KSB stellt dank «Bild mit Ton»wöchentlich hin und wieder ein audiovisuelles Ausrufezeichen aus dem Berner Untergrund ins Zentrum seiner Berichterstattung. (Bei rückläufigem Merkur sind Abweichungen vorbehalten, ebenso bei schlechter Laune oder gutem Wetter.) Diese Woche mit: Migo & Buzz «Schwarz AG feat. Iroas»
Die Nacht kehrt wieder ein über dem schwarzen Bern, die Sturmhauben und Teleskopstöcke werden aus dem Versteck gefingert – und schon schnauben die Schnöder wieder, schnauben über die im Wohlstand verwahrlosten, über die Kids aus den Aussenquartieren und die auf scharf links geschaltete Guerilla-Rhetorik. Aber Migo, Buzz und Iroas, sie gehen doch nur Angeln.
Es ist ein satirisches Meisterstück, das Boom-Bap-Beatmeister Buzz, Gassenpoet Migo und Iroas, «der Griech», hier abliefern. «Schwarz AG» bringt glänzendes Storytelling, hübsche Punchlines und eben ganz viel feine Selbstironie. Ein in selbstreferenzieller Ernsthaftigkeit vorgetragener Spass, der umso erfreulicher ist, als dass im Berner Bsetzistein-Rap zwar vieles gelingt, nur das Lachen über sich selbst leider selten.
«Hip-Hop si no immer die 4 Elemänt:
Graffiti, Fische, Vergässä und Rap.»
Schwab porträtiert im Auftrag der Musikförderung MFB die liebsten Neuerscheinungen straight outta Bern. Die Kategorie «Hype» ehrt das Langjährige, Brillante, Ausgefeilte und Vielgehörte, das den Berner Pop über die Kantonsgrenzen hinausträgt und im Feuilleton Wellen schlägt. Die Kategorie «Hope» gräbt in den Tiefen des Untergrunds und verstärkt, worüber noch geflüstert wird – Erstlinge, Fundstücke, Demos.
Der Meister der Schwerblütigkeit ist zurück. Weg war er nie. Zu tief die Furchen, die sein letztes Werk «Bruchstück» ins Sandsteingemäuer geschrissen und es zu einem Schlüsselwerk der Popgeschichte dieser kleinen Stadt gemacht haben. Nun bietet auch der neue Silberling reichlich Anlass zum Verdacht, dass wir es mit einem Künstler in der besten Phase seines Schaffens zu tun haben dürften. In dunklen Schwänken erzählt uns Baze von Nebel, Rost und Staub – und zwischen den bald futuristischen, bald postapokalyptischen Beats, zwischen den grossen Fragen und den kleinen Versäumnissen, bei all der schlechten Laune über gutgemeinte Ratschläge und bei all der vergeudeten Zeit – es keimt sowas wie Hoffnung auf.
Willkommen in der Diskothek des Oli Kuster. Der stille Schaffer mit der Vorliebe für körnig synthetisierte Tastensounds und einem Talent zur gleichermassen verführerischen wie cleveren Popschreibe, er lädt zum Tanz again. An seiner Seite: Die in Basel beheimatete Liechtensteiner Sängerin Karin Ospelt. Sie schenkt dem wandelbaren Unterfangen Aeiou ihre wohltemperierte Stimme und ein unwiderstehliches Melodiegespür. Und also sind wir den Hits des im Mai erschienenen Extended Plays unlängst erlegen.
