Archiv für die Kategorie ‘Hübsch gebaute Stücke’

Oder kann das weg? Da, beim PTT-Tower?

Roland Fischer am Dienstag den 26. Juni 2018

Weiter geht’s mit Seltsamkeiten im Stadtraum. Kunst oder nicht? Installation oder Überbleibsel? Man weiss es oft nicht so genau. So sieht’s zum Beispiel auf dem Vorplatz des ehemaligen PTT-Towers am Stadtrand bei Ostermundigen aus:

Übrigens sollen Stadtraum-Fragen in eben diesem Hochhaus bald regelmässig zum Thema werden:

Diese Geschichte [des Hauses] und Blick in die Zukunft bilden zusammen die spannende Ausgangslage für unsere Talks- und Vortragsreihe. Während der Zeit der Zwischennutzen laden wir fortlaufend spannende Persönlichkeiten aus Architektur, Städteplanung, Entwicklung, Kultur und Ingenieurwissenschaften ein um Themen wie Urbanisierung, Gentrifizierung, urbane Mobilität oder auch Schätzenswertes in städtischen Gebieten zu besprechen.

Genaueres erfährt man auf der Webseite des Hochhaus-Projekts noch nicht. Dafür aber, dass der neue Besitzer des Turms nicht nur in Bern kulturelle Pläne hegt, sondern nebenbei auch in Venedig für Furore sorgt, hinter den Kulissen: ReInvest hat als Sponsor das Gewinnerprojekt der diesjährigen Biennale im Schweizer Pavillon mitermöglicht. Das ist doch ein gutes Omen für eine hoffentlich baldige Belebung des Hochhauses mit Architektur und Kultur.

Altenbergsteg

Urs Rihs am Mittwoch den 20. Juni 2018

Gravitationspunkt im Sommer. Schattenhalb der Kornhausbrücke. Von zierlichem Strich, knapp über dem Pegel verspannt, lädt zum Sprung durch den Wasserspiegel, heute daran hängen geblieben – an der heimlichsten Schönheit der Stadtberner Brücken.

Hölzern war er erst, der Steg, 1834 erbaut, als Ersatz der müden Fährmannen.
Zimmermeister Jussi erstellte ihn einst samt Zollhaus auf der rechten Flusseite.
1842 wird die Steuer abgeschafft, das Haus trotzte bis 1934.

Früher verschleisst der Ursteg, die Balken und Planken bereits nach 20 Jahren mürbe.
1856 legt Ingenieur Gränicher darum den Plan für eine Stahlkonstruktion dem Grossen Rat vor.
Keine zwölf Monate später steht die neue Kettenbrücke.

Länge 57.00 m / Breite 2.13 m / Höhe 4.8 m; Versteifungsträger 1.14 m

«Eine Besonderheit des Steges sind die Gusseisen-Pendelstützen, welche die Ketten an beiden Ufern tragen. Die vierfachen, von Hohlkehlen gebildeten Rippen, die Schwellung entsprechend dem Verlauf der Knickkräfte und die eleganten Kopfstücke mit den angeschraubten Verbindungsjochen legen Zeugnis für die sorgfältige gestalterische Durchbildung ab.»
Heisst es in der Fachliteratur und klingt dabei doch mehr nach Poesie.

Schwebend, die offene Brücke, leicht – schwingend immer, wenn wer darüber rennt, davon abspringt oder sich das Gummiseil der Aaresurfer entspannt.

Ein so reizbares Örtchen der Stadt
Am Tag untendurch treiben lassen im Zuge des Flusses.
Daneben lungern in der Abendsonne, wie wechselwarme Tiere.
darauf stehen bleiben und das Glitzern geniessen –
nachts.

Der Altenbergsteg
auch schön zum Rauchen da und um das Leben zu begiessen.
Geht hin dort ihr Lieben.

Der Altenbergsteg, noch ohne Kornhausbrücke darüber – deren Bau erst 1895 begann – dafür mit der “Roten Brücke” im Hintergund, welche 1941 abgebrochen und durch das Lorraineviadukt ersetz wurde. Und dem alten Zollhaus auf der rechten Seite. (Bildquelle: SWISS TIMBER BRIDGES)

#BernNotBrooklyn

Urs Rihs am Sonntag den 5. November 2017

Bern ist zwar nicht Brooklyn, aber hey, auch in der Hauptstadt ist mächtig was los, zum Beispiel ab jetzt am Zentweg 1a.

Hochgezogene Räume, moderne Industrie, helles Holz, Beton, Glas und dazu dieser Geruch von frisch gebaut – am Zentweg, dort nahe der Autobahn, hinter der Allmend. Dort haben Leute ein Stück Paradies erschaffen.
Eine Beiz, ein Indoorspielplatz und schliesslich eine Boulderhalle. DIY ist hier keine Floskel, sondern eine fast schon religiös umgesetzte Selbstverständlichkeit. Bar, Bühne, Skaterampen, Elementbauten, Kletterwände, alles, wirklich alles ist selbstgemacht und strotzt vor Liebe zum Detail.

