Archiv für die Kategorie ‘Frisch gepresst’

Frisch gepresst #10 «CAESAREAN MOONS – THY KHYBER MASS»

Urs Rihs am Donnerstag den 17. Mai 2018

Die KSB-Serie «Frisch gepresst» bringt zum Vorschein, was in feuchten Kellerstudios und synthesizerbestückten Dachböden unserer Stadt an Mukke produziert wird – vornehmlich Elektronisches, aber grundsätzlich alles, was direkt ab Presswerk bei dem Urs auf dem MK landet.

Der Schwab mal wieder, rief mich an und faselte was von hochtreibend jamenden Sauhünds an Synth und Drums mit neuer Scherbe auf BlauBlau und ich solle mir dazu hart die Kante geben, bevor ich höre und schreibe – also richtig blau-blau sein.

Na dann, dacht ich mir und knallte nach Mittag schon ein Herrgöttli zwei hinter die Binde. CAESAREAN MOONS also. Irgendwas mit Kaiserschnitt und Mondphasen? Aber durchaus sinnig, so ein ausladender Name, für dieses Zweigespann, welches sich erster Dinge dem Dialog zwischen Musik und dem ihr innewohnenden Schalk anzunehmen heisst.
Da verschafft nominell erzeugter Abstand etwas Luft. Zum Denken und zum Ordnen.

Gute zehn Stunden später steh ich dann doch im Dunst. Im Kreise guter Menschen zwar, aber immer noch im Unklaren bezüglich Takt und Art.

Szenerie Puntokeller by the way, wer noch nicht kennt, gönne sich bald, ein Sehnsuchtsörtchen.

Die beiden Menschen auf der Bühne lassen fliessen, lassen gehen. Lassen das Publikum stehen und widmen sich ihrer selbst, trommeln und drücken drauf los was das Instrumentarium hält.
Das zweite Statement richtung Rezipienten, nebst dem Plattentitel «THY KHYBER MASS» – das Plattencover, gleich einer Kreatur weit ausserhalb unseres komfortzonebedingenden Empathiediktats. Weit, weit ausserhalb.
urban DICTIONARY dazu: «The Kypher; A small creature belonging to a foreign country lacking a sharp edge or point. They often live in an underground room or vault beneath a church. They often carry infectious diseases that can cause inflammation. They often have both male and female characteristics or no characteristics of either sex. Mating rituals often involve throwing or forcefully moving their feces … » Diesen Beitrag weiterlesen »

Frisch gepresst #9 «OTTO VON OHR – ACT ONE»

Urs Rihs am Samstag den 3. Februar 2018

Die KSB-Serie «Frisch gepresst» bringt zum Vorschein, was in feuchten Kellerstudios und synthesizerbestückten Dachböden unserer Stadt an Mukke produziert wird – vornehmlich Elektronisches, aber grundsätzlich alles, was direkt ab Presswerk bei dem Urs auf dem MK landet.

Der erste von drei angesagten Akten, aus dem Klangsetzkasten von «OTTO VON OHR». Erschienen auf dem Liebefelder Label Prefermusic, Köniz-Suburbia-Sounds sozusagen. Oder im Falle «ACT ONE» vielleicht treffender «Leftfield»-Liebefeld-Tunes.
Wollte man VON OHRs Erstling verorten, er wäre dort am ehesten anzusiedeln, im IDM. Ohne vollends zu verkopfen aber, es ist keine abstrakte Scheibe, der Dancefloor bleibt immer in Reichweite.

Reichweite ist denn auch das Schlagwort, um kurz das kaleidoskopische Label zu bespiegeln.
Prefermusic vollbringt nämlich ein leider zu seltenes Kunststück: Den musikalischen Bogen mittels diversem Roster weit spannen, ohne dabei beliebig zu wirken. Nicht Kraut und Rüben, sondern eine Stringenz, aber nicht an der Oberfläche, sondern im Kern der Sache.
Weil sich die auf dem Label vereinten InterpretInnen nicht nur um ein Endprodukt, sondern auch stark um den Kreativprozess zu scheren scheinen. Eine künstlerische Überzeugungstäterschaft durch und durch.