Wer vereint Untergrund und Hitparade denn sonst so unkompromittierbar und kredibil? Die dritte Episode aus der Serie «Partys im Blauliecht» liefert womöglich auch die Blaupause des Erfolgs um die beiden brothers in krime Migo und Buzz: Letzterer glänzt mit von den Verlockungen des Zeitgeists unbeeindruckten, bittersüssen Backbeat-Riddims, schnörkellos und stilsicher. Und darüber: die offenherzig politisch engagierten und doch immer wieder angenehm schulterzuckenden Zeilen Migos – mal Vorplatzpoet, mal Vorstadtprolet, dazwischen viel Grauschattiertes. Und darüberhinaus: Fein platzierte Featurings von Geistesgenossen wie Tommy V. Chefmetaphoriker und schliesslich Bruderküsse unter Chaoten, Theo Äro, Iroas – Platz 4 in der Hitparade, who gives a fuck. Es ist gar nicht so schwer, real zu sein.
Tief unter dem frivolen Treiben der Aarbergergasse verschanzt sich eine Band im Proberaum. Vier Seelenbrüder im Luftschutzbunker. Und so klassisch das Narrativ der vom Tageslicht verschonten, in schlechter Luft gegärten Gitarrenmusik, so gültig ist diese Version davon: «The Mountaineer» kündigt den auf Mitte September terminierten Zweitling an. Und es sieht nach Aufbruch aus, gut gereift verhelfen Dean Wake dem kanonisch todgesagten Independent-Rock vielleicht zu einer Renaissance. Erlesene Gitarrensounds, findiges Songwriting, gehörig Drive unterm Arsch und eine elegische Baritonstimme liefern Argumente. Doch überhaupt gilt am Schluss nur das Lied – diese erste Single, sie ist ein gutes.
Die MFB hat sich das Fördern junger Berner Popkultur auf die Fahne geschrieben. Die interessantesten Neuentdeckungen finden Sie in der Spotify-Playlist «Sounds Like Bern».
Liebes, aber schön bist Du nicht. Nein – und du willst schön nicht sein. Eine grosse Bühne auf laut gebaut, eine lange Bar der Kante wegen, Asphalt. Und ein Anliegen.
Bevor nämlich wieder grilliert wird, bis das Zeug hält, bis dass die Nachbarschaftskonflikte der Vorstadt bei dreivier 1291 und einem Zuckerstock besänftigt werden dürfen, bis dahin machst Du erstmal Gegenprogramm. Nie war das nötiger in den letzten Jahren und vielleicht Jahrzehnten (– aber früher war eh alles besser und wahrscheinlich nicht.)
Aber schön, nein, schön bist nicht. Laut und dirty sollst Du sein, ein Gegenentwurf auch zur silent Diskothek der allgemeinen Palettenromantik, in deren Hohlräumen sich die politische Genügsamkeit gerne einnistet. Oder der Neuliberalismus at the bitter end. Also bleibst Du mir wüst und spartanisch und baust für die zwei Tage ein wildes, lautes, chaotisches Sodom auf die Schütz. Welcome to hell!
Und was geht? Die Grenzenlosigkeit bleibt vornehmlich ein politisches Anliegen. Musikalisch bedient dein Programm die tradierten Sehnsüchte eines vermischten linksalternativen Publikums ohne Spex-Abonnement. Pogo geht vor Meta – Ja, Du magst es geradeaus, auch das hebt dich schliesslich ab in diesen Zeiten. Bald mit klopfendem Herz (Idles), mal mit zugedrücktem Ästhetik-Auge (ZSK) werde ich mich in deinen Tanzkreis versenken. Und am Schluss singt stolz der Arbeiter*innenchor.
«No Borders, No Nations»: Musikalisches Programm Freitag und Samstag ab Vorabend. Seit Montag bereits und laufend Führungen, Workshops und Vorträge.
Liebes, zum sechsten Mal schon, wie ich höre. Die Jahre verfliegen. Im Wind, der Substanz abträgt vom Berg mit jedem Jahr – eine stromlinienförmige Düne versinkt im Plastikmüll. But you no care.
Ein Glas Weisswein auf dich. Du Glitzer-Punk und Sozi-Hedon. Machst Gemeinsinn gemeinhin sinnvoll und all inclusive: Menschen mit Behinderungen, mit Herausforderungen, mit Geltungsdrang oder unbekanntem Talent gehen auf in dir und machen Sachen: Gugus, Dada, Theater, Lärm.
