Archiv für die Kategorie ‘Hin & Weg’

Bern Baby Bern

Roland Fischer am Samstag den 29. August 2015

Während hierzulande der Wahlkampf eher müde anläuft kommt er in den USA langsam in die heisse Phase. Und Bern könnte dabei eine Hauptrolle spielen. Bernie Sanders, Senator aus Vermont, wird von der Rechten bereits als «democratic socialist» verschrieen – und könnte Hillary Clinton trotzdem (oder vielleicht genau deshalb?) gefährlich werden.

Sanders hat sich den Hashtag «#FeelTheBern» zum Motto gewählt. Ein Wortspiel, das auf die Aerobic-Heldin Jane Fonda verweist, die dem Workout in den frühen 80ern mit «Feel the Burn» und «No pain, no gain» den Masochismus beibrachte.

Wer ist hier das Tier?!

Gisela Feuz am Donnerstag den 27. August 2015

Die Unmenge an Tierbildern in Zeitungen, Fernsehsendungen, auf Internet-Kanälen und nicht zuletzt die absurd hohe Anzahl von über 2 Mio. Katzenvideos, welche tagtäglich in den Büros dieser Welt angeschaut werden, zeigen: Der Mensch ist geradezu versessen auf Tiere. Gleichzeitig sind diese im Zeitalter von Veganismus, gentechnischen Experimenten und Artensterben aber auch Gegenstand gesellschaftlicher Kontroversen und deswegen immer wieder auch Objekt und Inhalt künstlerischer Arbeiten. Das Fotomuseum Winterthur hat sich diesem Phänomen angenommen und zeigt in der Ausstellung «Beastly/Tierisch» Fotografien, Videos und Objekte, welche sich mit unserer Wahrnehmung von Tieren auseinandersetzen.

Wie Duncan Forbes, Direktor des Winterthurer Fotomuseums, in seinem Aufsatz «Wenn ein Löwe fotografieren könnte» schlüssig aufzeigt, hat die Fotografiegeschichte «das Tier stets mit einer Peitsche in der Hand auf seinen Platz verwiesen». Das heisst nichts anderes, als dass Zuschreibungen und Vorannahmen gegenüber dem Animalischen lange Zeit die Art und Weise dominiert haben, wie ein Tier abgelichtet werden soll. Die menschliche Überheblichkeit ist dabei grenzenlos. Wie sonst kann behaupten werden, ein Tier sei «weltarm» wie es etwa der deutsche Philosoph Martin Heidegger tat, oder sprachlos und unreflektiert? Wer ist aufgrund welcher Qualifikationen zu solchen Aussagen berechtigt? Doch wohl höchstens Dr. Dolittle.

Nebst «klassischen» Fotografien von Tieren werden in «Beastly/Tierisch» auch Werke von Künstlern gezeigt, welche sich auf die Suche nach neuen, nicht humanzentrierten Perspektiven begeben. Dafür wird zum Beispiel einem Gürteltier eine Kamera auf den Rücken geschnallt, ein Lamm schaut den Betrachter von einem Porträtbild frontal herausfordern an, Schnecken werden in Nahaufnahmen bei der Paarung gezeigt, menschengemachte Tierindustrie wird zur erschreckend ästhetischen Komposition und Nicolas Deveaux lässt in «5,80m» Giraffen Sport treiben:

An Deveaux’ Film lässt sich die Problematik verdeutlichen, welche sich aus einer ästhetischen Auseinandersetzung mit der Darstellung von Tieren ergeben kann. Eine perfekte, aalglatte Welt, wie wir sie aus futuristischen Blockbustern kennen und die normalerweise Menschen vorbehalten ist, wird mit Giraffen bevölkert. Die Betrachtung dieser Welt wird bei vielen wahrscheinlich einfach einen Jöö-Effekt auslösen; Sie sind ja auch hübsch anzuschauen, die Langbeinigen, wie sie ihre Saltos schlagen. Dass Deveaux mit seinem Film aber auch die anthropozentrische Logik hinterfragt, welche der perfekten, digitalen Welt zu Grunde liegt, dürfte den meisten wohl entgehen. Allenfalls empfinden ein paar Betrachter ein gewisses Unbehagen ob der Diskrepanz zwischen natürlichem Lebensraum von Giraffen und der hier gezeigten klinisch-sauberen Hallenbad-Chlorwelt. Aber dass eine weiterführende, vertiefte Reflexion stattfindet, muss bezweifelt werden, zu allgegenwärtig sind im Zeitalter von Nemo und Balu Tiere, die sich wie Menschen benehmen.

