Archiv für die Kategorie ‘Hip & Hop’

Plattenkiste Vol. 8: Gonjasufi

Benedikt Sartorius am Montag den 29. März 2010

Wir öffnen die Plattenkiste und stellen einmal mehr ein aktuelles, wenn auch schon ein wenig liegengebliebenes Album vor. Heute: Gonjasufi röchelt den übersteuerten Soul und bereichert den Katalog des gepriesenen Labels Warp mit einer sonderbaren Veröffentlichung .

Gonjasufi «A Sufi and a Killer» (Warp/MV)Von den Rändern der Vergnügungsstadt Las Vegas schickt Sumach Valentine alias Gonjasufi die wohl sonderbarste Veröffentlichung des bisherigen Jahres in die Welt hinaus. Als höre ein Eremit einem Weltempfänger zu, klagt, jault und predigt der Yogalehrer seine Mantras ungefiltert über verwaschene Psychedelia-, Acidrock-, Blues- und Soul-Versatzstücke. Natürlich sind die 20 Kurz-Tracks auf «A Sufi and a Killer» keine Zufallsauswahl, stammen sie doch aus den Laboratorien der kalifornischen Produzenten Gaslamp Killer und Flying Lotus, die dem Wüsten-Sänger ein anscheinend schlecht zusammengeklebtes und gut gefälschtes Mixtape zuschickten. Und so pfadet sich der Hörer seinen Weg durch diese unwirtliche und unwirkliche Freak-Gegend, die sich kurzzeitig ins schal-glitzernde Zentrum wagt – und grossartig verschrummt und übersteuert endet.
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Zum Reinhören benutzen Sie diesen Youtube-Ausgangspunkt.

Wieso Ende?

Nicolette Kretz am Freitag den 11. Dezember 2009

Einen sehr gemütlichen und amüsanten Abend boten gestern Ariane von Graffenried, Matto Kämpf und King Pepe und Band zusammen mit ihrem Gast Big Zis im Kairo. Es war die vierte und leider vorläufig letzte Ausgabe ihrer Musik- und Literaturshow «Wieso…?».

Nach «Wieso St. Gallen?», «Wieso russische Seele?» und «Wieso schlecht?» fragten sie sich gestern «Wieso Weltall?», griffen also zeitlich und räumlich am weitesten möglich. Nach dem amüsanten Fachvortrag von Frau von Graffenried und thematischen und unthematischen Liedern von King Pepe, spielten sie eine äusserst erotisch knisternde «Barbarella»-Szene nach und führten uns in das von Frauen dominierte Universum von «Star Maidens» ein.

Dann kam der Gast Big Zis auf die Bühne und rappte, begleitet von King Pepe und Band, locker, souverän und charmant ein paar Texte. Und wie immer folgte das äusserst holprige Interview mit dem Gast. Bewusst schlecht vorbereitet, fragt Herr Kämpf doofe Fragen zum Thema («Wie sieht der Planet Big Zis aus?»). Big Zis war dafür jedoch ein sehr dankbares Opfer, ist sie doch im besten Sinne eine Rampensau und hat zu jedem Stichwort irgend eine Assoziation.

Ein äusserst amüsanter und kurzweiliger Abend! Hoffentlich gibts irgendwann eine zweite Staffel dieser Show, denn es sind noch viele Fragen offen, z.B. Wieso King Pepe? Was war nicht gut an Senior Pepe?

Sombrero oder Tod

Grazia Pergoletti am Mittwoch den 11. November 2009

Heiss muss es gewesen sein auf der Tour durch Mexico, wo unsere Nummer Eins Kids von Filewile ihre neuen Songs testeten, bevor sie diese nun vor knapp zwei Wochen unter dem Titel «Blueskywell» auf CD herausbrachten. So lässt sich jedenfalls prima erklären, warum das Eröffnungsstück so heisst: Sombrero Or Die.

Heiss ist auch das Album, verspielt, überraschend, elegant, reif, absolut stilsicher und witzig, manchmal auch düster. Verstärkt durch die heiss geliebte Sängerin Joy Frempong und den vielseitig talentierten Mago Flück sind Filewile nun beinah so etwas wie eine Band und hantieren mit lustigen Geräten wie Tape-Machine, Space-Drum und einer Farfisa-Orgel von 1963. Gefällt mir sogar noch besser als «Nassau Massage», und die mochte ich schon sehr.

In diesem schönen Filmchen erfahren sie einiges über die gewitzten Herren. Falls noch Fragen offen sein sollten, haben Sie die Gelegenheit, sich heute von 14 bis 17 Uhr hier in den Kommentaren mit Dustbowl, alias Andreas Ryser zu unterhalten.

