Archiv für die Kategorie ‘Klassik & Jazz’

Kilbi-Flash

Christian Zellweger am Mittwoch den 2. März 2016

Eine kurze Meldung zur Kilbi nur (die Festivalpässe waren auf Starticket auch dieses Jahr innert Minuten ausverkauft, vielleicht gibt es am Nachmittag noch ein Tranche, es wäre nicht das erste Mal).

Schön sind dieses Jahr wiederum die Weirdos und Legenden: Booking-Coups sind zum einen die verrückten Noise-Japaner der Boredoms, zum anderen Manuel Götsching, mit Ash Ra Tempel einer der Godfathers des unsterblichen Krautrocks. Begleitet wird er von Ariel Pink, Oren Ambarchi und Shags Chamberlain.

Auch aus der Legenden-Ecke kommt etwa Techno-Pionier Andrew Weatherall, der ein sechstündiges DJ-Set mit Sean Johnston ankündigt.

Zeitgeistiges gibt es mit den Savages, Julia Holter, Floating Points, Car Seat Headrest und Ty Segall. Auch Saxophonist Kamasi Washington hat es auf zahlreiche Bestenlisten des letzten Jahres geschaftt – nicht nur als Kendrick-Lamar-Kollaborateur, sondern ungewöhnlicherweise auch mit seinem Dreifach-Jazzalbum über fast 180 Minuten.

Technoide Verstörung bahnt sich an bei den dunklen Texturen des Luzerners Samuel Savenberg alias s s s s, wegtanzen lässt sie sich beim unbequemen aber umso besseren Techno des Powell.

Dazu gibt es Weltmusik im besten Sinne etwa von Ogoy Nengo aus Kenia oder der Awesome-Tapes-from-Africa-Entdeckung Ata Kak und seiner Lo-Fi-Disco.

Und natürlich vieles mehr (Programm hier, die Seite sollte jetzt auch wieder funktionerien). Am Puls der Zeit, verstörend oder einzigartig: Kilbi at its best, merci Duex.

Happy Birthday, Hildegard!

Milena Krstic am Dienstag den 20. Oktober 2015

Am Eröffnungswochenende von Bee-Flat haben Hildegard lernt fliegen gespielt. Es war toll.

Das Turnhalle-Publikum gratuliert Hildegard.

Das Turnhalle-Publikum gratuliert Hildegard.

Ja, ja ich weiss, ich komme reichlich spät mit meiner Erkenntnis: Hildegard lernt fliegen ist eine wunderbare Band. Die ganze Stadt weiss es nämlich schon, wie die ausverkaufte Turnhalle am Sonntag bewies. Sowieso sei das ganze Bee-Flat Eröffnungs-Wochenende eine wahre Freude gewesen, wie einer der Veranstalter selig verkündete.

Die sechsköpfige Hildegard, die abenteuerlichste Jazz-Band im Berner Betrieb, sorgte für einen Sonntagabend im Freudentaumel: Andreas Schaerer, der auch an der Hochschule der Künste Bern unterrichtet, ist ein Unterhalter sondergleichen, trumpfte mit Anekdoten aus zehn Jahren Bandgeschichte auf («Damals, als wir in diesem schummrigen Schuppen in Russland gespielt haben …») und singt nicht nur waghalsig, sondern gibt auch schon mal den Frank Sinatra und hat einen Charme wie Queens Freddy. Am Ende hat er noch rasch das Publikum dirigiert, vierstimmig! Fast schon therapeutisch war das. Und alle waren ganz glücklich am Ende dieser Show. Jap. So macht experimenteller Jazz Spass.

Auf mindestens weitere zehn Jahre Hildegard!

Hildegard spielen ein Momentli lang gerade nümme in Bern. Alle anderen Livedaten hier.

An die Gurgel mit Kamikaze

Christian Zellweger am Freitag den 2. Oktober 2015

kamikaze

Wenn die Temperaturen sinken, steigen die Veröffentlichungszahlen – Kamikaze macht hier keine Ausnahme. Gitarrist Fabio Pinto ging durch die Berner Jazzschule, hat sich aber den elektronisch-souligen Klängen zugewandt. «Pixel-Soul» wurde das andernorts anlässlich der 2014er-EP geheissen, Dinge wie die Selbstbezeichnung «Future-Pop» sind grundsätzlich sicher auch nicht falsch. Die Band hat Pinto diesmal zu Hause gelassen und sich mit Mit-Produzent Alexandre Maurer eingeschlossen und um die neuen Songs gekämpft. «We almost killed each other in the studio», heisst das in Pintos eigenen Worten. Wies dann doch klappte? «The key is to leave the egos out of the process.» Ohne dabei charakterlos zu werden, versteht sich. Wie das klingt? So:

 

Digital kaufen oder verschenken lässt sich die EP «Velvet Ghetto» hier auf Bandcamp.