Drüben bei Zuckerberg verkaufen gerade alle ihre Viertagespässe oder versuchen es, die Preise sinken – ist es wegen dir?
Wegen des Musikprogramms allein kämen sie wohl nicht. Da gibt es andere Adressen und das weisst du auch. Du bleibst dir treu und machst Kollekte, aus Kraut und Rüben ein feines Süpplein. Es schmeckt besonders gut in diesem Jahr: Frau Trouble etwa, die sich unberechenbar gemacht hat in selstsamen Liebeleien mit dem Kitsch, Herr Porschemit seiner Bieler Seelenmusik, Geschlechtsteile, die im Voodoo-Rhythmus wackeln und der Baze, der Klassenbeste, auf produktiven Abwegen – sie sind um die nötige Schärfe besorgt in der allgemeinen Sämigkeit. Eine Sämigkeit, die dir gut ansteht, das weiss ich schon.
Und eben, all inclusive: Zessen, Ztrinken, Diskothek. Und eine Metzgete der Hemmungen hast du dir ausgedacht, du alter Hippie-Schwerenöter. Einen Zungenkuss auf dich, ein zwanglos ausgezogenes Hemd vielleicht?
Schwab porträtiert im Auftrag der Musikförderung MFB die liebsten Neuerscheinungen straight outta Bern.Die Kategorie «Hype» ehrt das Langjährige, Brillante, Ausgefeilte und Vielgehörte, das den Berner Pop über die Kantonsgrenzen hinausträgt und im Feuilleton Wellen schlägt. Die Kategorie «Hope» gräbt in den Tiefen des Untergrunds und verstärkt, worüber noch geflüstert wird – Erstlinge, Fundstücke, Demos.
Eigentlich schon im März erschienen, ist uns das Album des englischsprachigen Künstlers Chris Karell – bis heute – unterm Radar durchgeschlittert. Und das, obwohl sich der Yungspund auf seinem Promobild wie Kendrick L. vor eine rote Ziegelmauer stellt, auch musikalisch wenig provinzielle Bescheidenheit durchblicken lässt und an der m4music-Demotape-Klinik bereits dick abgeräumt hat … Shame on us. «Love & Acceptance» ist ein überwältigend stilsicheres, weltgewandtes und auf amerikanisch Zeitgeist produziertes Werk geworden, mit Rhythmus und Blues und Auto und Tune – es wird ihm Liebe bringen und Akzeptanz.
Ebenfalls ein März-Nachtrag, ebenfalls irgendwie Rap – und doch ganz anders. Die Juno Boys liefern mit «Ma Im Chopf» einen kleinen Untergrundhit ab, der, unzimperlich auf depressiv getextet und im Lobotomie-Flow getaktet, die Atzendisko zurückbringt, dass man sich die mitgrölende Schar an der Piratenbar sofort vorstellen kann. Eine hübsch-verfängliche Hook gibts obendrein und die Gewissheit, dass Bern mal wieder eine solid asoziale Rap-Band am Start hat. Ein ganzes Album komme bald – wir sind gespannt.
Die MFB hat sich das Fördern junger Berner Popkultur auf die Fahne geschrieben. Die interessantesten Neuentdeckungen finden Sie in der Spotify-Playlist «Sounds Like Bern».
Back on track im neuen Jahr! Schwab porträtiert im Auftrag der Musikförderung MFB die liebsten Neuerscheinungen straight outta Bern. Und weil wir Januar-Februar im Winterschlaf waren, melden wir uns heute mit einer Sonderausgabe im Quadrat zurück – vier Platten, dreimal Hype und beste Hoffnung!