Jazziges reiht sich da mühelos neben Produktionen ein, die mit Pop flirten oder Beatmaker Sachen an der Seite von mehrlagigen Electronica-Collagen, kein Problem.
Der Zusammenhang generiert sich hier eben über die Herangehensweise, Prefermusic Acts sind Trabanten ein und desselben Plans: Der Heirat von Konzept und Lockerheit. Und dabei dehnen sie nebenher und vielleicht gar nicht mal bewusst, stiere Kontexte zwischen Bühne und Tanzfläche. Forsch-verstiegen im Spagat zwischen Kunst und Club. Chapeau!

Dort steht denn auch OTTO VON OHR, zwischen zwei Polen – Experiment und Groove. Und dazwischen ist viel Platz zum Toben für diesen «Tinkerer», diesen Ton-Spengler, welchem es hörbar schwerfällt sich zu fokussieren. Denn in seiner Brust scheinen nicht nur zwei Herzen zu schlagen, sondern mindestens deren Zehn. Zum Glück! Hunderte eigene Ideen und ein übervoller Rucksack an Referenzen. Daraus resultiert ein vielfältiges, festgefügtes Werk und das klingt auch nach verdammt harter Studioarbeit …

Digitale Basslines neben analogen Soundfetzen, wechselnde Tempi und Rhythmen, Liveaufnahmen, Field Recordings und Sprachsamples, alles dicht vermengt und richtig fett produziert.
ACT ONE ist Techno, stellenweise organisch, an anderen maschinell, schön hin und her gerissen zwischen breiter Brust auf dem Bass und brüchigen Patterns im Hintergrund.
Motor der Platte ist darum auch ein antreibendes Antagonistenpaar: Überzeugung und Zweifel – und zusammenfassend ist dies Beleg dafür, dass für fordernd-gute KunstKlubmusik das Zerwürfnis aller Anfang scheint. Spread the word!

OTTO VON OHR mit ACT ONE – der erste von drei
und wir warten gespannt auf die nächsten zwei.

OTTO stammt ursprünglich aus dem Osten, spielt aber keine Rolle, denn er flieht auch gerne mal gen Süden – seine Küchenutensilien sprechen Bände.

 

Frisch gepresst #8 «HOT JAM 07»

Urs Rihs am Donnerstag den 18. Januar 2018

Die KSB-Serie «Frisch gepresst» bringt zum Vorschein, was in feuchten Kellerstudios und synthesizerbestückten Dachböden unserer Stadt an Mukke produziert wird – vornehmlich Elektronisches, aber grundsätzlich alles, was direkt ab Presswerk bei dem Urs auf dem MK landet.

Matto und Matsuki mit ihrem mittlerweile siebten Release, sitzen in der kleinen Küche, trinken Wein und sinnieren über Mike Dunn, Jeff Mills, über legendäre Tracks, Edits und Grooves. Zwei Buddys am Nerden, sprechen über die schönen Sachen. Produzieren, Auflegen, Partys – Geschichten die nur der Klub so schreiben kann.

HOT JAM since ages, die Zwei sind nicht bloss Produzenten und Dj’s – mit stählernem Drehmoment an den Tellern by the way – sondern vor allem Archivaren der städtcheneigenen Dancekultur. Das hört man ihren Produktionen an, vor allem aber ihren Anekdoten.

Oral history eigentlich, durch Storytelling – wie sonst erhält sich die Geschichte einer Szenenentwicklung in einer Stadt wie der unseren?

«Als wir letztens vor einem Set beim Abendessen mit Philip Lauer – der 50% des Remix-Master-Duo’s Tuff City Kids aus Hessen ausmacht – über legendäre Nächte und die darauffolgenden trüben Morgen in Bern lachten, war der Weg zum Remix meines eigenen Stückes geebnet, trotz des übervollen Studiokalenders der Kids.» erzählt Matto mir mit einem breiten Grinsen, gefolgt von paar weiteren Räuberpistolen.
Freundschaft vor Business, so muss das, und so wird gegenseitiger Respekt im Klub eben quittiert.

