Archiv für die Kategorie ‘Hin & Weg’

Fünfzehn Grad. Nicht weit furt vo hie.

Roland Fischer am Mittwoch den 11. Februar 2015

So langsam reicht’s mit Winter, oder? Es gibt da imfall ein Spickmifurtvohie, das ohne Flugzeug funktioniert und auch einfach mal für einen Tag:
Bern ab: 7.34 oder 9.34, Domodossola an: 1 Stunde 40 später.

Heute zum Beispiel: bestes Cappucino-draussen-auf-der-Piazza-Wetter.

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Die Piazza Mercato ist ein Bijou und nicht weit vom Bahnhof weg, inmitten der schön verwinkelten Altstadt. Das hat alles schon sehr viel Italianità (die Bars, die Pastaläden), auch wenn man da natürlich immer mal wieder Schweizerdeutsch hört.

piazza_mercato

Auch nicht weit ist es zum wohl vergessensten Weltkulturerbe weit und breit: auf den Sacro Monte Calvario, den Klosterhügel von Domodossola. Schon der Spaziergang hinauf ist ein kleines Spektakel, mit einem Passionsweg, der an Kapellen mit lebensgrossen Nachbildungen vorbeiführt – ein bisschen wie Theaterszenen, denen irgendwann alles Leben abhanden gekommen ist. Die erste verpasst man leicht – sie liegt mitten im Wohnquartier, das sich längst bis zum Fuss des Klosterbergs ausgedehnt hat. Und wer oben den Eingang zum Paradies findet: bitte hier in den Kommentarspalten ein Beweisfoto.

“Wüu mir si aut”

Oliver Roth am Freitag den 30. Januar 2015

Man könnte hier darüber schreiben, wie unglaublich erfolgreich eigentlich Lo&Leduc sind. Aber das wissen wir ja. Die goldene Schallplatte hängt schon länger in ihrem WC und sie sind momentan für drei (!) Swiss Music Awards nominiert. Dann gibt es natürlich die alten Fans – und früher war alles besser.

Nun war Lo gestern in der Bounce Cypher im Radio Virus und hat zusammen mit über 80 Rappern aus dem ganzen Land (dass es noch so viele davon gibt?) fast sechs Stunden lang gerappt. Grund genug die Berner wieder mal zu erwähnen. Hier das Video mit dem Beitrag von Lo:

Man beachte bitte Zeilen wie diese hier:

“I mache “Huh”, wiene erstuunte Ricki Rouss / und mir gö id Charts wie är e Neopren-Ahzug ahleit / mir gö rein, aber nie meh raus”

Und dann mit der Selbstironie auf den eigenen Erfolg:

“Wüu mir si aut / wüsse nüm so gnau / was me da so muess / i däm Bounce / mit dr CD laufts / aber i weiss o nid so genau / wäm, dass das Aubum eigentlech gfaut / wär das nach emne Jahr no chauft”

Offensichtlich viele. Die Single Jung verdammt ist zum Beispiel noch immer auf Platz 6. der iTunes-Charts.

Fuselli? Das sind doch so Teigwaren?

Roland Fischer am Freitag den 30. Januar 2015

Kleine Vertrautheiten und Irritationen unterwegs: Ein klassischer Schweizer Maler hat gerade Hochkonjunktur, in London, wo er fast schon zum Leitmotiv einer Ausstellung über Terror and Wonder: The Gothic Imagination wird, wie in Paris, wo er prominent in einer opulenten Schau zu den künstlerischen Folgen des philosophischen Berserkers de Sade auftaucht. Der Name des Künstlers? Henry Fuseli. So jedenfalls schreiben ihn die Engländer, die sich natürlich schwer tun müssen mit «Füssli» (die Franzosen dagegen schaffen das). Aber es ist nicht ihre Schuld, Johann Heinrich Füssli hatte seinen Namen selbst angepasst, und zwar während seines Aufenthalts in Italien. Ob die Fuselli also vielleicht sogar was mit kleinen Füssen zu tun haben?