Spielwiesen-Dub

Benedikt Sartorius am Sonntag den 4. Oktober 2009

Filewile in der Dampfzentrale

Eigenartiger Vagabundenelektro, psychedelische Bassspiele, eine Menge Dub-Echos und eine aussergewöhnliche Vokalartistin: Das war an der gestrigen Plattentaufe des ehemaligen Elektro-Duos Filewile zu erleben, das nun mit der Sängerin Joy Frempong und Mago Flück am Bass zur Band ergänzt worden ist. Andreas Ryser und Daniel Jakob bauen mit ihren Gerätschaften eine schöne Spielwiese auf, die allerlei verschrobenen Pfeiffmelodien, bewegenden Gesängen wie im stillen Zauberlied «The Cave», Grace-Jones-Hurrikanesken in «Iron Lady» und gleitenden Clubwelten Platz bietet. Pappkameraden bevölkerten die Dampfzentrale-Bühne, die Visuals zeigten die Musikerschaft als Astronauten und illustrierten den linkischen und verspielten Weg durch den Elektro-Dschungel, den diese eigenständigen Vier eingeschlagen haben.

Einzige nicht geringe Wermutstropfen an diesem Abend: Die Space-Drums kickten im Publikumsraum zu wenig und die Videoaufzeichnenden schafften eine seltsame Distanz von der Bühne zu den Leuten. Eine seltsame Reserviertheit war die Folge, die diese Gruppe und das zu feiernde Werk «Blueskywell» nicht verdient haben.

Linkischer Soulbrother

Benedikt Sartorius am Freitag den 2. Oktober 2009

Jamie ganz Gestern, an der so genannten «Heineken Music Night» im Bierhübeli, die erwartungsgemäss kein Fest der Bierkultur war, trat ein linkischer Herr auf, der einst bekannt war für seine Vokalekaspaden, die er mit seinen analogen Gerätschaften aufschichtete und zwischendurch zwei drei Soulsplitter in das Klangchaos einmischte. Seit dem Album «Multiply» sind beim Warp-Recording-Artist Jamie Lidell die Splitter zu ganzen Liedern angewachsen. Um dieses Soulbrother-Programm auch umzusetzen, braucht es natürlich eine Band, die beim Berner Gastspiel zuerst zu galant aufspielte, später, nach dem phänomenalen Solochaosteil des Chefs mit der clownesken, schrulligen Ausstrahlung und der unglaublichen Stimme, aber den Job wohlauf verrichtete.

Wohlauf und froh und ausgelassen war auch das Publikum, vor allem bei den grossen Melodien von «Another Day» und «Multiply», die trotz den lauernden Fallen natürlich schamlos die einstigen Motown-Recording-Artists zitieren und die Frage nach der Retrohaftig- und -seligkeit des einstigen Elektronikers scheu in den Raum stellten. Andererseits: Was heisst bei einem grossen wunderlichen Entertainer schon retro?

Bald ist Feierabend

Manuel Gnos am Dienstag den 15. September 2009

Und da haben wir für Sie zwei kleine Leckerbissen, die Sie sich anschauen können, bevor Sie den Computer heurnterfahren. Zunächst ist da «Number One Kid», die brandneue Single aus der leicht psychedelischen Welt von Filewile. Gemacht wurde das Filmchen von Roja-Media Productions:

Und zur ersten Videoauskupplung aus dem Album «Letschti Rundi» der Berner Rapper Wurzel 5 gibts ebenfalls ein Video von Rafael Bolliger:

Das Blatt in die Hand genommen

Grazia Pergoletti am Freitag den 28. August 2009

m_bc60aefda3d04bb4bc228455906a615e Wie ein Plastiksack im Wind, so leicht treibt Kutti MC über die Strassen, man hörts und denkt an «American Beauty» und dessen Hauptfigur, von Kevin Spacey gespielt, ein Mann mittleren Alters, der sich neu erfindet und entspannt. Kutti MC ist noch jung, aber nicht zu jung, um sich neu zu erfinden.

Vom hohen Ross ist er herunter gestiegen, viel eher hat er dieses heuer vor einen Heukarren gespannt. Kutti MC hat alles Dandyhafte abgelegt und kommt nun beinah naturburschig daher. Der Mann, der sich schon immer aufs Windmachen verstand, wendet sich der Sonne zu, schmeisst den Compi in die Badewanne und rennt in den Wald – dort umarmt er nicht grade die Bäume, nimmt aber immerhin das Blatt in die Hand. Folgen Sie ihm, denn es macht wiederum sehr viel Freude.

Die Texte sind unprätentiöser als auch schon und zauberhaft wie eh und je.
Wiederum gibt uns Kutti allerlei gute Tipps und zeigt uns, wo es langgehen könnte, und das geht in Ordnung. Die musikalische Umsetzung vom grandiosen One Shot Orchestra ist groovig, aber keineswegs simpel und legt die taufrischen Texte auf einen urbanen, (von Glasscherben?) schillernden Grund. (Übrigens auch zauberhaft: Die Glas-Sonnen des Vaters Martin Halter im Booklet!)