Durch die Stadt mit Phall Fatale

Christian Zellweger am Donnerstag den 24. September 2015

Das Schlagzeug klöppelt im Raum, das Kontrabass-Duo umschlingt sich und darüber legen sich die Stimmen zweier Frauen. Es lohnt sich, genau in diese Schichten hineinzuhören. Man kann sich aber auch einfach der exaltiert-komischen Geschichte im Video widmen.

Phall Fatale gibt es seit 2008 und sind die Angelegenheit von Schlagzeug-Übervater Fredy Studer, den Bassisten Daniel Sailer und John Edwards und den Sängerinnen Joana Aderi und Joy Frempong. Diese lebt nun in Berlin, hat aber auch in Bern ihre Spuren hinterlassen: Als Studentin an der HKB, als Stimme von Filewile oder mit ihrem Projekt «Oy». Das Video zu «The Girl, The Beat» kündigt vom neuen Album «Moonlit Bang Bang», dass bald kommen soll.

Mehr Worte zu Phall Fatale gibt es hier von Christoph Fellmann.

Jazz für d’Lüüt am BeJazz-Sommer

Christian Zellweger am Dienstag den 28. Juli 2015

grmsvtn

Er hats nicht in den Kulturbeutel geschafft, dabei ist diese Woche doch noch der BeJazz-Sommer in der Stadt. Da, wo man auf der Rathaustreppe ein Bier trinkt und der Musik lauscht, die auch dieses Jahr gar nicht nur so jazz-jazzig daher kommt. Wobei mit AKO, der Uptown Big Band, 2 for Soul und Eliyah Reichen Electric auch die Feinde des Etiketten-Schwindels zum Handkuss kommen.

Etwas anstrengend für Puristen, etwas ansprechender für Uneingeweihte, könnten aber die Auftritte von Grimsvötn und Bürgi’s Quest werden. Bei Ersteren lässt die vielseitig verzettelte Claire Huguenin ihrer Pop-Lust den Lauf, bei Letzeren lässt Rapper Baze seine Songs voller kraftvoller Selbstzerfleischung von Schlagzeuger Fabian Bürgi sezieren.

Für Einigkeit zwischen allen Polen sorgt dann die Kirche. In der St. Peter und Paul-Kirche sucht am Samstag nämlich Julian Sartorius nach dem Klang.

Alles Gratis ist das dann auch noch – ausser dem Bier, versteht sich.

BeJazz-Sommer, Rathausplatz, Dienstag, 28.7. bis Samstag, 1.8.

Raw Summer Hit

Oliver Roth am Mittwoch den 15. Juli 2015

Julian Sartorius veröffentlicht als Rou Puckt eine 7″ Vinyl Single.

Der Song «Brom» wird, wie es sich für einen Sommerhit gehört, mit einem erfrischenden Video geliefert. Treibende Körper in der Aare, gleitende Gummiboote. Alle kennen und lieben das Gefühl. Songs wie «Brom» kennen wir noch nicht so viele. Der verspielte Rap-Song ohne Worte erfrischt anders. Immer wieder hinkt die Spielzeug-Stimme dem Schlagzeug-Beat hinterher und bleibt dann ganz stehen, um den schwebenden Sounds Platz zu lassen. In den Rhythmen von «Brom» lässt sich auch nach 10 Mal hören noch etwas entdecken, ganz und gar nicht, wie es sich für einem Sommerhit gehört.

Exklusiv gibt es hier auf KSB das Video zur Instrumental-Version des Tracks, die sich ebenfalls auf der Vinyl-Single befindet. Die Tänzerin Cosima Grand gibt dem Track durch ihre Bewegungen quasi eine neue Stimme! Und wer genau hinschaut findet auch den «besten Schlagzeuger von Europa» (Zitat Iggy Malmborg) im Video wieder.

Die limitierte 7 inch Single kann man auf Hum Records bestellen. Mehr Infos auf juliansartorius.ch.

Eine schrecklich schöne Zugfahrt

Milena Krstic am Samstag den 11. Juli 2015

KSB schickt Sie mit einem herrlich obskuren Videoclip ins Wochenende: Marena Whitcher und ihr Shady Midnight Orchestra haben keine Mühe gescheut, um eine theatralische Mini-Horror-Show zu präsentieren. Feder-Fake-Lashes, geschichtetes Make-Up, opulente Kostümierung  und im Hintergrund trällert sanft eine jazzig-verträumte Multiplikation der Hauptprotagonistin.

Marena Whitcher wurde erst kürzlich mit dem Berliner Kunstpreis ausgezeichnet und sang unter anderem bei den Elektro-Swingern von Klischée. Ausserdem studiert sie in Bern an der HKB.

Kilbi-Countdown-Content (4): Schneller! Toller! Meier.

Christian Zellweger am Mittwoch den 20. Mai 2015

Kilbi-Countdown-Content: Nicht mehr lange bis zur Bad Bonn Kilbi. In loser Serie wollen wir hier Ihre Aufmerksamkeit auf ausgewählte Bands im schönen Programm lenken. Heute: Schnellertollermeier.