HOT JAM 07 – Matto und Matsuki ballern darauf wunderbarst nach Lustprinzip.
Ein Fuss im Ghetto, die Zungenspitze am Acid und das Herz natürlich auf dem verschwitzten Dancefloor.
Alles wummert schön hypnotisch irgendwo zwischen kaputtem House und tiefem Techno vor sich hin und wird durch den Pop-Touch der Kids beim Remix des original brettharten «Dark Planet» um eine blinkende Facette erweitert und aufgebrochen. Ein sauhübsches Ding durch und durch!

– In Detroit trafen einst Basslines von George Clinton auf die Ideen von Dieter Meier. P-Funk auf Synth-Pop und bildeten damit einen Grundstein für Techno.
In Ibiza ebnete der Visionär Alberto Fiorito den Weg für den Rave auf der grossen Insel im Norden.
Und in Bern traf eben glücklicherweise Matto mal auf diesen Matsuki – HOT JAM, da darf gerne noch vieles kommen.

The HOT-JAM 07 on it’s way to be toasted for real.

Frisch gepresst #7 «Der Doppelpack»

Urs Rihs am Samstag den 21. Oktober 2017

Die KSB-Serie «Frisch gepresst» Bringt zum Vorschein, was in feuchten Kellerstudios und synthesizerbestückten Dachböden unserer Stadt an Mukke produziert wird – vornehmlich Elektronisches, aber grundsätzlich alles, was direkt ab Presswerk beim Urs auf dem MK landet.

Zwei neue Releases aus der Hood bespitzlichtet hier, selten genug Thema im gedruckten Schrieb –  leider – die kleinen Feinen aus der Region mit internationaler Ausstrahlung gleichwohl. Erstens «It’s Not Who You Know, It’s Whom You Know» von fbcfabric&reindeer, herausgebracht von MISM (Bern/Zürich) und zweitens «LOOD(008) Relight V.A.», das Neue vom noch jungen Label LOOD (Zürich based aber mit Berner Wurzelwerk). Beide beim Durchforsten der lokalen, mehr oder weniger unter IDM subzusummierenden Neuerscheinungen hängen geblieben, weil etwas abseits des Konformen stehend und weil beide so erdeschön nachhallen.

«It’s Not Who You Know, It’s Whom You Know» ist eigentlich ein neu aufgelegter Klassiker. 2005 auf Silberling erschienen, jetzt auf Vinyl sakralisiert.
fbcfabric&reindeer sind ein angstgepeinigter Tonkünstler und ein von Depressionen gejagter Schreiber, beide von der Insel. Zum Frickeln zusammengefunden – ihr bildstarkes Soundwerk ist Zeugnis eines Glückfalls, ein Hörbeispiel in Selbsttherapie. Ratternde Züge, Regen auf Betton, Analograuschen von Röhrebildschirmen, verwoben mit düsteren Vocals und diesen Beats englischer Facon. Trip-Hop, Weirdo-Rap, ein Hauntology Pionier Album, welches dem Verdruss über die verlorene Zukunft mittels organisch verzerrten Klängen aus der Vergangenheit Herr zu werden versucht.
Dass diese Scheibe zwölf Jahre nach ihrer ersten Umdrehung noch von Laser auf Nadel wechseln darf, stellt Label und Interpreten als Überzeugungstäterschaft. Die Zeiten des Indie-Raps mögen aktuell etwas gezählt sein, doch die Tiefe dieser dreifach 12-Inch wird noch lange überdauern. Eine Perle fürs Plattenregal.

