Archiv für die Kategorie ‘Keinzigartiges Lexikon’

Keinzigartiges Lexikon: Letzte Folge

Gisela Feuz am Dienstag den 12. September 2017

Der Berner Schriftsteller Giuliano Musio hat für KSB in 37 Folgen heimliche Verwandte eines vermeintlich einzigartigen Begriffs aufgespürt. Manuel Kämpfer illustrierte diese. Mit dieser Folge verabschieden sich die beiden. KSB dankt eine Trillion Mal, für die vergnüglichen Beiträge und freut sich auf das Büchlein, welches bei edition taberna kritika publiziert werden wird.

Heute: Der Limon-Utan
Dass es neben dem Orang-Utan auch mal den Limon-Utan gab, geht auf eine alte zoologische Systematik zurück: Während der Kolonialisierungen durch die Europäer benannten geniale Forscher die neu entdeckten Tiere nach Zitrusfrüchten, in Kombination mit „uthán“, dem indogermanischen Wort für „Tier“. Da es aber weitaus mehr Tiere als Zitrusfrüchte gibt, musste das System bald geändert werden: Aus Limon-Utan, Limett-Utan und Pampelmus-Utan wurden schließlich Giraffe, Leguan und Meerschweinchen. Nur der Orang-Utan blieb. Im Verständnis vieler damaliger Europäer waren übrigens auch Indianer und Chinesen so was wie Tiere, weshalb man sie Blutorang-Utans und Mandarin-Utans nannte – daher auch der Name Mandarin für die chinesische Sprache.


Keiner der neuen Namensvorschläge für Orang-Utan – darunter Zottelhippie oder Céline-Dion-Visage – konnte sich durchsetzen.

Keinzigartiges Lexikon: Folge 36

Gisela Feuz am Dienstag den 5. September 2017

Der Berner Schriftsteller Giuliano Musio spürt für KSB jede Woche einen heimlichen Verwandten eines vermeintlich einzigartigen Begriffs auf. Manuel Kämpfer illustriert ihn.

Heute: Der Glimpf
Der Glimpf ist der nur schwer nachweisbare Schleim, den man auf der Haut kleben fühlt, nachdem sich jemand bei einem angebiedert hat. Wird der Glimpf nur dezent abgesondert, ist er für das Gegenüber durchaus wohltuend: etwa wenn man jemanden, wie man sagt, glimpflich davonkommen lässt. Doch ebenso wie Menschen andere verunglimpfen und ihnen damit jeglichen Glimpf absprechen, gibt es solche, die einen verglimpfen, die also zu viel Glimpf von sich geben. Bei diesen gemeinhin als Arschkriecher, Schleimbolzen oder Salsatänzer bekannten Menschen sind die Glimpfdrüsen an den Fingerspitzen derart aktiv, dass neben dem Bedürfnis, einfallslose Komplimente von sich zu geben, auch ein starker Berührungsdrang entsteht.


Dass sich die schönsten Frauen immer zu den schleimigsten Typen hingezogen fühlen, liegt vermutlich an akutem Glimpfmangel.

Nächste Woche: Der Limon-Utan

Keinzigartiges Lexikon: Folge 35

Gisela Feuz am Dienstag den 29. August 2017

Der Berner Schriftsteller Giuliano Musio spürt für KSB jede Woche einen heimlichen Verwandten eines vermeintlich einzigartigen Begriffs auf. Manuel Kämpfer illustriert ihn.

Heute: Umbringeln
So wie „lächeln“ und „tröpfeln“ Abschwächungen von „lachen“ und „tropfen“ sind, ist das Umbringeln eine niedlichere Form des Umbringens. Es kommt vor allem in Kinderkrimis vor, weil man damit die jungen Leser nicht durch verstörende Morde aufwühlt: Statt vom Erschießen liest man etwa vom Erschießeln, bei dem man jemanden ganz langsam durch tagelanges Erschrecken mit Platzpatronen tötet. Beim Erstecheln krepiert das Opfer nach zahlreichen Nadelstichen. Schädel werden eingeschlägelt, Familien ausgerottelt, und wenn Prostituierte vorkommen, sind sie stets nur geschminkelt. Beim Verprügeln und Hinmetzeln handelt es sich freilich bereits um die abgeschwächten Formen. Das äußerst brutale Verprügen und Hinmetzen wird selbst in Erwachsenenkrimis selten angewendet.


Jemanden zu ertränkeln, ist dem unschuldigen Gemüt zugänglicher, als ihn zu ertränken.

Nächste Woche: Der Glimpf

Keinzigartiges Lexikon: Folge 34

Gisela Feuz am Dienstag den 22. August 2017

Der Berner Schriftsteller Giuliano Musio spürt für KSB jede Woche einen heimlichen Verwandten eines vermeintlich einzigartigen Begriffs auf. Manuel Kämpfer illustriert ihn.