Schwebendes U-Boot unter der Decke, ein durch die Wand brechendes Motorschiffchen, eine Indoorfeuerstelle und und und. «bimano» nennt sich das Projekt und gestern war Eröffnung. Finanziert per Crowdfunding und scheissviel Herzblut. Vorzeigeprojekt für eine Bewegung die ein fehlendes Angebot für Kind und Kindgebliebene nicht nur beklagt, sondern einfach Hand anlegt: „they don’t just talk the talk, they walk the walk.“ Und Beleg dafür, dass es eben doch Momente gibt in denen alles stimmt. Die Idee, die Gruppe, die Infrastruktur. Wer diesem Projekt nichts abgewinnen kann, sei schleunigst der Gang zum Seelenklempner ans Herz gelegt oder der Augenschein vor Ort, denn: you will fall in love!

«ZENT» meint die Beiz, die ist aber nur Spitze des Eisbergs vom Spinnerprojekt bimano am Zentweg.

Hübsch gebautes Stück №1 – Die Oberzolldirektion

Urs Rihs am Samstag den 13. Mai 2017

– Hübsch gebaute Stücke – Die KSB-Gang hält Ausschau nach Perlen der Baukunst inmitten unseres von Mittelmässigkeit durchwucherten grauen Dschungels. Erstes Objekt, die Oberzolldirektion an der Monbijoustrasse 40. Ein Bau mit unaufdringlicher und trotzdem selbstbewusster Präsenz. Ein Gebäude das Blicke bannt, ohne Protz – konstruiertes Understatement

Es ist schon ein Weilchen her – an einem verschneiten Mittwochabend im Winter – als die KSB-Gang an einem Tisch über städtische Architektur zu sinnieren begann, bei gutem Rum, Gurkenwasser und Raucherwaren. Wir fragten uns, wo stehen sie, die gut gebauten Stücke, die Gebäude mit Selbstachtung, die Stiloasen mit Ausstrahlung, die der Beliebigkeit die Stirn bieten.

Dabei landete man plötzlich bei diesem Verwaltungsgebäude – welches aussieht als sei es der Feder eines Ligne claire Comic Zeichners entsprungen – dem Hauptsitz der Oberzolldirektion an der Monbijou-Allee. Vielleicht der geschmuggelten Genussmittel auf der Küchenablage des Rockboys wegen, vielleicht aber tatsächlich wegen der beiläufigen Eleganz dieses Gebäudes, mit seiner so nonchalant geschwungenen Hauptfassade als point de vue. Wahrlich ein Blickfang, der Fischer – Bloginterner Architekturspezialist – sprach von einer der stilsichersten Baute unserer Stadt. Erste Nachkriegsmoderne und so – ich traute mich trotzdem mal hin, an den Empfang dieser Bude, um mehr zu erfahren, über die Entstehung und die Geschichte dieses Objekts – es wurde zu einer kleinen Odyssee.

Die klar strukturierte Fensterfassade des Kopfbaus, von der Frontseite her betrachtet.

Gebaut vom Architektenpaar Hans und Gret Reinhard – später berühmt geworden mit ihren Pioniersiedlungen im Tscharnergut, Gäbelbach, Schwabgut u.a. – zusammen mit dem Zürcher Architekten Werner Stücheli. Das Projekt war vom Bund als Wettbewerb ausgeschrieben gewesen und wurde schliesslich an die beiden Erstplatzierten vergeben, eben den Reinhards und ihrem Freund Stücheli – 1944 war das.

Soviel entnahm ich vor meinem Hausbesuch dem Netz und stand nun, weisslicher Cristallinamarmor unter mir, im Eingangsbereich der Oberzolldirektion.

Bauklasse: 6 – Nutzungszone: GG – Geschosse: 8,9 – Bauzustand „Gut“ – Hinweis: Aussenraum von gartendenkmalpflegerischem Interesse – Bewertung: „schützenswert“. (Auszug aus den Akten der Denkmalpflege der Stadt Bern, Inventar Monbijou-Mattenhof)

Portier G*, welcher mich erst äusserst freundlich aus seinem holzgetäfelten Kabinchen im Parterre der Direktion begrüsst, will mir dann aber nicht mehr verraten – obwohl er zweifellos könnte. Dies scheint aber seinen Zuständigkeitsbereich zu überschreiten. Pflichtbewusst übergibt er mir dafür ein Zettelchen mit den Telefonnummern der für das Gebäude beauftragten Denkmalpflegern.

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