check out MISM

LOOD, «Light of Other Days» 2015 gegründet von HOVE, in hiesigen Gassen auch als Marc von den Round Table Knights bekannt, und Le Frère. Two real houskeepers – House ist die Leitplanke, aber das Label fächert mit seinen Releases das Spektrum elektronischer Musik kaleidoskopisch auf. Balearic, Ambient, Technoides – für die aktuellste Scherbe wurden auf LOOD bereits veröffentlichte Tracks zum Remix an Freunde weitergereicht, um die Stücke wachsen zu lassen. Da kommt das Dj-Mindset der beiden zum Tragen, im Klub funktioniert Musik nur im Zusammenhang und richtigen Mischverhältnis, bestenfalls.
LOOD(008) Relight V.A. beweist, dass auch bei uns substanzieller Dance wächst und gedeiht. Wer hier Lunte riecht, nehme sich in Acht, addictive shit!

check out LOOD

Frisch gepresst #7 «FRANK SPIRIT – LIVE IN STRASBOURG»

Urs Rihs am Donnerstag den 25. Mai 2017

«Frisch gepresst» die Serie auf KSB; bringt zum Vorschein, was in feuchten Kellerstudios und synthesizerbestückten Dachböden unserer Stadt an Mukke produziert wird – vornehmlich Elektronisches aber grundsätzlich alles was direkt ab Presswerk auf meinem MK landet.

FRANK SPIRIT – diese Freigeister – wobei, um genau zu sein «frank» meint ja eigentlich ehrlich und offen. With frank spirits, you wish to share your needs with!
In diesem Fall sind das analoge Tonmaschinen, in allen Formen und Farben und die daraus resultierenden Rhythmen – tanzbar, relaxt, smooth.

Für die Nerd Fraktion, damit klar wird womit hier angerührt wird: AKAI MPC 1000 – ROLAND TR 707 – JOMOX AIRBASE 99- MOOG MINIATUR – KORG POLY 800 – YAMAHA TX8IZ – ROLAND JV 2080 – AKAI MIC 42 – MOOG MF DRIVE – STRYMON EL CAPISTAN –BOSS RE 20 – MOTU MIDI EXPRESS.

Genug des Kauderwelsches jetzt aber – schliesslich berichtet hier selbst ein totaler Laie. Und um die Spirits zu lieben, brauchts sowieso nichts mehr als ein Faible für warme Sounds und etwas 90’s love in your heart! Funk Bastard und Azul Loose Ties – letzterer hat mit seinem Debut-Release «Harmonise EP» erst grad hart Welle gemacht – und der Bastard ist eh ein Rastloser. Mit seinen Dance-Anlässen, Label und handgelöteten Rotary Mixern – Brain & Device plus Varia Instruments lassen Grüssen.

Zusammen sind sie eben «FRANK SPIRIT», unterwegs in der Welt der Heads – weil es zu zweit einfach ein bisschen mehr Vibe hat – kürzlich gar auf Japantour und natürlich immer wieder mal im nicht allzu fernen Euroland. Da ist auch das frische Tape entstanden – live in Strasbourg – bei Freunden im Mudd Club, eigentlich ein Punk Schuppen. Aber mit dem richtigen Equipment lässts sich ja schnellstens umdisponieren. Der Live-Timbre ist auf der Aufnahme denn auch schön auszumachen, gerade am Anfang, ein klein wenig Ambient-Mic und schon wähnt man sich auf dem Dancefloor…

Releast haben die Beiden übrigens wie sichs zur Zeit gehört, beim einzig wahren Tape Label unserer Stadt: TOXICO – der Blog berichtete schon.

Muskialisch wird auf den Pfaden Beatmakertum und four-to-the-floor House gewandelt, mit einem Touch Disco hie und da, sehr organisch, knisternd und natürlich, auf dem Magnetband, mit diesem beruhigenden Hintergrundrauschen.
Gönnt euch diese Kassette, macht sich gut im Deck oder im Walkman. Im Gestell sollte sie indes besser nicht landen. Das wär dann vergebene Liebensmüh.

The tape in it’s natural habitat – surrounded by analog machines – like back in the days in motown.