Es ist ein interessanter Versuch, eine Perspektive zu kreieren, welche nicht den Menschen als Ausgangspunkt nimmt, allerdings auch ein Versuch, der scheitern muss, weil wir schlichtweg nicht wissen können, was sich in den Köpfen von Meerschweinchen, Hunden, Löwen, Eulen und anderem Getier abspielt und wie diese uns wahrnehmen. Der Versuch muss Phantasie bleiben – menschliche Phantasie. Trotzdem ist «Beastly/Tierisch» eine empfehlenswerte Ausstellung, sagt sie doch ungemein viel über Psyche und Beschaffenheit des Menschen aus. Das wird vor allem in dem Expositionsraum klar, in welchem sich unzählige Fotos und Fotomontagen aus dem Internet versammelt finden. Die grassierende Infantilisierung und Vermenschlichung von Animalischem ist durchaus erschreckend und lässt die Frage aufkommen, wer hier denn eigentlich genau das «Tier» ist.

«Beastly/Tierisch» wird noch bis am 4.10.15 im Fotomuseum Winterthur gezeigt. Kaufen Sie den Ausstellungskatalog, denn darin finden sich spannende Aufsätze von Wissenschaftlern und Philosophen zum Ausstellungsthema. Sehr zu empfehlen: Slavoj Žižek «Das Tier existiert nicht».

Die ganze Welt auf kleinem Raum

Gisela Feuz am Donnerstag den 13. August 2015

Ein Seismograph ist ein Gerät, mit welchem Bodenerschütterungen registriert werden können. Welches aber sind diejenigen Faktoren, die nicht Gestein ins Wanken bringen, sondern Soziokulturen? Und wäre Musik allenfalls als Seismograph einsetzbar, mit welchem die dringlichsten Anliegen von Menschen unterschiedlichster Herkunft eruiert werden könnten? Diese Frage haben sich Theresa Beyer, Thomas Burkhalter und Hannes Liechti vom Berner Netzwerk und Onlinemagazin Norient gestellt und während 1.5 Jahren klangliche und visuelle Materialen aus aller Welt zusammengetragen. Eine Auswahl davon gibt es nun in der Ausstellung Seismographic Sounds zu sehen und zu hören, welche morgen Freitag im Forum Schloss Platz in Aarau eröffnet wird.

Seismographic Sounds ist eine multiperspektivische und multilokale Ausstellung, wobei die Inhalte von 250 MusikerInnen, FotografInnen, AutorInnen und RadiomacherInnen aus der ganzen Welt stammen. Vertreten sind Beiträge aus Kapstadt, Helsinki, Belgien, Jakarta, La Paz, Pakistan, Nigeria, Bolivien, Serbien und St. Gallen, um nur ein paar wenige zu nennen. Aus über 50 Ländern gibt es schrille, kontroverse und provokative Musikvideos zu sehen oder Klangbeiträge zu hören, wobei der Fokus auf Erzeugnisse gelegt wurde, welche sich ausserhab des Kommerz bewegen, auf politische oder soziale Missständen aufmerksam machen und kulturelle Klischees hinterfragen oder ironisch auf die Schippe nehmen. In drei Boxen werden Videos zu sechs unterschiedlichen Themenschwerpunkten gezeigt: Money, Loneliness, Desire, Exotica, War und Belonging. Diese Kategorien hätten sich bei den zahlreichen Einsendungen auf der Norient-Plattform herauskristallisiert, erklärt Burkhalter, womit klar wird, dass Einsamkeit, Zugehörigkeit, Krieg, Geld, Sehnsucht und der Reiz des Exotischen universelle Faktoren zu sein scheinen, welche Menschen auf der ganzen Welt beschäftigen. Die Auseinandersetzung mit diesen Themen erfolgt dabei auf äusserst vielfältige und kreative Art und Weise, wie dieses Video-Bijou aus dem Themenblock Money verdeutlicht.

