Archiv für die Kategorie ‘Elektronisches’

Psychedelischer Herbst

Ruth Kofmel am Donnerstag den 13. September 2012

Zukie 173 – DJ, Mitglied des Elektronik-Trios  Jagged, Plattensammler und einer der leidenschaftlichsten Musikenthusiasten, der mir bekannt ist, hat sich in diesen trüben Tagen der Idee des Teilens angenommen. Sein Herbstmix fängt nicht nur mit einem eloquenten Plädoyer fürs Teilen an, sondern setzt das auch gleich in Tat um. Und so stellt er seinen Herbst-Mix auf Soundcloud zum runterladen bereit.

Dieser ist proppenvoll mit auserlesenen Musikstücken, die einem tristen Herbsttag im Nu eine angenehme Wohligkeit verleihen. Seine äusserst umfangreiche Plattensammlung gibt immer wieder Erstaunliches her, was auch aus der guten Stube unkompliziert via Radio mitverfolgt werden kann und zwar jeden Montag von zehn bis elf Uhr Abends auf Radio RaBe. Zusammen mit DJ sEar, einem weiteren fanatischen Plattenhorter, legt er in ihrer gemeinsamen Sendung Worldwyld seine Glanzstücke auf die Plattenteller. Reinhören sei wärmstens empfohlen.

Kork, Gurken, Käse

Ruth Kofmel am Donnerstag den 6. September 2012

Das Outfit der neusten Veröffentlichung auf dem Label Mism-Records versprüht einen Hauch Sechzigerjahre-Romantik: Eine Korkhülle aussen drum und die Platte selbst ist mit Käse und Cornichon dekoriert – die Musik allerdings hat wenig gemein mit einem lauschigen Raclette-Abend anno dazumal, sie ist ganz und gar im Hier und Jetzt zu Hause.

Zwei schwere, basslastige Beats, einer von Meienberg und einer von Bit-Tuner werden vom Genfer Fai und dem Enländer Reindeer «berappt». Den Beats wie den Raps hört man die langjährige Auseinandersetzung mit Musik an – und die damit verbundene Könnerschaft auch.

Die Labelchefs schaffen es dank Ihren langjährigen Beziehungen in der Alternativ-Rap-Szene und der Elektronik immer wieder, internationale mit hiesigen Musikschaffenden zusammenzuführen und diese Kollaborationen in Eigenregie herauszugeben und unter die Leute zu bringen.

Wie immer auf Mism-Records sind die Scheiben nur in limitierter Zahl vorhanden. Falls also Ihr Herz gerne mit verschleppten Beats gleichschlägt, wird sich ein zeitnahes Reinhören lohnen.

App-Gefahren

Roland Fischer am Dienstag den 21. August 2012

Es ist nur natürlich – auch Postautos wollen mit der Zeit gehen. Nachdem sie sich mit Surf- und Überwachungstechnologie aufgerüstet haben, kommt nun auch noch die Postauto-App, wie man unlängst auf dem bordeigenen Unterhaltungs- und Informationssystem hat erfahren können.

Natürlich fahren die so ausgerüsteten Postautos nicht nur ins Appenzell. Und natürlich gibt es auch noch viele weitere Ferien-Apps – und ebenso viele weitere lustige iKalauer. Nur schon der Appetit. Oder, für die etwas mutigeren Sprachspieler, die Abzocke. Und ab und zu fällt auch dem gestressten Online-Redaktor mal was ganz Originelles ein.

Bleibt eigentlich nur eins zu sagen: Papperlapapp. Oder doch gleich Shut app?

Vor einem leeren Plastikrasen

Bjørn Schaeffner am Donnerstag den 21. Juni 2012

Es gibt noch etwas nachzutragen – «die Uhren ticken einfach langsamer hier in Barcelona», meint unser Korrespondent lapidar. Soll gelten, er wäre ja sowieso ein paar Tage zu früh gekommen mit der Mittsommernacht.

Das nennt man einen gelungenen Auftakt. Also eigentlich ist es der gelungene Abschluss eines gelungenen Auftakts: Mit «Snooze 4 Love», dieser filigranen, wunderbar-blubbernden Synthie-Meditation des Norwegers Todd Terje, eine Art Wiegenlied für Dancefloors, lassen Radiorifle ihr neunzigminütiges Sónar-Set ausklingen. Ein schon fast augenzwinkerndes Statement zur noch halb-schläfrigen Stimmung im Festival-Zelt, denn getanzt hat noch kaum jemand an diesem Samstag. Die Leute trudeln erst ein, hier zur Sónar by Day, das sich jeweils kurz vor der Mittsommerwende in der Altstadt Barcelonas ans Museum für Gegenwartskunst schmiegt.