Nachtmahr von J. H. Füssli um 1781

Nachtmahr von J. H. Füssli um 1781

Sche*ss Touristen

Milena Krstic am Dienstag den 6. Januar 2015

Begegnet den Bastarden auf Augenhöhe, muss sich Barcelonas Regierung gedacht haben. Aber als sie mit ihrem Spruch

KSB in Barna

ankam, da widmeten sich die Rebellen wieder der Poesie.

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Überdosis

Oliver Roth am Mittwoch den 24. Dezember 2014

Interstellar haut rein. Er haut so krass rein, dass man noch ein paar gute Stunden nach dem Film kaum mehr klar denken kann. Er ist eine Wucht!

Vielleicht denkt der eine oder die andere: Schon wieder so ein Science-Fiction Film. Schon wieder steht die Erde vor ihrem Untergang und ein paar wenige müssen sie retten. Ja, das stimmt. Aber Interstellar ist sich seiner Tradition bewusst (Referenzen z.B. an 2001: A Space Odyssey) und ist noch etwas mehr als ein normaler Weltraumfilm.

Für das Drehbuch stand dem grossen Übertreiber des Kinos unserer Zeit, Christopher Nolan, der theoretische Physiker Kip Thorne zur Seite. Der Plot beruht auf wissenschaftlichen Erkenntnissen – etwa auf Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie (die Physiker streiten) und die Handlung nimmt die Umweltkatastrophen von 1930 in den USA, die als Dust Bowl in die Geschichte eingingen als Ausgangslage. Über die Erde wehen Staubstürme und die Menschheit kann nicht mehr mit Lebensmitteln versorgt werden. Ein Team von Astronauten reist in eine andere Galaxie, um einen neuen bewohnbaren Planeten zu finden, während auf der Erde die Menschheit um ihr Überleben kämpft. interstellar-ice

Nolan schichtet und türmt seine Geschichte zu einer kulturellen Überdosis, die sich in stimmig-plausibler Weise auf uns niederschüttet. Mit hämmernder orchestrierter Musik, den bekannten Nolanschen Überbildern und manchmal nervenaufreibender Spannung schöpft der Film ohne 3D-Effekte alles aus, was das Kino heute leisten kann. Es sind diese, sich potenzierenden Umstände und Stilmittel von wissenschaftlichen Grundlagen, allzumenschlichem Verhalten, visuellen Eindrücken, kurz: die Potenzierung von Kultur, die den Film so heftig wirken lassen.

Der Film läuft in Bern im Kino Splendid 2 jeweils um 14:00 und 20:15 Uhr.

Just another Brick

Roland Fischer am Dienstag den 16. Dezember 2014

Es ist ein ziemlich anspruchsvolles Ausstellungsthema, und mit dem Titel kann man zunächst mal rein gar nichts anfangen: Alphabrick. Gut, im Maison d’Ailleurs in Yverdon (sowieso eine Reise wert, die schmucke Stadt am Südwestende des Neuenburgersees) geht es standesgemäss um irgendwie höhere Sphären und andere Dimensionen, das Science-Fiction-Museum hat sich längst von seinen Wurzeln als Jules-Verne-Archiv emanzipiert, es ist gewissermassen aufgebrochen in «den Weltraum, unendliche Weiten».

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In der aktuellen Ausstellung geht es um: den Cthulhu Mythos von H. P. Lovecraft, Star Wars, Lord of the Rings, es geht um Originalzeichnungen, Games und Filmsoundtracks, und es geht um: Lego. Die Austellungsmacher haben das Materialdurcheinander nämlich auf einen sehr cleveren gemeinsamen Nenner gebracht: den Baustein, aus dem man ganz verschiedene Welten bauen kann. Auf diese Weise wird aufgezeigt, welche narrativen Legosteine sich im Laufe der Science-Fiction-Geschichte als besonders praktisch erwiesen haben und in welchen Zusammenhängen sie immer wieder aufgetaucht sind. Dazwischen gibt es überall herrliche überdimensionale Legowelten zu bestaunen – und so das Kind im Mann wiederzuentdecken. Oder aber man geht sehr erwachsen durch die verwinkelten Räume und philosophiert darüber, dass alle diese ganz verschiedenen Welten aus denselben im Grunde doch langweiligen (Lego)steinchen zusammengebastelt sind. Ein Ausflug in andere Welten: eine Stunde nur von Bern und sehr zu empfehlen.