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Hörrohre bieten Podcasts, die Ufo-Bank Mixtapes und Audiocollagen. Einstöpseln, Kopfkino an.

Nebst den äusserst gemütlichen Kinoboxen (so muss es sich in einem UFO-Cockpit anfühlen) können über zahlreiche schlanke Hörrohre Podcasts oder Soundcollagen angehört werden, welche Einblick geben in den Arbeitsalltag von MusikerInnen rund um den Globus: serbischer Hip Hop, indonesischer Hardcore, israelischer Noise, Neue Musik aus Deutschland, alles da. Auf relativ kleinem Raum hat das Norient-Team somit die ganze Welt versammelt, wobei trotz eindrücklichen Satellitenschüsseln und LED-Installation mit Videofragmenten (Urs Hofer) in keinem Moment klangliche Überdosis entsteht, Orchestrierung und ausgeklügeltem Sound-Design (hands on sound) sei Dank.

Man mag von YouTube, Facebook, Soundcloud, Instagram und Co halten was man will. Fakt ist, dass diese Kanäle helfen, neue künstlerische Formen und Formate zu entwickeln und zu verbreiten, die durchaus seismographischen Charakter aufweisen. Seismographic Sounds ist eine Ausstellung, der es gelingt auf unterhaltsame Weise die Vielfältigkeit und Vielstimmigkeit dieser neuen Formen abzubilden und damit auch klar macht, dass digitale Globalisierung keinesfalls zu künstlerischem Einheitsbrei führen muss.

Seismographic Sounds im Forum Schloss Platz in Aarau, 15. August – 20 .September 2015. Im Anschluss wird die Ausstellung an zehn weiteren Orten in Europa und in der Schweiz zu sehen sein. Bringen Sie für den Ausstellungsbesuch Zeit und Hörmusse mit. Es lohnt sich.

Zur Ausstellung ist bei Norient Books auch eine 504-seitige Publikation namens «Seismographic Sounds – Visions of a New World» erschienen.

Selber Polypenpussi!

Gisela Feuz am Mittwoch den 29. Juli 2015

«If a finnish guy likes you, he stops staring at his shoes but stares at your shoes instead.» Dies wurde Frau Feuz kürzlich in den frühen Morgenstunden mitgeteilt, und zwar in Helsinki in der wunderbar verschrobenen Mockba Bar des hochverehrten Aki Kaurismäki. Es ist ein gängiges Klischee, dass die Nordlichter das Herz nicht exakt auf der Zunge tragen. Und es gibt sie in Helsinki tatsächlich, die schweigsamen Männer, die in der Bar gerne drei Stunden in ihr Glas Hochprozentiges starren. Schweigen und Saufen, das können sie, die Finnen, und entsprechend viele Witze gibt es denn auch, welche diese Thematik behandeln. Was ist zum Bespiel der Unterschied zwischen einer finnischen Hochzeit und einem finnischen Begräbnis? Am Begräbnis ist eine Person weniger besoffen. Oder aber: Woran erkennt man, dass ein Finne schwer verliebt ist? Er sagt es der Frau fast.

Schweigsamkeit ist nichts Schlechtes. Im Gegenteil. Mit jemandem schweigen können, ist eine Qualität für sich. Und wenn mit einem Finnen geschwiegen wird, bringt dies noch andere Vorteile mit sich: Man steht sprachlich nicht wie der letzte Idiot da. Überall sonst in Europa kann man sich mit einer Basis von Französisch, Englisch, Deutsch und ein bisschen Italienisch durchwursteln, Strassenschilder oder Speisekarten lesen und sich einigermassen orientieren. Nicht so in Finnland. Zwar wendet die finnische Sprache auch das lateinische Alphabet an, damit ist dann aber auch schon fertig mit Parallelen. Dies deswegen, weil Finnisch nicht wie die meisten europäischen Sprachen zur indogermanischen Familie gehört, sondern zur finno-ugrischen und die ganzen y, ä, k, tt in 15 verschiedenen Fällen organisiert werden. Ausserdem verwenden die Finnen zwischendurch offensichtlich einfach auch nur irgendwelche Phantasiewörter, die alleine dazu dienen, Touristen zu beschimpfen. Aber Frau Feuz hat’s durchschaut. Nicht mir mir! Selber Lappi und Polypenpussi!

