Archiv für die Kategorie ‘Eins auf die Ohren’

So klingt Bern

Gisela Feuz am Mittwoch den 24. Februar 2016

Nach einer dreitägigen Hörreise durch unterschiedlichste Klänge, fulminante Hörspektakel und  experimentierfreudige Features ist das 6. sonOhr Festival seit Sonntag Geschichte. Und wer hat abgeräumt wer? Die Berner denk. Und die Neobernerinnen.

Da wäre zum einen Donat Hofer, der sich mit seinem Feature «Über Wellen zu den Wellen» den Publikumspreis geholt hat. Der Beitrag des Mannes von Kasse 6 – so der Name seiner Sendung beim Berner Kulturradio RaBe – ist ein sehr persönliches, offenherziges Reisetagebuch. Hofer schildert bildhaft und in breitestem Berndeutsch seine Reise mit dem Fahrrad an den Atlantik – eine Reise voller Leben, Glück, Waden- und Herzschmerz. Während der 28-Jährige mit seinem «Esel» durch malerische südfranzösische Landschaften den atlantischen Wellen engegenpedalt und auf allerlei Zeitgenossen trifft, gilt es auch einige innere Wellen zu bezwingen. Mit Musik von Muse, Züri West, Baze, Bubi Eifach  uva.

Und alle wollen sie eins auf die Ohren: sonOhr-Eröffnungsabend im Kino Rex (Bild: Roger Fähndrich)

Wie die KSB-Gerüchteküche weiss, ist die Gewinnerin der Kategorie «Fiction» gerade vorgestern nach Bern umgezogen. Christina Baron heisst die Dame, welche in ihrem Hörspiel «Nordlichter – ein Hörspiel in Mono(tonie)» plötzlich ganz alleine auf der Welt ist. Tag für Tag sendet sie als Radiomoderatorin ihre Nachrichten in die Welt hinaus, in der Hoffnung, dass sich vielleicht doch noch eine andere Menschenseele finden liesse. Warum plötzlich alle verschwunden sind, bleibt unklar. «Nordlichter» ist nicht nur klanglich formidabel, sondern sorgte nach der Vorführung auch für eine angeregte Diskussion, wie lange man wohl überleben könnte dank Lebensmitteln aus verlassenen Supermärkten. Fazit des Disputs: Irgendeinmal würde man wohl oder übel selber zum Spaten greifen und im Garten herumlochen und irgendetwas anpflanzen müssen, aber nach wie vielen Jahren das der Fall wäre, darauf konnte man sich nicht einigen.

Den Preis in der Kategorie Non-Fiction hat sich Martin Bezzola mit seinem Feature «La Nüvla da Pra Davant» abgeholt, in welchem sich der Klanggestalter auf die Suche nach Bergfeen im Unterengadin begibt. Last but definitely not least wurde Simon Grabs Hörspiel/Feature «Hirnmusik» als herausragendes Hörerlebnis prämiert. Und das ist es fürwahr.

Gemäss Information der VeranstalterInnen sind die diesjährigen sonOhr-Zahlen höchst erfreulich: 19 für den Wettbewerb nominierte Stücke gab’s im Kino Rex und im Kulturpunkt im Progr zu hören, wobei gesamthaft rund 1000 Eintritt gezählt wurden. Der serbische Klangkünstler Lukatoyboy hat übrigens während des Festivals in einer Live-Performance Töne und Geräusche zusammengeschnitten, welche Aussenposten aus den Gassen Berns per Funk übermittelten. Und so klingt die Hauptstadt:

 

P.S. Ja, die Links im Text führen nur zu Ausschnitten aus den Gewinner-Beiträgen. Sie müssen halt nächstes Jahr selber kommen, ätsch.

Kultur allein Zuhause #5: Emotionale Albumcharts 2015

Saskia Winkelmann am Samstag den 16. Januar 2016

Nichts ist schöner (ok, fast nichts), als anhand der eigenen Playlist das alte Jahr nochmals Revue passieren zu lassen. Eine Zusammenfassung der ganz persönlichen, äusserst subjektiven Albumcharts 2015 der KSB-Jung-Bloggerin Saskia Winkelmann.

Das Jahr ist nun gut zwei Wochen alt. Es ist viel passiert. Es war ein gutes musikalisches Jahr. Ich habe soviel Musik gehört wie in meiner gesamten Pubertät (von 10-23) nicht mehr. Hier folgt eine wahnsinnig emotionale Zusammenstellung meiner meistgehörten Alben 2015, vertreten mit jeweils einem Track/Lied/Song.