Radiorifle am Sonar in Barcelona

Man könnte es als undankbar bezeichnen, als erster Act vor einem fast leeren Plastikrasen zu spielen, wäre dies eben nicht das Sónar, dieses immer noch wichtigsten Festival für elektronische Musik in Europa. Später wird in diesem Zelt DJ Harvey auflegen, die bärtige Disco-Legende, der ganze Armeen von Club-Eklektikern mit seinem Anything-goes-Credo infiziert hat. Über vier Ecken – und zwei Generationen von Plattenlegern – hat Harveys Segen wohl auch die beiden Residents des Berner Bonsoir-Clubs und Alumnis der Red Bull Music Academy erreicht, machen die beiden doch einen formidablen Job: ihr Introset ist eine sonnendurchflutete Vierviertelmelange, ausnahmslos distinguiert und ellentief im Soul verwurzelt. Wenige Minuten nach ihrem Gig trifft man sich im Pressebereich und prostet sich mit einem Bier zu. Den Radiorifle-Artisten steht jetzt ein wohliges, ja irgendwie postkoital-seeliges Lächeln ins Gesicht. Man denkt dabei: DJ-Schweiz, volle Punktzahl.

Norient: Klangstudie Schweiz

Gisela Feuz am Samstag den 19. Mai 2012

In Bern sei also deutlich mehr gelacht worden als in Züri, stellten die drei Herren vom Kollektiv Norient im Anschluss an ihre Klang- und Bildperformance im Kino der Reitschule fest. «Sonic Traces: From Switzerland» heisst «das klingende Biest» (Der kleine Bund vom Freitag), in welchem Thomas Burkhalter, Simon Grab und Michael Spahr sich die Schweiz vorknöpfen oder genauer: Wie diese klingt.

Foto: Christian Krebs

Während genau einer Stunde betrieben die drei Norient-Herren eine klangliche Fallstudie zur Schweiz und kreierten so einen wunderbaren Dokumentarfilm für die Ohren. Munter wurden da Jodlerchörli manipuliert, aktueller Pop und Hip Hop fand ebenso Platz in der Klanginstallation wie der Räuber Hotzenplotz, Jack Stoiker, Sportreporterlegende Hans Jucker oder abstrakte Clubmusik von Bit-Tuner, improvisierter Jazz, Insektenbrummen und SBB-Bahnhofsdurchsagen. Dazu wurden visuell Statements von Musikern miteinbezogen, welche sich zur Befindlichkeit des schweizerischen Musikschaffens äussersten. (Im Bild oben links Herr Filewile, gemäss Steuerverwaltung «Hobbymusiker»)

Es war eine wahre Freude, den drei Norient-Herren zuzuschauen, wie sie tief über ihre Plattenspieler und Laptops gebeugt wild an Knöpfen herumschraubten und so zusammenbrachten, was auf den ersten Blick so gar nicht zusammenpassen will, es aber doch wunderbar tut. Die ganze Performance habe fixe dramaturgische Punkte, an welchen man sich orientieren könne, dazwischen werde aber improvisiert, was das Zeugs hält, erklärt Video-Chef Spahr im Anschluss. Verschiedenste Aspekte, Meinungen, Auffassungen und Blickwinkel wurden da audio-visuell aufgezeigt und genau diese Widersprüchlichkeit war zum Teil ungemein komisch, zumal die Gegensätze dann eben doch wieder komplementär zueinander stehen. Welcome to Switzerland. Sehr schön war das!

«Sonic Traces: From Switzerland» wird morgen Sonntag im Haus für elektronische Künste in Basel aufgeführt, vom 31.8. bis am 2.9. am Theaterspektakel in Zürich und am 28. und 29. September im Schlachthaus in Bern.

Im Juli gehts raus aus der Laube

Benedikt Sartorius am Mittwoch den 2. Mai 2012

Seit Februar 2011 suchte der Berner Ableger des Kulturbüro neue Räume. Die Annonce damals ging so: «Ca. 100 – 200 m2 Verkaufs- und Arbeitsfläche, Lager separat. Mit WC. Stadt Bern, möglichst zentral, je nach Standort auch in der Lorraine, Breitenrain, Länggasse, Matte etc. Gut mit ÖV erreichbar. Parkplatz oder Garage für unseren Mietbus. Nur langjähriger Mietvertrag.»

Nun ist ein neuer Standort gefunden: Dieser liegt in naher Nähe der Rathausgasse, genauer an der Brunngasse 58, und bietet dank Zugang zur Grabenpromenade einen weiteren Blick als bis anhin unter den Lauben.

Gezügelt wird im Juli, und ab Ende des Sommermonats darf kulturproduktionsspezifisches Equipment dort ausgeliehen werden. Für Zaungäste wie mich bleiben die wechselnden und immer lohnenden Schaufenster.