lappi

sak

pussi

Lo-Fi-Kummer-Modus

Gisela Feuz am Dienstag den 7. Juli 2015

Ein bisschen zu weinerlich sei ihm die ganze Angelegenheit, liess der Herr Kollege beim nachmittäglichen Aare-Schwumm verlauten. Die Rede war von den Lo-Fi-Rockern Two Gallants. Hätte er bloss nichts gesagt. Denn wenn man sich beim gestrigen Konzert des kalifornischen Duos im Bad Bonn in Düdingen auf den Gesang von Adam Stephens fokussierte, dann dünkte einen dieser tatsächlich ordentlich bekümmert. Und dass sich Two Gallants auf ihrem letzten Erzeugnis «We Are Undone» noch mehr vom Punk-Blues-Modus der früheren Alben entfernt haben und nun vermehrt den Weg der amerikanischen Folkmusik beschreiten, ist dem Elegischen und Kummervollen natürlich noch zuträglich.

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Benannt nach einer Story von James Joyce: Two Gallants (Bild Patrick Principe)

Es spricht definitiv für eine Musik-Combo, wenn diese es schafft, bei schönstem Badewetter eine Hütte propevoll zu kriegen – auch wenn besagte Hütte im Fall des Bad Bonn eher klein bemessen ist. Entsprechend heiss war es denn im Bonn und Adam Stephens sprach wohl vielen aus dem Herzen, als er erklärte: «I sweat like a pig». Der Lo-Fi Folk-Rock von Two Gallants kam gut an, viele hielten trotz subtropischen Sauna-Temperaturen bis zum Schluss durch, Stephens sang, raunzte, miaute und krächzte, während sich Tyson Vogel am Schlagzeug wohl kurz vor dem Kreislaufkollaps wähnte.

Two Gallants demonstrierten gestern melodische Intelligenz und einwandfreies Handwerk. Sympathisch sind auch die textlichen Anliegen der Herren, werden doch zeitgenössische Probleme wie Gentrifizierung («There’s So Much I Don’t Know») ebenso ausgeleuchtet wie die Abgründe der menschlichen Psyche. Ein bisschen arg viel musikalischer Heartbreak-Modus vielleicht. Und vielleicht phasenweise auch ein bisschen belanglos. Vielleicht war’s aber einfach auch nur zu heiss für Frau Feuz’ Aufnahmefähigkeit.

Kindergeburtstag Gone Wild

Milena Krstic am Dienstag den 7. Juli 2015

Gestern spielten Die Antwoord am Montreux Jazz Festival. KSB war dort und wäre lieber schockiert, als gelangweilt aus dem klimatisierten Konzertsaal gelaufen.

Die 16-jährigen Girls vor uns reckten ihre Fäuste in die Luft und schrien mit: «Fuck your rules! Fuck, fuck your rules!» Aber vorher posteten sie noch ein Föteli vom Konzert auf Insta(gram): #concert #DieAntwoord #MontreuxJazzFestival

https://instagram.com/p/41RxKaJFva/?tagged=dieantwoord

Vorne auf der Bühne spielten die südafrikanischen Trash-Elektroniker von Die Antwoord ihre horrible Mini-Playback-Show. Mit DJ Hi-Tek und zwei Tänzerinnen waren sie angereist. Die Visuals: Mini-Penisse, die es sich selbst besorgen. In allen Farben, mit grossen Augen, stupsigen Näschen.

Überhaupt dieses Kindchenschema: 40-kg-Frontfrau Yolandi Vi$$er verkaufte die Illusion vom sexuell immer verfügbaren Mädchen ausgezeichnet. Klappste sich selbst motivierend auf den Po, quietschte ins Mikrofon: «Swissaland, do you want a big, fat juicy …» und dann habe ich nicht verstanden, ob sie «Ass» oder «Pussy» gesagt hat. Das Publikum drehte durch. Logisch. Sex still sells.
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Attention! C’est chaud.