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Mir gäbe no eine …

Milena Krstic am Samstag den 26. Dezember 2015

… bevor wir ins Wochenede flattern.

Waren Sie schon mal backstage im Bierhübeli? Falls, nicht, bieten Ihnen S.O.S. (Dunstkreis Eldorado FM) mit Ihrem Video zum Song «FCKYU» die Gelegenheit dazu.

Fu**, **ck you motherfu**er und so weiter, Clip ab:

a=f/m :: Aporien EP

Saskia Winkelmann am Dienstag den 24. November 2015

Ich muss schon wieder über Musik schreiben. Mir ist nämlich ein sehr interessantes Tape untergekommen.

alphalpha

Schon länger geistern Tracks von einem Duo mit dem unaussprechlichen Namen, der einem so schon mal im Physik-Unterricht untergekommen ist, aus dem Dunstkreis Bern-Luzern in meinem Newsfeed rum. Sie selbst kürzen sich meist nur mit Alpha ab.

α=f/m steht nicht nur für Bewegung, sondern auch, seit der Kollaboration von Rolf Laureijs (seines Zeichens Wahlberner, Wavering Hands Head und HKB-Student) und Belia Winnewisser,  (aka. Palus Somnii, Mitglied von Silver Firs und Evje) für nicht weniger und für viel mehr als epischen Pop. Auf dem hiesigen Label Oh, Sister Records gibt’s nun endlich ein Release.

Kein Problem, ich hab euch den Tipp gern gegeben.

α=f/m spielen heute im Fri-Son und am Samstag im Südpol Luzern. Die EP Aporien erscheint am 27.11.2015 als Tape mit Download-Code auf Oh, Sister Records.

Kultur allein Zuhaus #2: Norin

Saskia Winkelmann am Freitag den 20. November 2015

EILMELDUNG zum Wochenende: Lust for Youth‘s (die lustigste Band auf Twitter) Frontmann hat einen ersten Track seines neuen Solo-Projekts NORIN online gestellt.

Die Platte erscheint im Dezember auf Posh Isolation.

P.S. Und jetzt geht in den Dachstock oder in die Dampfzentrale, ihr Kartoffeln, es ist Freitag! 

Kuba Caliente vs. Zürcher Hardcore

Gisela Feuz am Freitag den 20. November 2015

Es ist eine seltsame Mischung, die zur Zeit aus Johannes Hartmanns Wirkungsstätte gleich neben Frau Feuz’ Schreibwerkstatt erklingt: mal tuten lebensfrohe Cumbia-Bläser in ihre Trompeten, dann wieder dröhnen verzerrte Gitarren und Urschreie aus der Schnittkammer des Berner Filmemachers. Die Affiche lautet Caliente vs. Hardcore oder Kuba vs. Vale Tudo.

Bereits vor zwei Jahren haben sich die vier Hardcore Heavyweights aus Züri eine ungewöhnliche Destination für eine Konzertournee ausgesucht: Marokko. Mit im Gepäck hatten sie damals den Berner Filmemacher Johannes Hartmann, der über das Abenteuer in Nordafrika einen Dokumentarfilm drehte (KSB hat hier darüber berichtet). Nun hat sich Hartmann wieder mit der illusteren Truppe in einen Flieger gesetzt, dieses mal mit Destination Kuba, wo die Mannen acht Shows zu spielen gedachten.

Vor Ort wurden Vale Tudo von den befreundeten Überyou in Empfang genommen, einer Punk-Truppe aus Zürich, welche das ganze Kuba-Abenteuer angezettelt hatte, bei dem drei weitere Combos mit von Partie waren: The Strapones aus Thun, Joliette aus Mexiko und die kanadischen Polit-Punker Get The Shot. Eine muntere Männer-Schnaps-Riege hatte sich da also zusammengetan, die fortan mit dem Tourbus quer durchs heisse Kuba bretterte – mittendrin Hartmann mit seiner Kamera. Aus unzähligen Stunden Filmmaterial schneidet dieser nun 4 Episoden zusammen, die vergnüglich dokumentieren, mit welchen Widrigkeiten die Hardcore und Punk-Helden zu kämpfen hatten. Da kann ein Regenschauer schon mal das «Diktatoren-Set» verhindern und ein angezapfter Telefonmast muss als Stromlieferant herhalten. Eben alles ein bisschen anders in diesem Kuba. Aber schauen Sie doch selber:

VT Tour Diaries Cuba 2015 – Episode 2 from Decoy Collective on Vimeo.