Frisch gepresst #6 «Miszellen»

Gisela Feuz am Mittwoch den 10. Mai 2017

Die KSB-Serie «Frisch gepresst» Bringt zum Vorschein, was in feuchten Kellerstudios und synthesizerbestückten Dachböden unserer Stadt an Mukke produziert wird – vornehmlich Elektronisches, aber grundsätzlich alles, was direkt ab Presswerk bei Konfuzius Rihs im MK landet. Oder ausnahmsweise auch mal im Briefkasten der Frau Feuz.

Der Berner Noise-Pionier Strotter Inst. alias Christoph Hess betätigt sich nicht nur als Musiker, sondern bastelt auch leidenschaftlich gerne Klangobjekte und Installationen. Entsprechend steht die Abkürzung «Inst.» sowohl für «Instrument» als auch für «Installation», wobei im Fall von Strotter Inst. nicht von gängigen Instrumenten wie Waldhorn, Gitarre oder Synthesizer die Rede sein kann. Es sind Plattenspieler, die bei Strotter Inst. dran glauben müssen, beziehungsweise mit normalen Nähnadeln und Gummibändern zu abenteuerlichen Klanggebilden gepimpt werden. Dabei entsteht denn auch der für Strotter typisch «unsaubere» Klang.

Für sein neustes Werk «Miszellen», eine 180 Gramm schwere Doppel LP aus weissem Vinly, hat sich der Herr Strotter nun auch als Regisseur betätigt, und zu fast jedem der Miszellen-Stücke einen passenden Video-Clip zusammengeschnitten, wobei aber auch hier nicht von Musik-Videos im gängigne Sinn die Rede sein kann. Alles eben ein bisschen anders im Hause Strotter Inst. Zum Glück auch.

Frisch gepresst #5 «To Do Without»

Urs Rihs am Donnerstag den 23. März 2017

«Frisch gepresst» die Serie auf KSB. Bringt zum Vorschein, was in feuchten Kellerstudios und synthesizerbestückten Dachböden unserer Stadt an Mukke produziert wird – vornehmlich Elektronisches, aber grundsätzlich alles was direkt ab Presswerk in meinem MK landet.

Lasst uns mit Labels beginnen, mit Majors und Indies. Majors: lassen wir bleiben. Indies: folgendermassen. Es gibt die sich unabhängig schimpfenden und trotzdem eben abhängigen Indies. Nach Auflage, Publizität und Erfolg dürstende, sich alle trotzdem an Anlässen wie m4notmusic treffende. Sich da mit günstigem Sekt und Billigbier abfüllende und danach networkende, provisionsfilzende.

Unweigerlich wichtig für die Musiklandschaft, unweigerlich unwichtiger sonst Kommentare bitte unten.

Dann gibt es verbissen alternative Indies – die Sturköpfe, die Stoikerinnen. Die abgehalfterten, die richtig kompromisslosen, optional mit street cred und Persönlichkeitsstörungen. Den Ethos des Scheiterns Echten leidenschaftlich hegend und pflegend, egal ob in Hi- oder Lo-Fi. Hauptsache kommerzielle Aspiration egal null – to do without.

Sie sind hart zu finden, zwischen wuchernden Mülldeponien auf Bandcamp und Soundcloud, schwer aufzuspüren ohne Agenten im Untergrund – denn auch dort gibt es viel Schrott. Doch sie sind da. Unsichtbar für den Hauptstrom, nur jenen bekannt, die tiefer schürfen oder selber produzieren – Dateien Goldgräber oder Tonträger Alchemisten.
Höchste Zeit den Lichtkegel mal wieder zu richten, auf genau ein solches Label. Etwas Bauchpinselei kann denen nicht schaden.

MISM Records, zu gleichen Teilen in Züri wie Bern zuhaus, fiftyfifty. Seit 2009 Vinyl und Tapes raushauend – nur Rohdiamanten versteht sich – nichts Geschliffenes, sondern harter, unverschnittener Stoff. Abstract rap, psychedelic Hip-Hop, prekäre Beats, experimentelle Arrangements – von Bastlern, verstreut über die ganze Kugel: James Reindeer, Bleubird, Bit Tuner u.v.a – noch Fragen? MISM, ein Haufen Aufmerksamkeitsgestörter, dem Versuch der sonoren Selbstmedikation erlegen – was ein Glück.

