Archiv für die Kategorie ‘Elektronisches’

Gemeinplatz #2

Oliver Roth am Dienstag den 9. Juni 2015

In der letzten Samstag-Nacht gesellten sich die südamerikanischen Rhythmen des Cambia und Reggaeton neben die stampfenden Techno-Beats unter der Brücke vor der Reitschule.

Um direkt auf Frau Huckos Frage in ihrem letzten Beitrag zu antworten, was passieren würde, wenn Cumbia auf dem Vorplatz gespielt würde: Nun ja, nicht viel anderes als sonst. Menschen tanzen dazu, wie zu jeder anderen Musik auch. Allerdings war die Mischung von einem, nennen wir es klassischen Club-Publikum (Stöckelschuhe) und einem alternativen Openair-Publikum (Flip Flops) schon augenfällig.

Was noch fast spannender war als die soziologischen Beobachtungen, waren die akustisch-physikalischen: Wollte man sich nämlich ausschliesslich auf die Latino-Klänge konzentrieren, konnte man dies nur in einem ca. 10 m Radius um die kleine Bar unter der Brücke tun. In präzise ausgewählten Winkeln zu den Boxen stehend, war es unter sich mir nicht erschliessenden Umständen möglich den viel lauteren Techno-Klängen auszuweichen, die lediglich ca. 50 m weiter drüben donnerten.

Und so tanzten dann bei Fuego und Uringeschmack Raver neben Latinos auf dem gemeinsamen Platz, während drinnen die alten von der Chlyklass auf der Bühne vom Dachstock standen und ein mit ihnen gealtertes Publikum unterhielten.

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Möglicherweise etabliert sich unter dem Schlagwort Gemeinplatz eine neue Serie, in der bekannte Plätze in der Stadt einer kurzen Betrachtung ihres Zustandes unterzogen werden. 

Shake the Solar Mountain

Roland Fischer am Samstag den 6. Juni 2015

Warum ist es in Museen eigentlich immer so still? Manchmal hilft es der Kunst, dass sie weitgehend ungestört wirken kann, manchmal ist das beinahe Sakrale in den Kunst-Hallen aber auch allzu erhaben. Wie Kunst funktioniert, wenn sie nicht in flüsterleisen, sondern bebend lauten Räumen gezeigt wird, kann man heute in der Kunsthalle erleben. In Solar mountains and eternal flowers, einer Soundperformance des Young-Gods-Frontmanns Franz Treichler zusammen mit Aïsha Devi und Loten Namling, wird das ganze Gebäude mitunter ziemlich durchgeschüttelt.

kunsthalle

Die Performance ist der tolle Schlusspunkt zur übrigens sowieso formidablen Zwischennutzungs-Ausstellung von Donatella Bernardi. Treichler hat zu einer ihrer Installationen im Untergeschoss eine Tonspur geliefert – nun bekommt er die Gelegenheit, aufs ganze Haus überzugreifen, und er nützt sie mit schwerem technischem Geschütz und feinem Gespür für die Atmosphäre und das besondere Raumerlebnis in der Kunsthalle. Und für das aktuelle Ausstellungskonzept: Bernardi hat eine wunderbar geschichtete Ausstellung konzipiert, in der Altes und Neues, Eigenes, Angeeignetes und Fremdes auf subtile Weise ineinandergreifen. Die Soundspur von Treichler und seinen Gästen verwebt die Werke noch weiter, wenn man dem lebendigen Wispern und Dröhnen durch die verschiedenen Räume nachspürt. Hingehen, läuft noch bis 18 Uhr!

Girls Born to Shop

Milena Krstic am Freitag den 5. Juni 2015

Am gestrigen Kultur Blind Date im Hauptsitz hat ein Kinderspielzeug dem Künstler, der es bespielt hat, fast die Show gestohlen.

Julian Sartorius Hauptsitz

Es ist pinkfarben und hat ein paar vorgefertigte Samples gespeichert, die sich per Knopfdruck auslösen lassen. Es spukt dann Wörter wie «Fun» und «Okay» aus, die sich mit Disco-Beats unterlegen lassen, sogar ein kleines Key-Board ist integriert. Dieses Elektroschrott-Dings ist eigentlich ein Drumcomputer für  Sie haben es bereits geahnt  Mädchen! Und auf dem Gerät steht geschrieben: «Girls born to shop».

«Okay», sag ich da nur. Und so «fun»!

Dämmert es Ihnen bereits, um welchen Schlagzeuger es sich hier handelt (ausser, Sie waren vor Ort, dann erübrigt sich die Frage natürlich)?

Ins Hirn gespritzt

Roland Fischer am Dienstag den 2. Juni 2015

Ok, Bernbezug an den Haaren herbeigezogen: Ein paar Anregungen für Langsamsprecher. Und Schnellleser.