In jeder der vier Episoden stellt Hartmann eine beteiligte Band genauer vor. In der ersten Episode waren dies Überyou, in der obigen Folge die jungen Wilden Joliette aus Mexiko. Folge Drei wird The Strapones gewidmet sein, Folge Vier dann den kanadischen Get The Shot. Geplant ist, dass die nächsten Episoden im Abstand von jeweils 10 Tagen herauskommen. Und dann ist dann auch mal wieder gut mit Caliente aus der Schnittkammer, findet Frau Feuz!

«Phil Collins isch ä richtige Grüsu»

Gisela Feuz am Mittwoch den 18. November 2015

Gerade mal 20 Monate nach Veröffentlichung der ersten Platte werfen BUBI EIFACH bereits ihren Zweitling #2 auf den Markt. Zack Päng. Dabei knüpfen die vier Mannen nahtlos an das Erstlingswerk an, spielen sich doch ihren Mundartrock immer noch sympathisch schnörkellos.

Der «Schnursiech mit Härz» Frontmann Bubi Rufener (Bishop’s Daughers, Allschwil Posse, Boop) ist in Bern bekannt wie ein bunter Hund. Und der Mannschaft an der Gerätschaft – Gere Stäuble (Züri West), Oli Hartung (Stop the Shoppers, Hank Shizzoe) und Ere Gerber (Gus MacGregor) – braucht man definitiv auch nicht zu erklären, wie der Rock’n’Roll-Hase hoppelt. Im Interview beim Berner Kulturradio RaBe berichtet Rufener darüber, wie BUBI EIFACH als Band zusammengerückt ist, outet sich als Phil-Collins-Hasser, erklärt weiter, warum ein Song der Aeronauten eigentlich vor jedem Konzert von BUBI EIFACH als Intro laufen sollte und weiss im Musik-Quiz mehr als Frau Feuz, dä Souhung! Das ganze Interview können Sie hier nachhören. Oder sie können natürlich auch zuerst mal eins Bowlen gehen mit den Spanuftis:

BUBI EIFACH taufen ihre Platte #2 diesen Freitag 20.11. im Mokka.
Und alle Fans von Revolting Allschwil Posse aufgepasst: Horny und Folio werden bald wieder in Erscheinung treten, wenn auch in etwas anderer Art.

Kultur allein Zuhaus

Saskia Winkelmann am Freitag den 13. November 2015

Menschenfrei Kultur geniessen in den eigenen vier Wänden. Tipps und Tricks. Diesmal ein Snyth-Pop-Mix  aus Wien und Ambientig-Droniges aus Bern.

Ich warte seit Monaten auf Beantwortung meines Antrages auf Prämienverbilligung. Manchmal nage ich an einem trockenen Stück Brot, während ich am Jahrhundertroman schreibe. Manchmal lade ich Leute ein, die bringen dann Wein. Oder ich blogge. Und dann brauche ich wieder den nächsten Schuss Kultur. Aber es ist so: Manchmal kann – oder will – ich nicht raus. Darum gibt es das Internet. Kultur allein Zuhaus ist möglich. Heute ist mir schlecht. Item.

1. Zu Minztee mit Zitronensaft

Voilà, mein persönlicher Mix der Woche. Synth-Pop und Italo-Disco Platten, fast nur 80er Perlen. Das ist der neuste Wurf von Bcksrckr, ich würde Mal sagen, einer der Menschen mit der besten Plattensammlung in Wien, einer grosse Stadt im Osten, die Bern gar nicht so unähnlich ist, im Fall (Belege? Nö. Aber ich kenn mich mit der Stadt bissi aus), von Goldcut Crates  Mal abgesehen. Beide gehören zu Whistleblower Publishing. Loset!

2. Zum Repetieren: To Stay Here Is My Right

Und das ist ein Nebenprojekt von Till/Tape (Bons Vivants) namens Antill Tape. Trifft meine November-Stimmung genau. Lange nichts mehr in der Richtung aus Bern gehört. Ich bin sehr gespannt auf mehr!

Praise the Internet. In Bern und überall. Amen.