Aktuell mit einem Release aus dem nordamerikanischen Niemandsland: «To Do Without» vom rap-sorcerer «Babelfishh» – let’s talk it through.

Gefangen im Netz von Abhängigkeiten wäre der fishh fast verendet. Das Trockene hat ihn gerettet, komischerweise – und der Wald, doch dazu später. Sein neues 7 Track Minialbum, eine nicht nur wutgeladene Abhandlung aus der Abgeschiedenheit seines Bauwagens. Selbstversorgend, der Reizüberflutung trotzend, ein Leben im Diminutiv führend, und vielleicht gerade darum – ein Album auf seven inches Singleformat!

Sein Rap mehr Lyrik als Sprechgesang, die Versmasse in allen Regeln der Kunst auslotend, schwer verständlich zuweilen, für die dem Englischen nicht mutterredlich Zugefallenen vor allem. Doch nicht weiter wichtig, denn die Sprache ist hier auch Selbstzweck, geht spielend über den Wortsinn hinaus. Verzweiflung und Leidenschaft, Irrwitz und Virtuosität, universal verständlich.

Babelfishhs Sound gleicht Geistesblitzen, seine Stücke sind mehr Fetzen als Stücke. Ein Mantra auf die willkürlichen Auffassungsspanne des Geistes vielleicht. Das Gehirn folgt keinem Plan, brauchts auch nicht – to do without.

Ein Stromschlag in einer Fabrikhalle, wo er zu entfremden pflegte, bewegte Babelfishh zum drop-out. Er kehrte einfach nicht zurück, klingt romantisch – ist es nicht. Obwohl er danach mit Hund, Freundin und rudimentärem Mobilheim unter Bäume flüchtete. Kein Geld, keine Motivation und zu viel Teufel Alkohol. Er musste grundsätzlich umkrempeln. Lange Zeit hatte er die Musik und Mystik verbannt, sein Zurückfinden katalysierten vor allem die Heads bei MISM. Es gibt keinen tieferen Sinn in dieser Anekdote. Schlicht schön ist er nicht ganz gestrandet, ein Danke in den Kosmos an dieser Stelle.

Aus der Periode am Fliessband bleibt etwas Bemerkenswertes, etwas Konstruktives – etwas was zu hören ist. Aus den sonst hochverdichteten, industriell-knisternden, drumdominierten Instrumentals, scheint plötzlich fleckenweise Erdiges durch – Organisches. Gitarre, Harmonien, Roots. Während dem Schichtbetrieb schepperte Country aus dem Fabrikradio, vom Vorarbeiter eingestellt. Babbelfishh entwickelte eine Faszination für die banal durchschlagenden Texte und für die Eindringlichkeit der Melodien. Babelfishh, der gebeutelte streetpoet im Wald, inspiriert vom Folk, would have been sad – to do without.

Get that 7 inch folks, ihr habt schon dümmer Geld verprasst!

 

Frisch gepresst #4 «KASPASE 7»

Urs Rihs am Donnerstag den 29. Dezember 2016

«Frisch gepresst» die Serie auf KSB. Bringt zum Vorschein, was in feuchten Kellerstudios und synthesizerbestückten Dachböden unserer Stadt an Mukke produziert wird – vornehmlich Elektronisches, aber grundsätzlich alles was direkt ab Presswerk Spulwerk auf in meinem MK Kassettenrekorder landet.

Eigentlich wollte ich zuhause nur gemütlich meine Grippe durchziehen, als plötzlich eines meiner Burner klingelte, kurzerhand den Jakob Ejersbo – LIBERTY – zur Seite gelegt und rangegangen: «Hey it’s NARCO MARCO here, I have some re-up for you Suave, tapework called ‘KASPASE 7’, get it at the spot, over and out!»
Ich werf den Knochen beim Rausgehen in die nächste Tonne, wie hat der nur diese Nummer gekriegt? Naja, auf zum Spot und die Ware begutachten, bleibt ja nichts anderes übrig, trotz üblem Katarrh, that’s business.