Milena Krstic am Freitag den 12. Juni 2015

Die beste und schönste Band im Line-Up des Festi’Neuch hat gestern Abend gespielt: Die jungen Parisiens von Feu! Chatterton.

feuchatterton festineuch

Wer jetzt denkt, dass da ein Ausrufezeichen falsch gesetzt wurde: Nein, nein, das ist dort genau richtig. Wer die Kunst des Chansons so elegant ins Heute rettet, der hat ein Anrecht auf diese Extravaganz. Chanteuse Zaz, ja, sie hat das auch gut gemeistert, aber Feu! Chatterton garnieren mit Synthes und schlagen Brücken zum Jazz und New Wave, während sie auch schon mal ins Psychedelische driften.

Gestern haben sie ein magisches Konzert am Festi’Neuch gespielt, bejubelt von einem Publikum, das ihre Texte mitsang. Frontmonsieur Arthur schrie, flehte, und sein Wesen, es steckt fest irgendwo zwischen dem eines älteren Herren und dem eines jungen Dandy. Herrlich, poetisch war das und moi, je dois pratiquer mon Français, damit ich die schönen Texte besser übersetzen kann. Mon dieu.

Et puis je fume.

Das Festi’Neuch dauert bis am Sonntag. Und Feu! Chatterton spielen nochmal in der Schweiz, nämlich am 24. Juli am Paléo.

Ice-motherfucking-T-bitch!

Gisela Feuz am Mittwoch den 10. Juni 2015

Was heute ein alter Zopf ist, war in den frühen 90er-Jahren eine Revolution sondergleichen in der Musikgeschichte. Ein Rapper namens Ice-T, der sich mit diversen Sprechgesangs-Platten bereits einen Namen gemacht hatte, tat sich mit vier Gesinnungsgenossen zusammen und kreuzte fortan Musikstile, die auf den ersten Blick so gar nicht zusammenpassen wollten: Hip Hop, Heavy Metal und Hardcore Punk. Body Count, so der Name der Combo, brachten 1992 ihr gleichnamiges Erstlingswerk auf den Markt und einer ganzen Horde Teenagern – inklusive Frau Feuz – kam dieses Album einer musikalischen Offenbarung gleich.**

Gestern Abend war Ice-T mit seinen Body Count im Z7 in Pratteln zu Gast und halb Bern war vor Ort, um dem Urvater des Crossover zu huldigen. Um es gleich vorneweg zu nehmen: Body Count lieferten eine äusserst tighte Zeitreise ab und was dieser Ice-T an markigen Sprüchen vom Stapel liess, bot höchsten Unterhaltungswert, vorausgesetzt man ist mit pubertärem Humor gesegnet und vermag Klischees und Überspitzem auch Komik abzugewinnen. In der Welt von *Ice-motherfucking-T-bitch haben die Männer noch richtig grosse Eier, an die man sich dann auch gerne mal greift, der Sohn wird nach dem Papa benannt («little Ice»), Polizisten sind Feindbild Nummer eins und über die Rollen, welche Frauen in den Texten zu Teil wird, wollen wir erst gar nicht reden. Damen waren gestern denn auch relativ wenige anwesend in diesem Z7 – auf 20 Herren etwa eine – was aber ein gängiges Phänomen ist bei Konzerten der nicht geraden filigranen Gangart.

bodycount

Natürlich ist ein Body Count-Konzert aus erzieherischer Sicht höchst fragwürdig und die Sprache der Herren Niggas* versetzt jede Englisch-Lehrerin in augenblickliche Schockstarre. Aber das anachronistische Weltbild, welches da transportiert wird, und die Überzeichnung der Böse-Buben-Rolle ist einerseits höchst amüsant und hat andererseits auch etwas Wohltuendes, weil die Welt hier noch eine überschaubare und klar unterteilbare ist. Zudem beweist Herr Ice-motherfucking-T-bitch ja durchaus auch Selbstironie, etwa wenn er sich zu den grossen weltpolitischen Geschehnissen äussert («Obama? Nigga didn’t call me») oder einem 16-jährigen Konzertbesucher in der Rolle des «Onkel Ice» Lebensweisheiten mit auf den Weg gibt. Und auch wenn es im Zeitalter von Alles-Fusion keine Neuheit mehr sein mag, so ist die brettharte Gitarren-Sprechgesang-Kreuzung von Body Count doch nach wie vor eine äusserst druckvolle, wuchtige, monumentale und wütende und deswegen auch richtig vergnügliche.