Till/Tape spielt am 20. November im Dachstock mit Ulf Eriksson und  Sebastian Muellhart im Rahmen einer Midilux-Sause. Und Züge von Bern nach Wien fahren täglich vier Mal (mit nur einmal Umsteigen.) Übrigens: Wien ist auch Thema im aktuellen Zeit-Magazin. Erhältlich ab heute. Just in case.

Der Mann mit der Maske

Oliver Roth am Samstag den 12. September 2015

Gestern feierte Rou Puckt im Bonsoir seinen weltweit ersten Live-Auftritt. Im Rahmen des Musikfestivals Bern spielte der Mann mit der golden-glänzenden duck mask (not duck face) sein erstes Set vor Publikum. Im Juli veröffentlichte er seine Electronic-Rap-EP auf 7″ mit Video (KSB berichtete exklusiv).

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Gestern spielte Puckt erstmals vor Publikum und führte in einem energiegeladenen Set mit Synthesizer, Drummachine und Kinderspielzeug sein Können vor. Er haute die dicken Beats raus, die Street Melodien, die anvantgardistischen Raps ohne Worte – alles improvisiert, alles gebrochen, verspielt und zerstückelt. Ein schöner erster Auftritt, der noch viel länger hätte dauern können. Wir sind gespannt auf mehr Konzerte. Und auf ein Album?

Wunderbarer Clash of Culture!

Gisela Feuz am Freitag den 4. September 2015

Da haben sich zwei gefunden: Das Musikfestival Bern, welches gestern Abend im Berner Münster eröffnet wurde und in dessen Rahmen die nächsten 10 Tage institutionelle Klangkörper aber auch experimentierfreudige KlangkünstlerInnen ihr Schaffen vorführen. Und da wäre zum anderen das Mad Scientist Festival, welches Naturwissenschaft und Kunst zu verknüpfen trachtet. Beides sind interdisziplinäre Grenzgänger-Projekte, die gestern Abend im Bonsoir aufeinander trafen und dem Nachtclub einen Mix bescherten, den dieser so wohl noch nie erlebt haben dürfte.

In Anlehnung an den Teilchenbeschleuniger Cern haben Anne-Sophie Raemy und Ivan Mitrovic das Bonsi in eine grosse Imaginationsmaschine namens «Collider» verwandelt, in der während zwei Wochen Wissenschaftshistoriker, Philosophen und Theologen über ihre Arbeit und Ideen berichten, während Experimentierfreudige im wissenschaftlichen Spielsalon Experimente durchführen können (mehr dazu die nächsten Tage auf diesem Kanal). Zudem wird ein Late-Night-Konzertprogramm geboten, in dem verschiedenste Musiker in einer Art Konzertlabor mit eigenen Klängen und Aufnahmen des Musikfestivals experimentieren.

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Kuhglocken-Garderobe und Klang-Künstler TokTek

Das Konzertlabor, welches sich der Holländer TokTek gestern Abend eingerichtet hatte, passte einwandfrei in die Mad-Scientist-Idee eines wissenschaftlichen Spielsalons. Auf seiner Spielstätte hatte TokTek nämlich Quitschente, Cola-Dose, Klebeband, Drehkuh (wobei sich diese als Drehschaf entpuppte), Plattenspieler, Laptop und irgendetwas, das aussah wie ein Steuerknüppel aus einem Star-Wars-Raumschiff, versammelt, womit der zwirblige Holländer fiebrige, fragmentarische Klangcollagen generierte.

Derweilen schlug die Dame oben an der Kasse die Hände über dem Kopf zusammen, als eine Formation von 18 kernigen Mannen, jeder im Besitz einer grossen Kuhglocke, das Bonsoir enterte. Dabei war das Entsetzen keinesfalls auf die Herren zurückzuführen, die in ihren hellblauen Edelweisshemden ja adretteste Figur machten, sondern vielmehr auf die Tongewaltigkeit deren Instrumente. Die Befürchtungen, dass ToTeks Klang-Performance gestört werden könnte, erfüllten sich aber nicht, denn für die Herren Treichler war es eine Selbstverständlichkeit, dass sie ihre Instrumente auf stumm schalteten, an der Glocken-Garderobe abgaben und sich unter die Freunde experimenteller Klangkunst mischten. Was für ein wunderbarer Clash of Culture!

Mad Scientist Festival heute Abend im Naturhistorischen Museum Bern, «Collider» bis 13. September im Bonsoir. Musikfestival Bern bis 13. September an unterschiedlichen Spielstätten.