Die Ware ist – wie erwartet – vom Feinsten. Da gibts nichts zu husten, sauber gespult, schön geschnitten, rough street-stuff für Audiofetischisten. Die Kassette knallt, die Tonbandsättigung tut das Ihrige dazu bei, brutal warm, dicke Bässe, prägnante Höhen, leichtes Hintergrundrauschen, 80‘s style. Like riding the golden dragon…

Liebhaberhandwerk, sowieso nichts besser als das «there is nothing stronger than the heart of a volunteer nerd» hat mal einer gesagt, true shit.
Die Integrität von Enthusiasten; eines der besten Heilkräuter gegen Misanthropie. Aber Schluss jetzt mit Metaphysik und back to topic, da wummert schliesslich immer noch – schön roh und dreckig – ein neues Tape in meinem Walkman. Diesen Beitrag weiterlesen »

Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft (und die Musikszene)

Roland Fischer am Dienstag den 13. Dezember 2016

Es ist ja bald Weihnachten, also warum nicht schon mal ein wenig spendabel sein? Pamela Méndez hat sich viel Zeit gelassen mit ihrem zweiten Album, nun steht es gewissermassen fertig abgemischt in der Garage, aber bis zum Release, bis zur ersten Ausfahrt, fehlen noch ein paar tausend Franken. So wird das etwa tönen:

Und so klingt es schon mal live, im kleinen Rahmen:

Man hört das klassische Singer-Songwriting noch hinaus, aber diese Musik will noch ganz woanders hin. Wenn man ihr dabei helfen will kann man das hier tun.

Frisch gepresst #2 ‘Grauzone Marzili’

Urs Rihs am Samstag den 22. Oktober 2016

«Frisch gepresst» die Serie auf KSB; bringt zum Vorschein, was in feuchten Kellerstudios und synthesizerbestückten Dachböden unserer Stadt an Mukke produziert wird – vornehmlich Elektronisches aber grundsätzlich alles was direkt ab Presswerk auf meinem MK landet.

Vor zwei Wochen noch mit HOT-JAM an der Sonne von Capri, heute mit re:st knöcheltief im Morast von Bristol und South London. Die Szenerie ist damit schon mal umrissen, es geht um Bassmusik, the UK Shit und zwar um die richtig dunklen Ecken davon.

footage by "der urs photography"

footage by “der urs photography”

Schauplatz nur einen Treppenstieg von der Bundesterrasse entfernt, im lauschigen Marzili, dort befindet sich nämlich, in einer unscheinbaren Altbauwohnung, ein archimedischer Punkt der Berner Electronica Szene. An alle Freaks «Electronica» ihr wisst es natürlich besser als ich, aber eine genaue Genre-Ausbeinelung wäre Nerdtalk und bleibt darum an dieser Stelle mal aussen vor. Dafür bleibt ein Freak im Fokus, LCP: Dj, Labelgründer, Veranstalter, leidenschaftlicher Frickler und, am wichtigsten hier, ein verdammt guter Typ. LCP ist ein Getriebener, mit einem stoisch anmutenden Schaffensdrang; kein Hektiker, kein Strohfeuerentfachter, vielmehr wirkt er wie ein Ingenieur. Einer der beobachtet, analysiert, um sein handwerkliches Können weiss und schlicht nichts anbrennen lässt. 2010 lancierte er sein erstes eigenes Label Luana Records mit Schwerpunkt instrumentalem Hip-Hop und konfus rhythmisierter elektronischer Musik. Darauf wurden Perlen von Spinnern wie Bit-Tuner oder Feldermelder veröffentlicht, um nur zwei beim Namen zu nennen. Mit sich schleichend, aber stetig wandelnden persönlichen Vorlieben, wurde Luana 2015 aber ad acta gelegt und re:st entstand. Die Brennweite wurde dabei etwas eingeschränkt. «re:st soll kompromissloser sein» erklärt mir LCP und spricht dabei nahezu zärtlich von seinen Labels.

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