Heute: Die Kleinmutter
Eine Kleinmutter ist im Unterschied zu einer Großmutter nicht nur die Mutter ihres Kindes, sondern auch dessen Tochter. Bei abgelegenen Naturvölkern, bei denen Inzest unvermeidlich ist, etwa bei den Bündnern, gibt es viele Kleinmütter. Oft sind sie sich dessen aber nicht bewusst, da die Komplexität der Verwandtschaft die Intelligenz des Volks, etwa jene der Bündner, übersteigt. Aber auch in modernen Familienmodellen gibt es Kleinmütter: Heiratet eine Frau ihren Stiefgroßvater, ist sie gleichzeitig Tochter und Stiefmutter ihrer Mutter, womit die Enkeltochter zur Enkelmutter wird. Anders ist es, wenn eine Frau eine Leihmutterschaft für ihre Großmutter übernimmt. Das Kind ist dann zugleich Tochter und Großtante der Frau und damit deren Kleintante.


Die Stiefschwiegerkleinmutter ist die Schwippschwägertante zweiten Grades des Urenkelvaters in spe.

Nächste Woche: Umbringeln

Keinzigartiges Lexikon: Folge 33

Gisela Feuz am Dienstag den 15. August 2017

Der Berner Schriftsteller Giuliano Musio spürt für KSB jede Woche einen heimlichen Verwandten eines vermeintlich einzigartigen Begriffs auf. Manuel Kämpfer illustriert ihn.

Heute: Der Fremdbrötler
Der Fremdbrötler hat erkannt, dass jeder Eigenbrötler dringend sozialisiert werden sollte. Er weiß, dass Einzelgänger lediglich vorgeben, gern allein zu sein, in Wahrheit aber sehr unter ihrer Einsamkeit leiden. Liest etwa jemand im Zug gebannt in einem Buch, befreit der Fremdbrötler ihn auf feinfühlige Weise von dieser asozialen Haltung, indem er in das Buch schielt, einzelne Sätze kommentiert und es zu zufälligen Berührungen kommen lässt. Manche Einzelgänger behaupten, sich grade nicht unterhalten zu wollen – für den Fremdbrötler ein Zeichen dafür, dass sie schlechte Laune haben und dringend über ihre Probleme reden sollten. Wenn jemand etwas länger braucht, um ins Gespräch zu kommen, verdreifacht der Fremdbrötler rücksichtsvoll seine Redezeit.

Bei besonders schüchternen Menschen signalisieren Fremdbrötler ihre Kommunikationsbereitschaft durch permanentes Anstarren.

Nächste Woche: Die Kleinmutter

Keinzigartiges Lexikon: Folge 32

Milena Krstic am Dienstag den 8. August 2017

Der Berner Schriftsteller Giuliano Musio spürt für KSB jede Woche einen heimlichen Verwandten eines vermeintlich einzigartigen Begriffs auf. Manuel Kämpfer illustriert ihn.

Heute: Die Salzwatte

Die Salzwatte ist eine traditionelle Leckerei aus dem Ort Niedergeißkirchen, einem Dorf, das gerade knapp nicht mehr zum Schwarzwald gehört und das deshalb gezwungen war, statt der Schwarzwäldertorte eine eigene regionale Köstlichkeit anzubieten. Nachdem sich Versuche mit Hard Ice und Sterbkuchen inklusive großem Sterbkuchenmarkt nicht durchsetzen konnten, erfand man die Salzwatte. Die Bevölkerung wollte keinen weiteren Misserfolg hinnehmen und tat deshalb einfach so, als würde ihr die Spezialität schmecken. Außerdem fütterte man bereits Babys mit Salzwatte, um sie an den speziellen Geschmack zu gewöhnen – eine Methode, die sich schließlich auch bei ungenießbaren Lebensmitteln wie Rivella und Basler Läckerli bestens bewährt hat.

Bei Kindern von Touristen ist Salzwatte trotz neuem Rezept – mit doppelter Salzmenge – immer noch eher unbeliebt.

Nächste Woche: Der Fremdbrötler

Keinzigartiges Lexikon: Folge 31

Milena Krstic am Dienstag den 1. August 2017

Der Berner Schriftsteller Giuliano Musio spürt für KSB jede Woche einen heimlichen Verwandten eines vermeintlich einzigartigen Begriffs auf. Manuel Kämpfer illustriert ihn.