Die Kategorie «Hype» ehrt das Langjährige, Brillante, Ausgefeilte und Vielgehörte, das den Berner Pop über die Kantonsgrenzen hinausträgt und im Feuilleton Wellen schlägt. Die Kategorie «Hope» gräbt in den Tiefen des Untergrunds und verstärkt, worüber noch geflüstert wird – Erstlinge, Fundstücke, Demos.
Wenn die «Spex» anklopft, scheint der Nerv der Zeit getroffen – und auch ohne den Wink der Popintelligenz dürften wir hinter diese heute erschienene Glanzleistung im Langspielformat ein dickes Ausrufezeichen setzen! Schlotter, Hoppe und Bürki schlagen aus ihrem bipolaren Holz- und Plastik-Instrumentarium den grösstmöglichen Profit, spielen uns eine Musik, die in die Zukunft weist. Spielwitziger Minimalismus als Jazz, der sich nicht schert – und drumherum eine Agglomeration aus arschcoolen Grooves, wohlplatzierten Digitalismen und der auch im Jahr 2018 nicht zu Ende erzählten Geschichte guter Handarbeit.
Die hübschen Jungs mit den polyglotten Wortspielen haben sich im Februar mit ihrem vierten «Update» zurückgemeldet. Hueresiech hei mer gseit, wie isch das nume passiert hei mer gseit … Jahrelang hat sich die Kulturjournaille einen abgeschnödet über die gute Laune und dieses Plastikweltmusik-Gebaren wie eine aufblasbare Palme, an deren Ventil ein gewisser Dodo grinsend heisse Luft nachpumpte – und jetzt liegen wir uns alle in den Armen auf der Tanzfläche de la Cuba Bar, wo «079» die alten Akon-, Ashanti- und Aventura-Heuler mühelos zu Fülseln degradiert. Vielleicht fliegt höher, wer auch mal Federn gelassen hat. Props to those boys flyin’ high!
Selten hat ein Schlagzeug so sexy geklungen in der Sandsteinstadt. Und nie kamen die Wave-Pop-Nostalgiker von Matto Rules ungezügelter und zeitgenössischer daher als in ihren letzthin in die Welt gesetzten «Hidden Scenes». Dem distanzierten Bariton von Frontmann Bonati stehen unerhört aufreizende, vom Funk hinterrücks begattete Elektropop-Grooves gegenüber, das gewohnt stringente Songwriting und die noch hübscher perlenden Synthesizerfantasien machen auch vor dem grossen Popmoment nicht kehrt. So introspektiv sich die konzeptuelle Rahmung des Albums um die verborgenen Welten des Unterbewusstseins drehen mag, so sehr drehen sich die neun Lieder letztlich im Takt der Diskokugel.
Aus Downtown Solothurn erreicht uns der blutjunge Rapper Pato und fordert ein Stück vom Kuchen ein. Verdientermassen. Der Boy flowt. Um die Südstaaten-Beats unserer Zeit scheint er sich einen emanzipierten Deut zu scheren, lieber klaubt er sich ein paar gute Instrumentals alter Schule zusammen und segelt drüber in der sanften Mundart seiner Heimatstadt.
Die MFB hat sich das Fördern junger Berner Popkultur auf die Fahne geschrieben. Die interessantesten Neuentdeckungen finden Sie in der Spotify-Playlist «Sounds Like Bern».
Kein Plan, wie lange das her ist. Fest steht: Ich war ein Teenie. Lieblingsparfüm: Rêve de Coco aus dem Yves Rocher. Hängen mit der Crew im Rümli in Seftigen und Hooks singen für meine rappenden Bros. Ab und an bei Beatbone Beatz im Studio vorbeischauen und ein paar Mal bin ich dabei auf11ä getroffen.
Wir waren so verdammt blutjung und ich freue mich so sehr, dass sie ihr Ding immer noch durchzieht, oder besser gesagt: weitergemacht hat. Auf meinem musikalischen Weg habe ich viele kommen und gehen sehen, gerade auch Frauen, die irgendwann keinen Bock mehr hatten auf den Zirkus, den das Musikerinnendasein mit sich bringt.