*Sie verzeihen die Wortwahl, werte Leserschaft, aber die Herren nennen sich selber so.

** Das Crossover-Standard-Werk, das in jede gut sortierte Stromgitarren-Plattensammlung gehört, weil sich darauf einmalige Kolaborationen von Metal- mit Hip-Hop-Bands finden, ist der Filmsoundtrack von Judgment Night. Grossartiger Soundtrack – unglaublich schlechter Film!

Kilbi zum dritten und für dieses Jahr letzten.

Milena Krstic am Sonntag den 31. Mai 2015

Die 25. Bad Bonn Kilbi lebt fortan in unseren Erinnerungen. Ein paar Worte zu sexy Beats, netten Bands und ukrainischer Trance-Musik.

Kilbi 2015 Zähnezeigen

Der Boden ist mit Holzspänen ausgelegt. Die werden warm an der Sonne, die am Samstagnachmittag auf Düdingen scheint und dann riecht alles so schön nach Schreinerei. Zigarettenrauch von überall her und Lord Kesseli hat im Clubhaus vier Räucherstäbchen angezündet – Duftrichtung Opium wahrscheinlich. Ein schöner Start mit diesem in beige und weiss gekleideten bärtigen Mann, der aussieht wie ein Sektenführer und Musik macht, die psychedelisch launig von unmöglichen Liebschaften berichtet.
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Baudenkmäler mobil

Roland Fischer am Donnerstag den 28. Mai 2015

Es war hier auch schon die Rede von mehr oder weniger geglückten App-Bezeichnungen – unter die Kategorie muss man wohl auch die «denkmappBE» zählen, die App des kantonalen Bauinventars. Aber Namen sind ja nicht so wichtig, Hauptsache die Anwendung ist gut gemacht. Und da ist man dann wiederum nicht so sicher, was man sagen soll. Zunächst einmal: schöne Sammlung von Infos zu alten (und auch mal nicht so alten) Baudenkmälern, gut aufgeräumt und zugänglich gemacht.

denkmappBe

Die einzelnen Baudenkmäler sind mit einem Foto illustriert, dazu erläutert ein Kurztext die besonderen Qualitäten des Objekts sowie seine Bewertung.

So schildert es der Kanton selber. Und weiter:

Auch die Lokalisierung der Baudenkmäler auf einer Karte gehört zum Angebot.

Und da muss man dann allerdings schelten. Was bringt mir die exakte Lokalisierung eines einzelnen Objekts, wenn ich doch lieber aufs Geratwohl auf einer Karte herumspazieren und dabei Entdeckungen am Wegrand machen würde, wenn ich also auf einer Übersichtskarte gern alle inventarisierten Gebäude auf einmal sehen würde? Da ging den Programmierern schlicht der wesentliche Punkt des Mobile Computing app – wenn man ein bestehendes Online-Angebot aufs Handy überträgt, dann sollte man sich schon noch ein paar Gedanken zur spezifischen Nutzung auf diesem Gerät machen. Nun muss ich auf einem Spaziergang immer zunächst die Adresse herausfinden, um ein interessantes Gebäude zu finden. Das Online-Angebot kann da insofern sogar mehr als das App, absurderweise.

Zweiter Schönheitsfehler – der ist allerdings höheren föderalistischen Mächten geschuldet und deshalb verzeihlich: Die Stadt Bern muss leider draussen bleiben, für die Quartierinventare ist die städtische Denkmalpflege zuständig. Vielleicht könnte man die Daten bei Gelegenheit mal dem Kanton rüberreichen, damit man sie in die App integrieren kann?