Kürzlich hat mir ein Freund erzählt, dass er es kaum mehr schafft, alle Radiosendungen zu hören, die er interessant fände. Dass man beim Podcast aber zum Glück oft die Abspielgeschwindigkeit wählen könne: anderthalbmal oder gar doppelt so schnell. Gut, er arbeitet selber beim Radio, déformation professionelle, womöglich. Aber ich fand die Idee doch ein wenig irritierend, die bekannten Radiostimmen je nach Wahl plötzlich in grosser Hektik – oder umgekehrt auch mit schwerem chemischem Geschütz sediert – zu erleben (und zwar auf vertrauter Tonhöhe, das ist heute ja technisch kein Problem mehr).

spritz

Allerdings hatte ich selber auch einen ähnlichen Speed-Moment, als ich zum ersten Mal Spritz ausprobierte. Die Anwendung verspricht

a focused reading experience and help readers get their content faster, with less effort and across any device or screen size.

Faster! Faster! Viel faster! Ohne viel Übung liest man da bald dreimal so schnell wie beim guten alten Zeile-für-Zeile. Man könnte süchtig werden nach dem Leseerlebnis, das sich anfühlt, als würden die Texte tatsächlich wie direkt ins Hirn gespritzt.

Baudenkmäler mobil

Roland Fischer am Donnerstag den 28. Mai 2015

Es war hier auch schon die Rede von mehr oder weniger geglückten App-Bezeichnungen – unter die Kategorie muss man wohl auch die «denkmappBE» zählen, die App des kantonalen Bauinventars. Aber Namen sind ja nicht so wichtig, Hauptsache die Anwendung ist gut gemacht. Und da ist man dann wiederum nicht so sicher, was man sagen soll. Zunächst einmal: schöne Sammlung von Infos zu alten (und auch mal nicht so alten) Baudenkmälern, gut aufgeräumt und zugänglich gemacht.

denkmappBe

Die einzelnen Baudenkmäler sind mit einem Foto illustriert, dazu erläutert ein Kurztext die besonderen Qualitäten des Objekts sowie seine Bewertung.

So schildert es der Kanton selber. Und weiter:

Auch die Lokalisierung der Baudenkmäler auf einer Karte gehört zum Angebot.

Und da muss man dann allerdings schelten. Was bringt mir die exakte Lokalisierung eines einzelnen Objekts, wenn ich doch lieber aufs Geratwohl auf einer Karte herumspazieren und dabei Entdeckungen am Wegrand machen würde, wenn ich also auf einer Übersichtskarte gern alle inventarisierten Gebäude auf einmal sehen würde? Da ging den Programmierern schlicht der wesentliche Punkt des Mobile Computing app – wenn man ein bestehendes Online-Angebot aufs Handy überträgt, dann sollte man sich schon noch ein paar Gedanken zur spezifischen Nutzung auf diesem Gerät machen. Nun muss ich auf einem Spaziergang immer zunächst die Adresse herausfinden, um ein interessantes Gebäude zu finden. Das Online-Angebot kann da insofern sogar mehr als das App, absurderweise.

Zweiter Schönheitsfehler – der ist allerdings höheren föderalistischen Mächten geschuldet und deshalb verzeihlich: Die Stadt Bern muss leider draussen bleiben, für die Quartierinventare ist die städtische Denkmalpflege zuständig. Vielleicht könnte man die Daten bei Gelegenheit mal dem Kanton rüberreichen, damit man sie in die App integrieren kann?

Kurznews: Das Volca Massaker Orchester

Christian Zellweger am Mittwoch den 6. Mai 2015

Sie sind wieder dran, die Damen und Herren vom Volca Massaker Orchester. Orange Anzüge und kleine Geräte mit noch kleineren Knöpfchen zeichnen das Kollektiv aus. Und natürlich: Der Mut zum Experiment. So sieht das aus:

#Yolocaust

Oliver Roth am Freitag den 10. April 2015

Letztens wurde  hier von Youtube und seinem zehnjährigen Jubiläum berichtet. Die kleine (zunächst unbewegte) Schwester von Youtube wird zufälligerweise dieses Jahr halb so alt: Instagram wird im Oktober fünfi.

Ich möchte nicht über die privaten Spiegelbilder von Kim Kardashian und Konsorden berichten. Viel besser ist es, auf Instagram mit Hashtags durch das globale Fotoalbum zu blättern. Da ist nicht nur die gesammelte und dann wieder missbrauchte Auflehnung gegen die Doppelmoral von Instagram unter #freethenipple zu finden. Sondern auch andere Phänomene, wie zum Beispiel das Hastag #Yolocaust.

Das Wort setzt sich zusammen aus der englischen Abkürzung Yolo und dem deutschen Holocaust. Yolo steht für «You only live once». Und der Holocaust bekannterweise für den Völkermord an der jüdischen Bevölkerung im Zweiten Weltkrieg.

Nun, was bedeutet Yolocaust? Eine kurze Webrecherche hat ergeben, dass es sich vermutlich um den Mord an allen Menschen «mit Swag» handelt, die das Wort Yolo inflationär gebrauchen, bzw. zu dieser Sozialen Gruppe zugeordnet werden. Eine Definition findet sich auch auf Instagram selber:

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Weitere Ergebnisse der Suche werden hier aufgeführt. Über die moralische Bewertung der Bilder verweise ich gerne auf die Kommentarfunktion in diesem Blog.