Heute: Der Erdikus
Im Unterschied zum Luftikus ist der Erdikus eine gesetzte und gut strukturierte Person. Da er nur wenige Gefühlsregungen kennt, stehen ihm höchstens drei unterschiedliche Gesichtsausdrücke zur Verfügung: normal, gelangweilt und hungrig. Statt Luftschlösser zu bauen, verfolgt er in seinen Tagträumen realistische Ziele: die Zähne putzen oder einkaufen gehen. Wegen seiner Flugangst nimmt er meist den Landweg, am liebsten mit der Erdhansa. Es wäre aber ungerecht, den Erdikus als Spaßbremse zu bezeichnen. Wenn einige Maßnahmen getroffen werden, kann er durchaus Partys feiern: So werden beispielsweise Hüpfburgen mit Erde statt mit Luft gefüllt, damit sie nicht zu gefährlich sind – eine Vorkehrung übrigens, die der Erdikus auch bei seinem Airbag anwendet.

Für Partys verwendet der Erdikus statt unkoordiniert herumfliegender Luftschlangen lieber Erdschlangen, die sorgfältig ausgerollt werden.

Nächste Woche: Die Salzwatte

Keinzigartiges Lexikon: Folge 30

Gisela Feuz am Dienstag den 25. Juli 2017

Der Berner Schriftsteller Giuliano Musio spürt für KSB jede Woche einen heimlichen Verwandten eines vermeintlich einzigartigen Begriffs auf. Manuel Kämpfer illustriert ihn.

Heute: Schachglanz setzen
Ursprünglich gab es im Schach drei Möglichkeiten, seinen Partner zu besiegen: schachmatt, schachglanz und – bei Profis – schachhochglanz. Die letzten beiden Spielarten wurden vom Weltschachbund inzwischen verboten, weil sie zu gefährlich sind. Kam es früher in einem Spiel zu einem Patt, begannen automatisch die Schachglanz-Regeln zu greifen. Dabei können die Spieler ihre Figuren nicht nur horizontal, vertikal und diagonal, sondern auch frontal einsetzen: Hat ein Spieler seinen Läufer auf Feld g7 beziehungsweise g2 platziert, kann er im nächsten Zug unter wildem Gekreische seinem Gegner die Spielfiguren ins Gesicht werfen. Da dies heute nicht mehr Brauch ist, sollte die Frage neu beurteilt werden, ob Schach wirklich ein Sport ist.


Schachhochglanz-Spieler verwenden Marmorfiguren und werfen je nach Strategie auch das Brett oder die Schachuhr hinterher.

Nächste Woche: Der Erdikus

Keinzigartiges Lexikon: Folge 29

Gisela Feuz am Dienstag den 18. Juli 2017

Der Berner Schriftsteller Giuliano Musio spürt für KSB jede Woche einen heimlichen Verwandten eines vermeintlich einzigartigen Begriffs auf. Manuel Kämpfer illustriert ihn.

Heute: Die Quität
Wie die These zur Antithese oder der Held zum Antihelden, so bildet die Quität den Gegenpol zur Antiquität. Quitäten sind folglich Gegenstände, die sich schlecht zum Angeben eignen und bei denen es sich nicht lohnt, sie zu kopieren und auf dem Schwarzmarkt zu verkaufen. Im Unterschied zu morschen Holztruhen spricht man ihnen auch keine Seele zu, um einen überrissenen Preis zu rechtfertigen. Es wäre nun ein Trugschluss, zu glauben, dass das Geweih einer Antilope eine Antiquität sei, jenes der Lope – ihres weniger ängstlichen und positiver eingestellten Pendants – dagegen eine Quität. Beide Geweihe sind bei entsprechendem Alter eine Antiquität. Genau gleich verhält es sich natürlich mit Gazelle und Antigazelle.


Quitäten erkennt man unter anderem daran, dass sie nicht nach Großmutter müffeln.

Nächste Woche: Schachglanz setzen

Keinzigartiges Lexikon: Folge 28

Gisela Feuz am Dienstag den 11. Juli 2017

Der Berner Schriftsteller Giuliano Musio spürt für KSB jede Woche einen heimlichen Verwandten eines vermeintlich einzigartigen Begriffs auf. Manuel Kämpfer illustriert ihn.

Heute: Der Augenstocher
Da man für Zähne und Augen aus hygienischen Gründen nicht denselben Stocher verwenden sollte, hat sich neben dem Zahnstocher auch der Augenstocher etabliert. Ursprünglich wurde er als Werkzeug entwickelt, mit dem man sich Staubkörner oder kleine Insekten aus dem Auge pulen konnte. Die Nebenwirkungen haben aber inzwischen zu neuen Absatzmärkten geführt: Wer bei einer Beerdigung nicht weinen kann und nicht als unsensibel gelten möchte, macht sich fröhlich hinter vorgehaltenem Taschentuch mit dem Augenstocher ans Werk. Aber auch für emotionale Erpressungen in der Partnerschaft empfiehlt sich das Instrument. Und manch ein Milchbart kann sich dank dem praktischen Augenstocher als Draufgänger inszenieren und mit einem blauen Auge angeben.


Fast-Food-Liebhaber und Krümelmonster-Imitatoren nutzen den Augenstocher klassisch zur Entfernung von Speiseresten.

Nächste Woche: Die Quität