Die neue CD von Kutti MC «Sunne» erscheint heute.

Gepriesenes Label Nr. 2

Benedikt Sartorius am Freitag den 7. August 2009

In unserer kleinen Serie mit wertvollen Labels, die nichts mit Bern zu tun haben, präsentiert sich heute Tomlab. Das feine Pop-Label mit Elekroeinschlag aus Köln gab in den letzten Monaten zwei sehr schön geratene CDs heraus, die hier ganz kurz umrissen werden wollen:

Niobe-CoverDie eine, «Black Bird’s Echo», stammt von der klassisch ausgebildeten Sängerin Yvonne Cornelius alias Niobe, die einst auf dem Mouse-On-Mars-Label Sonig verwirrende und grosse Hörspielplatten wie «Tse-Tse» veröffentlichte, ehe der Liedweg präsenter wurde und nunmehr tonangebend ist. Eingespielt mit Herren wie dem Bassisten Trevor Dunn oder dem Geiger Eyvind Kang, ist die Platte ein Werk, das angemessen schummrig ausfällt und die Easy-Listening-Plätscherfalle meist durch geschickte Brüche umgeht.

Cover von «Vs. Children»Die andere stammt von Owen Ashworth, der als Casiotone For The Painfully Alone mit Lo-Fi-Casiosuiten begann und auf der neuen Platte «Vs. Children» mit wiederum lohnenswerten Song-Etiketten aufwartet. Das Leben von Ashworth ist natürlich einigermassen trostlos und der Herr besingt gebrochen die Winterkälte und die gebrochenen Herzen. Besonders schön und, ja, optimistisch ist «Optimist Vs. The Silent Alarm», das wunderbar das Thema der heiligen Marschierer einbringt. Anzuhören auf der Tomlab-Labelseite wie auch das Niobe-Album.

Später im Jahr erscheint in Europa auf Tomlab dann noch das neue Album des geschätzten und phantastischen Ex-cLOUDDEAD-MCs Why?, der den Popweg weiter beschreiten wird, wie der Vorabgeschmack «The Blackest Purse» aufzeigt, der u.a. hier angehört werden kann.

Dunkles Pirateriengold

Benedikt Sartorius am Mittwoch den 24. Juni 2009

darkEin leerer Rohling soll beigelegt sein bei den leider bereits vergriffenen Büchern mit Fotografien des Regisseurs David Lynch. Eine leere CD als Platzhalter für die Musik von Dark Night Of The Soul, dem Projekt des Meisterproduzenten Danger Mouse und Mark Linkous alias Sparklehorse. Musik, die nicht erscheinen darf.

«Please note: Due to an ongoing dispute with EMI, Danger Mouse is unable to include music on the CD without fear of legal entanglement», heisst es auf der Homepage und weiter: «Danger Mouse remains hugely proud of Dark Night Of The Soul and hopes that people lucky enough to hear the music, by whatever means, are as excited by it as he is.»

Zum Glück fehlt also nur der Einstieg in die aufgezwungene Internetpiraterie und einem okayen Torrentfile, das auf den einschlägigen Foren schnell zur Hand ist.

Denn die Musik, die ist zwar nicht allzu überraschend, ein ausserodentliches Popalbum ergeben diese Dateien immer noch: Da singen die Psych-Pop-Obergurus Wayne Coyne und Gruff Rhys, die Stimmen der dunklen Black Francis und dem ranzigen Iggy Pop ertönen, und fast immer hat Danger Mouse verschleppte Beats gezimmert, die natürlich bekannt sind aus seinen Werken für Beck und Martina Topley Bird, auch für den titelgebenden Schlussblues, gesungen vom klagenden Vic Chesnutt.

Den finalen Blues singen wohl auch bald die ehemals Grossen des Musikgeschäfts, die durch diese Nichveröffentlichung munter an ihrem eigenen Grab weiter schaufeln.

Kuttis neuster Streich

Manuel Gnos am Mittwoch den 27. Mai 2009

Jürg Halter, uns allen auch bekannt als Kutti MC, veröffentlicht diesen Freitag, 29. Mai 2009, die neue Single «Sunne», über die in der «SonntagsZeitung» vorab stand: «Sunnne – der erste Sommerhit. Der schwerblütige Skeptiker Kutti MC fegt mit seiner neuen Mutmacher-Single alle Zweifel vom Tisch.» Auf Youtube gibts ein hübsches Video dazu:

Ende August erscheint dann auf dem Lausanner Label «Two Gentlemen» das neue, noch unbetitelte Album von Kutti MC. Produziert und eingespielt wird das Album vom One Shot Orchestra (Bern/Berlin), mit dem Kutti ab Anfang Oktober auch auf Tour sein wird.