Wenn die Hexe mit den Magiern …

Milena Krstic am Freitag den 12. Dezember 2014

…  im selben Zaubertrunk-Topf rührt, kann das zu einer psychedelischen Blues-Explosion führen. So gesehen am Mittwochabend im Progr, als Evelinn Trouble ihre zweite Carte Blanche ausspielte und die illustren Gäste Fai Baba (Git, Voc), Great Black Waters (Git, Voc), Julian Sartorius (Drums) und Tobias Preisig (Geige) mitzaubern liess.

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Es war eine Nacht der schief hängenden Gitarren (und Tönen), getränkt in einen tropikalisch anmutenden Blues, quietschenden Violinen und verwegenen Blicken. Der Halleffekt war endlos und die Spielfreude der Band ebenso. Die magischen Momente aber liessen auf sich warten: Was musikalisch anfangs wackelig daherkam, artete erst gegen Ende in einen Jam aus, der so überhaupt nicht mehr in die sauber gefegte Turnhalle passte. Wenn ich wüsste, wie es früher war, würde ich sagen: Es war so wie früher! Schmutzig, verrucht, unaufgeräumt … Es war ein Konzert, wie es dieser Tage selten zu erleben war, in dieser (neuen?) Welt der Sauberkeit, in der die Synthesizer wohl arrangiert sind, der Drumcomputer keine Ausschweifung zulässt und Ableton Live so supereasy zu Bedienen ist, dass es sich als scheinbar unentbehrlich aufdrängt.

Dabei hat Evelinn Trouble erst kürzlich in eben einer dieser sauberen Produktionen mitgewirkt: Für das neue Album des Rappers Stress hat sie zwei Lieder mitkomponiert und eingesungen, aber soweit ich das gesehen habe, ist nur eines davon erschienen, «Paradis Perdu» nämlich. Der Song ist der Beweis, dass auch eine coole Avantgardistin wie ein Popsternchen klingen kann (keine Ahnung, durch welchen Kompressor die Hitmiller Troubles Stimme gejagt haben).

Item. Der Abend im Progr war eine runde Sache. Aber es ist die verrauchte Spelunke, in die Evelinn und die adretten Mannen so vorzüglich gepasst hätten. Und als nächstes steht ein Konzert von Fai Baba auf dem Programm, denn gerade dieser Song klingt live noch viel charmanter als ab Platte.

Evelinn Troubles dritte und letzte Carte Blanche ist am 7. Januar zu sehen/hören. Die Carte Blanche wird vom Verein bee-flat vergeben. Die Künstler haben so die Möglichkeit, sich musikalisch auszutoben und ihren Konzert-Habitus zu brechen.

Pastis & Jazz

Milena Krstic am Mittwoch den 26. November 2014

«Diese Musik macht mich ganz wirr.»
«Das sind die Lichter.»
«Vielleicht ist es der Pastis auf leerem Magen.»
«Dann ist es eine Mischung aus alledem. Vielleicht.»

Colin Vallon Trio Cocoon

Küre und ich gestern Abend im Mokka. Total im Film, beide. Auf der Bühne spielte das Colin Vallon Trio, mit dem Namensgeber himself am Piano, Patrice Moret am Kontrabass und Julian Sartorius am Schlagzeug. «Cocoon» heisst die Konzertreihe, welche dem Trio seit dem Herbst letzten Jahres die Möglichkeit bietet, an zwei Dienstagen im Monat auf der Bühne des Mokka das zu tun, was ihnen beliebt.

Ein Jazztrio an einem Dienstagabend in Thun: Geht da überhaupt wer hin? Wenn ja, wer? Küre und ich sind beide keine Jazz-Konzertgeher. Aber er liess sich überzeugen, als ich ihm erzählte, dass Colin Vallon seinen HKB-Schülern Radiohead und Atoms For Peace zu hören gibt. Ich ging davon aus, dass man diese Vorliebe seinem Trio auch anhören wird. Und ja, hat man! Und viele schöne Menschen haben sich das angehört, von jung bis älter, von Funktionsjacken-Trägern bis hin zu Damen im Bouclé-Mantel.