Rundherundherundherum

Roland Fischer am Dienstag den 1. Mai 2012

Binsenwahrheit des Tages: Bilder zeigen nur einen Ausschnitt der Welt. Stimmt allerdings nicht immer, Wunderwerke der Digitaltechnik sei dank:

Aber musste es erst 2012 werden, damit wir so einen Rundumblick auf die Welt tun können? Durchaus nicht, schon vor 200 Jahren hat man sich an derlei Panoramen versucht. Allerdings ging es damals ein wenig länger, einen 360-Grad-Blick festzuhalten. Fünf Jahre, von 1809 bis 1814, hat der Basler Marquard Wocher am ältesten erhaltenen Panorama der Welt gearbeitet. Es zeigt auf sage und schreibe 285 Quadratmetern ein perfektes Thuner Stadtidyll und steht heute im Schadaupark.

Einen Besuch ist das Thun-Panorama vor allem deshalb auch heute noch wert, weil das alte Gemälde mit immer neuen Sonderausstellungen ergänzt und kontrastiert wird. Derzeit spielt der Zürcher Illustrator Ingo Giezendanner (alias GRRRR) mit der musealen Thun-Beschaulichkeit, indem er ihr die Tunis-Lebendigkeit gegenüberstellt. Giezendanner hat eigens für den Ausstellungsraum ein fragmentiertes und sich beim Betrachten immer wieder veränderndes Stadtpanorama gezeichnet, das aus 360 locker 720 Grad (oder noch ein paar mehr) macht. Kunst kann sowas.

Streicheinheiten

Ruth Kofmel am Mittwoch den 18. April 2012

Beim Wort Streichquartett denkt meinereins an klassische Konzerte, gespielt in kühlen Kirchen. Dass das einmal mehr ein sträfliches Vorurteil ist, beweist das Berner Streichquartett Kaleidoscope String Quartet. Bei denen geht es eher hitzig zu und her. Es wird in allen möglichen musikstilistischen Teichen gefischt und immer wieder ein kapitaler Fang an Land gezogen, der schillert und zappelt und hervorragend schmeckt.

Am besten treffen die vier Streicher aber meinen Geschmack mit dem reduzierten Remix des Stücks «One Life?» von Patrik Zeller. Dazu hat der Gestalter Steven Götz ein verträumt schwebendes Video geschaffen.

Auch sehenswert ist die kleine Interviewrunde mit den Machern von Stück, Remix und Video.
____
Das Kaleidoscope String Quartet spielt am ersten Juni im Moods im Halbfinale um den diesjährigen ZKB Jazzpreis.

Reintanzen in den Congotronic

Benedikt Sartorius am Samstag den 7. April 2012

Eine unglaubliche Qual der Wahl herrscht in diesen Ausgangs-Festtagen, zumal für Freunde und Freundinnen von tanzenden Beats. Unsereiner entschied sich nach dem donnerstäglichen Kugel-Auftritt von DJ Shadow im Dachstock für einen Ausflug ins Thuner Mokka, wo Konono No 1 ihre «Musik aus dem Ersatzteillager» präsentierten.

Ihre Daumenklaviere – die Likembes –, die die Kongolesen an Verstärker anschliessen und durch Verzerrgeräte verfremden, geben den Ton und Bass an, das rudimentäre Schlagzeug und die Congas den durchgehenden Beat, in den man reintanzen muss: Zu Beginn ist diese Musik verwirrend und ungreifbar, wird dann aber immer klarer, zumal an einem Konzert in solch intimem Rahmen gut ersichtlich ist, wer was zu diesem Congotronic-Sound beisteuert. Und in der ständigen Wiederholung erreichen Konono No 1 die schöne Ekstase, die der Dancefloor immer wieder verspricht.

Nur schade, dass das Konzert an diesem Karfreitagabend dann doch ziemlich abrupt beendet war. Wobei: Ein Mangel an Weitertanzalternativen bestand ja gestern zum Glück nicht.

Goldener Wohlklang

Ruth Kofmel am Montag den 2. April 2012

Gestern Abend in die ausverkaufte Turnhalle, um ein Ohr von Céu zu nehmen – dem neuen Stern am brasilianischen Pop-Himmel. Mit nur einem Lied, welches ich mir im Vorfeld anhörte, war ich allerdings nicht gut gerüstet für den Abend. Ich stellte mir die Musik viel abwechslungsreicher, wilder und verschrobener vor und war dann leise enttäuscht, dass mehrheitlich hübsche Melodien gesungen und gespielt wurden, alle in ähnlich zurückgelehntem Tempo – schön, entspannt, einlullend, aber auch wohlbekannt und wenig anregend.

Allerdings gibt es nun wirklich Unangenehmeres, als von Wohlklang umspült zu werden. Dazu war Céu eine Augenweide im Goldfischkleid, mit langen Beinen und in Kombination mit ihrer warmen, einladenden Stimme bezauberte sie die Anwesenden mit Leichtigkeit. Die Menge hüftschwenkte sanft mit und war selig – alles in allem ein tip topes Schlafelixier für den Sonntagabend also.