Nun gut, sagen wir es so: Das könnte das beste Konzert an dieser Kilbi werden. Eines, an das man sich noch lange erinnern wird. Aber aufgepasst: Es könnte auch das beste Konzert dieser Kilbi werden, das man verpasst hat. Denn Schnellertollermeier spielen doch tatsächlich am Donnerstagnachmittag schon um 15.45 Uhr.

Zumindest wird man sich im Nachhinein nicht lange darüber ärgern müssen. Denn Schnellertollermeier – eine Art bessere Battles ohne Attitüde – kommen aus der Schweiz und spielen nach der Kilbi auch noch Shows am B-Sides oder am Stadtsommer in Zürich.

Ihr Album «X» hat auch schon das Attribut «aufregendste Platte, die in diesem Land erschienen ist» (ohne den beliebten Zusatz «in diesem Jahr» wohlgemerkt) verliehen bekommen. Das mag man für Übertreibung halten, der Gegenbeweis ist noch nicht erbracht.

Schnellertollermeier spielen an der Bad Bonn Kilbi, wie gesagt, am Donnerstag, 28. Mai um 15.45 im Haus.

Keeping the bar high, not dry

Roland Fischer am Samstag den 16. Mai 2015

Julian Sartorius macht den Bartender, gestern in der Galerie Hauser & Wirth in Zürich. Später setzte er sich dann noch hinters Schlagzeug und machte einigen Lärm in der temporären Roth-Bar, wo eine der schönsten Ideen eines meiner Lieblingskünstler weitergesponnen wird.

roth bar

Warum die Bar «Economy» heisst ist einem allerdings ein wenig schleierhaft. Alles ziemlich zusammengeschustert, ok, aber dann steht da trotzdem eine Superedel-Espressomaschine und die Preise sind auch ziemlich zürcherisch. Aber was soll man sagen, ist halt in einer der wichtigsten Galerien der Welt. Da hätte Julian schon ein wenig unzimperlicher sein dürfen hinter der Bar – sein eigenes Schlagzeug musste dann einiges mehr aushalten.

Ich war noch niemals …

Milena Krstic am Freitag den 16. Januar 2015

… in den Vidmarhallen an einem Konzert. Also bin ich gestern mal hingegangen. Dort eröffnete nämlich das viertägige BeJazz Winterfestival, das finanziell grosszügig von Stadt und Kanton unterstützt wird, wie in der einleitenden Rede erläutert wurde. Und das hat sich dann auch so angefühlt: luxuriös, warm, rauchfrei, parfümierte Sitznachbaren, graue, sehr gepflegte Haarmähnen, perfekte Toneinstellung und Belichtung. Es war ein bisschen so, als hätte ich eine Nacht im Fünfsternehotel gewonnen. Wie ich am BeJazz gelandet bin? Nach einer Teetrinksession mit der Wahlbernerin und Tausendsassa Claire Huguenin. Sie hat im übrigen nicht nur 1001 Projekte am Start (sie tut unter anderem bei Kamikaze, Grimsvötn und Aeiou mit), sondern auch eine unglaublich wohlplatzierte, überraschende und zu Tränen rührende Stimme. Jedenfalls hat sie gestern mit ihrem Jibcae Quartet das Winterfestival eröffnet und das Publikum mindestens eine Stunde lang in Atem gehalten. Begleitet von Julie Campiche (Harfe), Malcolm Braff (Piano) und Jeremias Keller (Bass) langte sie manchmal selbst zur Gitarre, spielte ein trunkenes Bluesriff, besang Missverständnisse und «böse Geschichten» und am Ende auch noch ihr Patchwork-Herz. Natürlich war das alles sehr präzise, musikalische Milimeterarbeit, kein Ton daneben, obwohl mit umständlichen Harmonien versetzt, halt richtig Jazz, und auch richtig schön.

Später dann habe ich noch dem Stimmwunder-Menschen Andreas Schaerer gelauscht, wie er mit einer Tuba ein Duell austrug. Das war hinreissend, aber die Beweisfotos, die sind eingesperrt auf meinem defekten Smartphone. Es ist, kurz nachdem ich den Konzertsaal verlassen hatte, am Boden aufgeprallt. Der sowieso schon zersplitterte Bildschirm lässt mich nun endgültig nicht mehr ran, da nützt alles Streicheln nicht mehr. Und wer weckt mich jetzt am Morgen?

Aber so ganz ohne Foto lasse ich Sie nicht gehen. Die BeJazzer selbst haben nämlich gefötelet:

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Andreas Schaerer mit Biondini – Godard -Niggli am BeJazz Winterfestival. Foto geklaut von https://www.facebook.com/BeJazz.BE

Claire Huguenin bringt mit Jibcae Quartet im Frühling ihr erstes eigenes Album namens «Soul Farewell» heraus. Und das BeJazz Winterfestival dauert noch bis am Sonntag.