«Cocoon» versetzte uns in einem Fiebertraum: Mal liess es uns in einer unerträglichen Atonalität hängen, ein anderes Mal warf es uns einen musikalischen Anker mit uns vertrauten Klanggeschichten hin. «Cocoon» kickte uns aus unserer Wohlfühl-Zone und wir waren weg, weg, weg. Vallon, mit einer Hand auf den Pianotasten, mit der anderen ein gelbes, wunderliches Ding mit Antenne steuernd. Moret, versunken am Kontrabass, bald war es ihm zu heiss in seiner Wollkappe, und Sartorius, ach, ich kenne niemanden, der sich an seiner Schlagzeugkunst bereits sattgesehen hätte.

Nach Konzertschluss – also nach knapp zwei Stunden – hielt Patron MC Anliker eine kleine Rede, er habe jedes Konzert der «Cocoon»-Reihe gesehen und es sei also jedes Mal anders, aber immer, wirklich immer magisch. Also hat dieser Bericht bereits seine Gültigkeit verloren. Gehen Sie doch selbst mal hin und get lost in your own movie.

Das nächste «Cocoon» findet am Dienstag, 9. Dezember, 20.20 Uhr, statt.

Das Königspaar von Sankt Ghetto

Milena Krstic am Samstag den 22. November 2014

Wildbirds & Peacedrums St. Ghetto

Sie waren gestern Abend nicht in der Dampfzentrale? Dann sind Sie sehr wahrscheinlich keine Musikjournalistin, kein Band-Booker und Sie lesen auch das Feuilleton nicht sonderlich gerne. Habe ich richtig getippt? Dann bitte ich Sie inständig: Kommen Sie an Anlässe wie dem Festival Saint Ghetto! Dort spielen Bands wie Wildbirds & Peacedrums und diese Bands brauchen Sie! Sie, die nur «zum Spass» an Konzerte gehen, ohne die Gesangstechnik und Gerätschaften der Musizierenden zu studieren (Sängerin Mariam Wallentin nutzt ein TC Helicon VoiceLife Vocal Processor/Loopgerät). Warum Sie sollten?

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Rösterei und Kaffeemaschinen-Boliden

Gisela Feuz am Samstag den 18. Oktober 2014

Das Berner Quartier Holligen ist um eine Gaststätte reicher: An der Güterstrasse 6 wird zur Zeit die Rösterei eingeweiht. Das Interieur kommt hell, freundlich und schlicht daher und der Kaffee wird, wies der Name bereits vermuten lässt, vor Ort geröstet. Nebst den dunklen Koffein-Bombern in allen Variationen bietet die Karte auch Tee und Sirup aus der Länggasse und Apéro-Stoff und Bier in jeglichen Variationen. Die Rösterei sorgt aber nicht nur für leibliches Wohl, sondern verkauft auch Kaffeemaschinen in allen Gewichtsklassen. Vom Klassiker, dem silbernen Moka-Express-Schraubdings für 23.90, bis hin zum Luxusboliden Rocket-Set für 4390.- gibts Geräte in allen Grössen, Farben und Formen zu kaufen. Zu hoffen ist, dass sich die Rösterei mit diesem Angebot nicht ins eigene Bein schneidet bzw. in den eigenen Kaffee pinkelt, denn wer sich eine dieser richtig teuren Maschinen zulegt, wird vielleicht in Zukunft gar keine Lust mehr haben, seinen Kaffee auswärts zu geniessen.

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Die Einweihungssause dauert heute noch bis 19:30 Uhr. Die Goofen können in der Hüpfburg parkiert werden und auf der Open-Air-Bühne wird Musikalisches geboten. Zwar können die angekündigten Jeans for Jesus aufgrund «einer Verkettung unglücklicher Vorkommnisse» nicht mittun, dafür gibts aber um 16 Uhr Crybaby und um 18:15 Uhr Da Cruz mit ihrem zweiten Set zu hören. Gehen sie doch auf einen Kaffee vorbei, schon nur, um das umwerfende Kleid der fulminanten Frontfrau Mariana Da Cruz zu begutachten.

Rösterei, Güterstrasse 6, Mo-Fr 7-19 Uhr, Sa 8-17 Uhr.