aber dalli!

Drei Monate später
Anruf Stettler: Chef, das wird sie jetzt definitiv umhauen, absolut genial, darauf muss man erst mal kommen: Radio Bern1, grandios, odr?!

Szenario und Personen sind frei erfunden. Das alternative Radio Bern (kurz RaBe) existiert allerdings seit 1996 unter diesem Namen, Capital FM (ehemals Radio ExtraBern) soll nun bald Radio Bern1 heissen. Gut. Immerhin ist das Logo ein komplett anderes.

Übrigens: wenn man bei Google «Radio Bern 1» eingibt, erscheint an erster Stelle die Adresse des Lokalkonkurrenten Radio Energy Bern, der früher Radio BE1 hiess. Das findet jetzt aber nicht nur ich lustig, odr?!

Verhastes Bern

Resli Burri am Dienstag den 26. März 2013


Wir verstehen Sie gut, wir wären auch lieber zuhause geblieben bei diesem Wetter
. Wir von KSB waren uns nicht zu schade, wir haben die Helly-Hasens und die Kandahasen montiert und uns auf den verschneiten Weg gemacht, um die Osterhasen zu interviewen. Wir wollten sie fragen, was sie so machen das Jahr hindurch, ob sie die Herkunft der Eier auch wirklich richtig deklarieren, welche Farben sie so brauchen zum Färben und ob sich Strümpfe mit Mustern auch eignen, um die Kräuter an die Schale zu pappen. Wir wollten sie in Gespräche verwickeln über das Has-Sein im Allgemeinen und im Besonderen, will heissen jetzt, wo ihr Leben viel stressiger ist, da sie nebst der Rammelei noch das ganze Osterbuisness um die Löffel haben.

Und nun das: Der Has ist hinter Glas, und keiner sagt was, wie ich das hass! Stiller Has.

Henu, wir können Ihnen wenigstens ein Paar Bilder zeigen von diesen Hinterglashasen, damit Sie die gute Stube nicht verlassen müssen.

 

Letzte Dinge

Benedikt Sartorius am Dienstag den 5. März 2013

Herzlich willkommen zu einer vorläufig letzten Übersicht über irrelevante und eher relevante Dinge des Kulturalltags. Los:

– «Hast Du Dir die neue Bowie bereits angehört?», wird man in diesen Tagen öfters gefragt. Die neue Bowie? Nun, die gibts im iTunes-Store zum Streamen (und zum Kaufen für schlappe 20 Franken), angehört habe ich mir diese allerdings noch nicht, schlicht, weil ich abseits von Seu Jorge noch nie eine innige Beziehung zum Pop-Chamäleon gepflegt habe. Mal schauen, wie sich dies weiter entwickelt.

– Stimmen aus dem Jenseits fand ich jüngst nach dem leider nutzlosen Gang zur Abstimmungsurne, zumindest in der Ehrenrunde via Buchhandlung. Dort lag zu meiner Freude der angeblich letzte Roman von Roberto Bolaño, den ich mit Schweisshänden nach Hause getragen habe und über den ich später Rechenschaft ablegen muss. Kurz, aufgeregter bin ich beinahe nur vor dem Kilbi-Vorverkauf oder einer neuen Animal Collective-Platte.

– Die Oscars meinte ich abgehandelt zu haben, wäre da nur nicht dieser Rodriguez: «Searching for Sugar Man» gewann nämlich eine Gold-Trophäe für den besten Doku-Film. Und das Goldfieber macht auch vor den Bernern nicht Halt: Denn bereits länger greifbar ist ein Rodriguez-Remix der Round Table Knights, der auf Hypemachine und Konsorten für mächtig Furore sorgt.

«Who likes winter? We like winter», singt Matthew E White auf dem bisherigen Album des Jahres, doch der hat auch den Grog und den «Sweet Whiskey». Unsereiner ist ganz nüchtern, und freut sich einfach auf den Frühling. Und den kann man nicht stoppen. Das weiss auch der Bowie.

Endlich entdeckt: die gemeine Kunstlaus

Roland Fischer am Freitag den 8. Februar 2013

Schon mal vom Wolpertinger gehört? Das sagenumwobene Tier, eine launige Laune der Evolution, wurde glaubs noch nie gefangen, gefilmt oder sonstwie habhaft gemacht. Man ist, mit anderen Worten, nicht sicher ob es wirklich existiert. Dabei hätte es sich mit seinen links und rechts ungleich langen Beinen perfekt an ein Hanglagenleben in bergigen Gefilden angepasst. Ernährt hätte es sich von ausgesuchten Bergkräutern, aber auch dazu gibt es kaum wissenschaftliche Belege.