Aber 11ä ist drangeblieben. Und jetzt bringt sie ihr Debüt heraus. Es heisst «Hie».
Papi stürzt sich wiedermal ins Chaos und macht dabei eine gute Falle. Die Boys tollen. Ja: 2018 könnte die generationelle Tektonik dem Rap-Eiland Bern zu neuen Vulkanausbrüchen verhelfen.
Back inna days hat Greis über seine Pumaturnschuhe nachgedacht. Es war eins vor Millenium und ich so fünf vor zwölf, Neocolor und immer Räuber, nie Poli. Pit hätte mir vielleicht auf dem schneebedeckten Roten Platz die Fresse gewaschen im Kalten Krieg 19hundert99. (Und immer Para wegen den Albanern aus der Para.) Iroas hat womöglich mit japanischen Spielkarten gehandelt oder die Kleinen um wertvolle Glitzer-Panini betrogen. Roumee hat indes wahrscheinlich Fantasyromane gelesen. Oder Nietzsche.
Back inna days, als die Trams und Busse noch
und wir auch grün hinter den Ohren,
naseweiss und der Winter noch,
so blauäuig und der Rote Platz.
Fast zwei Dekaden später betrachtet sich Greis, da er auf dem Sofa liegt und Fazit zieht, ein Zwischenfazit immerhin. Sosolala, naja. Roumee hat ihn mittlerweile bart- und bars-technisch frech eingeholt und ist nun um die Consciousness bestellt. Iroas und Pit machen wie immer schöne Punchlines. Der Beat ist aus dem besten Gestern – es ist ein Fest für Jung und Alt. Das könnte natürlich alles peinlich sein, wenn sich Papi G. nicht die feinsten Gangsterklamotten übergezogen hätte, nicht ein so stilsicheres Spiel triebe in seiner Greisen-Rolle. Denn den Hiphop muss man dieser Bande wahrlich nicht erklären. Und so macht einer auf dem Sofa liegend, laisser faire die beste Falle. Derweil sich rundherum die Kleinen – «Stich Stich Stärbegrüsch» – verbal auf die Rübe geben, der kompetitiven Brüderlichkeit frönen und das stabile Code-Repertoire des Berner Chaos-Rap bespielen. Schön auch, dass es einem dabei nicht langweilig wird.
Sie haben eine Songkritik erwartet? Nice.
Und schliesslich hört man munkeln, dass zwischen PVP und Chaostrupp eine sogenannte One Love im Gedeihen begriffen. Wir wünschen gutes Gelingen und freuen uns schon auf den nächsten Bubenstreich.
Schwab porträtiert im Auftrag der Musikförderung MFBjeden Monat die liebsten Neuerscheinungen straight outta Berne. Die Kategorie «Hype» ehrt das Langjährige, Brillante, Ausgefeilte und Vielgehörte, das den Berner Pop über die Kantonsgrenzen hinausträgt oder im Feuilleton Wellen schlägt. Die Kategorie «Hope» gräbt in den Tiefen des Untergrunds und verstärkt, worüber noch geflüstert wird – Erstlinge, Fundstücke, Demos.
Von Feuilleton keine Spur, zum Glück, heute gilt das Gehype auch dem Untergrund. Sie erinnern sich: Die Weirdos aus dem Westen, Cloud Kleefeld – wir hatten sie bereits im August zu den Hoffnungsträgern ernannt. Und sie haben geliefert: Zehn neue Tracks zwischen schwereloser Highness und fiesen Psychotrancebeats, stilsicher und zeitgeistig dekoriert mit zischenden Tremor-Hats und viel digitaler Wittiness. Auch Pillenbub Jonny Bunko hat vorbeigeschaut in den Darksome-Studios und rauscht gewohnt hemmungslos durch vier Features auf dieser nicht selten grandios komödiantischen Radioshow. Non-Sense, Punchlines und Ringtones aus dem frühpolyphonen Zeitalter. Ein Fest der Selbstironie – denn Philosopher-Boy Vo weiss: «Gisch du dir Müeh / Bisch du nume e Bitch.»