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Ich bin in der Röhre, Mutti.

Oliver Roth am Freitag den 27. März 2015

Youtube wird zehn Jahre alt. Zeit für Reflexion und Mini-Revue.

Erinnern Sie sich noch an das Video Leave Britney Alone? Ein Junger Mann zeigte der Welt, wie man sich emotional für einen Promi einsetzt. Das Video ist mittlerweile sieben Jahre alt und hat 49 Millionen Klicks. Damals hat es den Youtube-typischen Schneeballeffekt ins Rollen gebracht. Am Ende gab es Katzen, die Leave Britney Alone flehten. Viral = Youtube. Das Prinzip stimmt nicht nur für die hochgeladenen Videos, sondern auch für das Unternehmen selbst. Seit die Plattform ohne grosse öffentliche Resonanz im Juni 2005 online ging, kennt sie nur eine Wachstumsrichtung: nach oben! Schon ein Jahr später wurde sie von google für 1.65 Milliarden USD gekauft! Letztes Jahr wurden im Durchschnitt 300 Minuten Videomaterial pro Minute (!) auf Youtube hochgeladen. Die eigentliche Leistung des Unternehmens lag nicht im Anbieten von Inhalten, sondern die Möglichkeit Videos ganz einfach auf anderen Webseiten einzubetten.

Vielleicht erinnern sie sich noch an Star Wars Kid? Es ist neun Jahre alt und hat 30 Mio. Klicks. Eine Junge zeigte der Welt wie man mit einem Laserschwert abgeht.

Youtube ist längst auch in der Wissenschaft angekommen. Der Anthropologe Michael Wesch untersucht das Verhalten auf der sozialen Videoplattform und veröffentlicht seine Befunde selbstverständlich als selbstgemachte Videos. Auch die Soziologie, die Medien- und die Geschichtswissenschaft beginnen die Plattform als Quellengrundlage zu gebrauchen (hier die Playlists zum Hurrikan Katrina von 2005). Wenn auch (noch) nicht viral.

Schaltkreis-Massaker

Christian Zellweger am Mittwoch den 11. März 2015

Bern scheint ja kein schlechtes Pflaster zu sein für Musiker, die sich gerne in den Schaltkreisen, Oszillatoren und Filtern ihrer elekronischen Musikgeräte verlieren. Einmal im Jahr das Les Digitales, einmal im Monat der Club d’Essai in der Dampfzentrale, unregelmässig zum Beispiel R3s3t im Rössli bringen die Experimentalisten unter den Tänzern auf die Bühne, Luana Records holt die experimental-elektronische Welt nach Bern, und auch Everest Records kümmert sich seit gut fünfzehn Jahren um elektronische Seltsamkeiten.

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Während sich die einen in Kellern mit Synthesizern-Gestellen bis an die Decke und Kabel-Lianen verstecken und verheddern, setzen die anderen auf Reduktion. Das Volca Massaker Orchester gehört equipment-mässig klar zu den Minimalisten. Die namensgebende Volca-Reihe ist eine Serie von analogen Synthesizer-Kästchen der Firma Korg, die nicht mehr als 150 Franken kosten und sich auf das wesentliche beschränken: Beats, Bass, Keys (seit kurzem gibt es zusätzlich ein Sampler-Kistchen).

Die Orchester-Mitglieder sind keine Unbekannten: Es versuchen sich Maru Rieben, Sandro Ambrosi (Spacebox720/Trauma Duo), Marco Wild, Andreas Schmutz, Mäse (Beats on demand), Nicolas Kellner (Digitalis), Mich Meienberg (Everest) und Daniel Wihler (Alphatronic) auf den unpraktischen Ribbon-Mini-Tastaturen der Volcas.

Das hier vorgestellte Video ist alles andere als neu (es stammt aus dem November) aber trotzdem hübsch und soll Ihnen darum nicht vorenthalten werden – das Volca Massaker zu Gast bei der RaBe-Sendung Unerhörtes-Ungehörtes:

Übrigens: Mit einigen Metern mehr an Kabeln erzeugen auch Inside The Baxter Building experimentelle Elektronik. Am Donnerstag improvisieren sie im Hauptsitz, die Konkurrenz hat ihnen ein Porträt gewidmet.

Kreisch! The Dø entzücken im Bierhübeli

Milena Krstic am Freitag den 20. Februar 2015

Man hätte The Dø ein ausverkauftes Bierhübeli gewünscht, mit hüpfendem und ausflippendem Publikum. Stattdessen war der Konzertsaal etwa zur Hälfte voll, und Partystimmung kam erst gegen Ende so halb richtig auf. Gekreischt wurde trotzdem, und zwar vor allem wegen der Sängerin Olivia Merilahti, die zwar süss aussieht, es aber faustdick hinter den Ohren hat und mit ihrer Stimme die vierköpfige Band anführte.

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In allen Tonlagen sicher, rockte sie ihr in der Farbe Rot gehaltenes Konzeptoutfit und erschien am Schluss mit irgend so einer Dinosauriermaske … Schonoeasy.

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