Genaueres zu den Ernährungsgewohnheiten ist von einer anderen scheuen Spezies bekannt – dem parasitus arteprimum. Die gemeine Kunstlaus, wie sie im Volksmund heisst, komme auch durch den härtesten Winter, indem sie mit feinem Sensorium die Vernissagen in der ganzen Stadt aufspüre und sich dort jeweils diskret am Buffet gütlich tue. Auch hier aber ist die Faktenlage ernüchternd: Keine verbürgten Nachweise, keine direkten Beobachtungen, bloss Überlieferungen und zweifelhafte Quellen zeugen vom Kulturparasiten.

Gestern aber bot sich eine einmalige Gelegenheit für ein wenig Feldforschung im Progr – ein wahrer Vernissagenmarathon war da im Ostflügel zu absolvieren. Zunächst präsentierten Berner Künstlerinnen in der Stadtgalerie Mitbringsel aus aller Welt, während hinten das Kunstmuseum ganz passend dazu Zeichnungen von Michael Günzburger aus Indien zeigte. Später konnte man drüben im Lehrerzimmer wiederum mit Günzburger auf sein Buch anstossen, und dazwischen gab’s auch noch ein paar Häppchen vor dem Büro, einer installativen Arbeit von Virginie Halter.

Das Angebot war einfach zu verlockend – und tatsächlich: Ich habe ein seltenes Exemplar vor die Linse bekommen, nach langem Lauern! Es fühlt sich sicher im Besuchergewühl, doch verrät es sich durch sein auffällig unauffäliges Verhalten. Noch stehen die entscheidenden Analysen aus, und so muss die Enthüllung noch warten, aber es darf als sicher gelten: diese Wimmelbilder warten mit einer kleinen wissenschaftlichen Sensation auf.

Facebookisierung der Kultur?

Roland Fischer am Donnerstag den 24. Januar 2013

Wir klopfen uns sozialmedial auf die Schultern: 500 Facebook-Likes, merci bestens! Man kann nun natürlich fragen, was so eine Zahl überhaupt zu bedeuten hat, beziehungsweise, ob das ziemlich belanglos oder ein Grund zum Feiern oder vielleicht ein Grund für Kulturpessimismus ist.

Also, aus aktuellem Anlass ein paar Gedanken zu Facebook und Kultur. Es ist schon ein geflügeltes Wort: Die Facebookisierung – wahlweise der Arbeitswelt, der Wirtschaft oder überhaupt der Gesellschaft. Interessanterweise wird das in der Kultur noch nicht so ausführlich besprochen, dabei hat Facebook als wohl prominentester Ausdruck des Aufmerksamkeitswettbewerb durchaus einen Einfluss auf die Art und Weise wie Kultur rezipiert – und damit wohl auch: wie Kultur gemacht wird.

Im Internet ist es ja schon normal, dass wir kulturelle Erzeugnisse im Eiltempo, gewissermassen im Vorbeigehen, beurteilen. Aber streifen wir nicht längst auch schon mit dieser I-Like-Haltung durch die Museen? Gut, es kommt einem dabei auch der Rezensions-Urgestein Reich-Ranicki in den Sinn, der Bücher nach nicht mal einer Seite in das Like/Dislike-Schema sortierte («wenn die ersten zwanzig Zeilen schlecht sind, ist das ganze Buch schlecht»), so neu ist das also nicht. Trotzdem, gerade in der bildenden Kunst scheint eine Ästhetik im Aufwind, die auf rasche Urteile schielt, auf ein Abholen des Betrachters – oder eben nicht (auch nicht so schlimm, die nächste Bildidee kommt bald). Man müsste es richtigerweise wohl eher die Tumblrisierung der Kunst nennen, ein ewiger, mal hierhin, mal dorthin gelenkter Bilderstrom, mit immer exakt vermessener Durchflussmenge.

Übrigens, für alle, denen die Zahlengläubigkeit in der Digitalwelt auf die Nerven geht: Es gibt ein hübsches kleines Plugin, das Facebook demetrisiert – alle Zahlen verschwinden kurzerhand. Die Aktivisten, die sowas aushecken und programmieren, verstehen sich durchaus auch als Künstler, und insofern wäre das dann noch ein ganz anderer Effekt der Facebookisierung: Dass nämlich eine ganz neue Kunstrichtung entstanden ist, die Gesellschaftskritik im wohl bald grössten Land der Welt betreibt.

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Die schönen Stempel kann man übrigens hier kaufen.