Hope: Willibald – «While We Feel Romantic On Rooftops»
Und weil wir heute Tag des Nachdrucks feiern, spielen wir auch hier bereits gelobhymte Musik. Aus dem Eintrag: «Nieder mit dem Elektrophallus»
«Auf «While We Feel Romantic On Rooftops» gibts nichts, was in der Geschichtsschreibung der Popmusik nicht schon angeklungen wäre, auf einer Jaguar, Jazzmaster, Telecaster irgendwo – und desto erfreulicher ist es, schürft die Band so schnörkellos die alten Wunden und macht der totgeglaubten Gitarrenmukke ein feines Fest in fünf beseelten Liedern. Atemberaubend halsbrecherisch trommelt sich da Christine Wydler bisweilen in Ekstase, drückt Charli Grögli am Viersaiter aufs Fuzz-Pedal. Und eine helle Freude auch der schamanische, von Tonmeister Stefan Allemann blendend inszenierte Gesang der Debo Spiller.»
Still true. Kleiner kritischer Nachtrag: Akutelle Songs sucht man in den Weiten des Internetz allerdings vergebens, so sei auf untenstehende Vorabversion verwiesen. Oder erstehen Sie die hübsch einkartonierte Kompaktdisk direkt an der Quelle.
Die MFB hat sich das Fördern junger Berner Popkultur auf die Fahne geschrieben. Die interessantesten Neuentdeckungen finden Sie in der Spotify-Playlist «Sounds Like Berne».
Eine von vielen Entdeckungen am Seebahngraben: Ararpad. Verdammt hotter Beatboy aus Z.
Liebes,
Der Italo ums Eck ist authentisch grimmig und verkauft glutenfreie Pizze. Ich schreibe dir aus Wiedikon Zürich 3. Von dort aus also, wo das eingesessene Zürich aufs glutenfreie Zürich trifft, die ganze Nacht Verkehr ist und eine offene Tankstelle. Ich blicke aus meinem Aquarium hinaus auf den Seebahngraben, am unteren Ende des einzigen Reiterbahnhofs der Schweiz – und hacke dir paar Zeilen.
Ich würd dir gerne in Bern begegnen, die letzten vom blechernen Tod befreiten Nächte auf der Schütz besaufen bis das Zeug hält, bei den Eidgenossen oder im Casa Marcello verhocken bis man herausgeputzt wird, unter den Lauben stehenbleiben für ne Gruess und sich wünschen: Bis bald. Heimweh ist berndeutsch.
Aber hier gibts viel zu tun, viel schönes. Auf Einladung kommen die Freunde vorbei, Fernweh-Berliner und Heimweh-Berner und Zürcher von der Szene, stellen ihre Geräte auf, Drumcomputer, Schlagzeuge, Macbooks und Zithern, legen los. Wir dürfen ihnen dreissig Minuten durch die Kamera dabei zuschauen. Ehre genug und dreiundzwanzigmal ein Grund zur Demut. Und der Laden erst: «Bundeshaus Zu Wiedikon» geheissen, fühlt sich an wie ein amerikanischer Diner aus den Fünfzigerjahren und wird von drei herzensguten Bundesrätinnen geschmissen. Dass das Zeug hält – und ich bei mir denke: Gastfreundschaft ist universal.
Eine Woche darf das noch so sein. Geldwechseln, Pizzaholen, Bütec rauf, Bütec runter, fünf Franken easy, zehn Franken soli, Rauchpausen, Blausaufen und am morgen neben einer kiloschweren, wunderschönen To-Do-Liste aufwachen, an die man sich zwar nicht ranschmiegen kann, die einem doch das Herz entzündet.