Archiv für die Kategorie ‘Eins auf die Ohren’

Lüttich, Alabama

Mirko Schwab am Freitag den 2. März 2018

«Oh, kann das jemand für mich reinstellen? Mein Compi ist abgeschmiert.» Sure thing, Fischer le Grand!

«Der Donnerstag ist ja längst der neue Freitag, in Grossstädten wie der unseren. Zumindest an manchen halbschattigen Plätzen, zum Beispiel in irgendso einem Wohnzimmer in Unternull-Stockwerken, an Unternull-Tagen. Und so wird der Les-Amis-Keller jeden ordinären Donnerstag Abend zu Thursday Le Grand, mit Querbeet-Konzerten und anschliessendem Plattenlegen. Gestern brachte das illustre VeranstalterTeam zwei Belgier in den Keller, die besser als Südstaatler denn als Nordnachbarn durchgehen würden. Wild und einigermassen dreckig war das, musikalisch wie textlich. Metoo klammern wir jetzt mal grosszügig aus. Ein wenig wie an der Fasnacht vielleicht: Manchmal muss man auch über die Stränge hauen, um die Stränge zu spüren. Guggenmusik für Leute mit ein bisschen mehr Menschen- und Musikverstand.»

Aber Fischer, seit wann ist denn Belgien unser Nachbarland? Ach, Europa.

Winternacht im Klo

Gisela Feuz am Montag den 26. Februar 2018

Gestern ging die 8. Ausgabe des sonOhr Radio und Podcast Festival zu Ende. Und was für eine Ausgabe das war! Spannende Vorträge zu hochaktuellen Themen gabs, wie etwa dem Erkennnen und Rückverfolgen von manipulierten Audiodateien. Oder aber über Podcasts von Third Ear, welche die halbe dänische Bevölkerung ins Kino locken. Die Westschweizer-Crew K7 Productions produzierte ausserdem mit viel Fantasie, Rasierschaum, Orangen und Klarsichtfolie den Klassiker «War of the Worlds» als höchst vergnügliches Live-Hörspiel und selbstverständlich wurden auch dieses Jahr wieder die besten aus 25 Hörstücken in vier Kategorien prämiert.

Einen sonOhr-Pokal nach Hause nehmen durften: Vanessa Kobelt für ihr Feature «Seeelenverwandt», Barbara Schibli und Andreas von Stosch für ihr Hörspiel «Marderschreck», Christina Caprez für «Die Schande, ein Weib zu sein: Grossmutter, die erste Pfarrerin» und Nico Leuenberger für «Winternacht im Züri-WC». KSB gratuliert! Der Letztgenannte reüssierte übrigens in der Kategorie Flashstory, also in der Kategorie für kurze Stücke. Auch wenn sie eher zu den visuellen Typen gehören, werte KSB-Lesende, so hören Sie sich doch trotzdem kurz Leuenbergers Mini-Reportage an, denn genau so macht man perfektes Kopfkino. Und erst noch passend zu der Gottverdammtenscheisskälte zum Wetter.

Rauchen im Gebüsch

Anna Papst am Mittwoch den 21. Februar 2018

Theaterprobe unter freiem Himmel am Magdi Elnour Theater Festival

 

Als Ahmed Abdel Mohsen die mit ihm befreundete Filmerin Elvira Isenring 2016 einlud, einen Workshop am Magdi Elnour Theater Festival in Khartoum zu geben, wusste sie vom Sudan bloss, was man in der Zeitung las. Und das war wenig. Die internationalen Medien und ihre Leser*innen waren mit der sogenannten Flüchtlingskrise beschäftigt, das Land, in dem fünf Millionen Menschen am Existenzminimum leben, war vom Radar verschwunden.

Isenring beschloss, diese Wissenslücke aus eigener Kraft zu schliessen. Je mehr sie über die jüngere sudanesische Geschichte las, desto klarer wurde ihr, was in der Schweiz alles an uns vorbeigegangen ist. Dass das Land beispielsweise einen eigenen Arabischen Frühling erlebte, weiss hierzulande kaum jemand. Oder dass das Durchschnittsalter der Bevölkerung knapp neunzehn Jahre beträgt.

Die ausgesprochen junge Bürger*innen lechzten nach Ausdruck und Austausch, so Isenring, weil das Land so lange isoliert gewesen sei und unter dem autoritären, streng islamistischen Regime von Präsident al-Baschir noch immer wenig Freiheiten erlaubt seien. Von den Freiheiten in der Kunst, die sich die sudanesischen Kulturschaffenden nehmen, handelt Isenrings Radio-Feature „The Black Elephant – Kultureller Widerstand im Sudan“. Bei ihrem Besuch im Sudan habe sie Leute kennengelernt, über die sie berichten wollte: Junge Künstler*innen, die aller Repression zum Trotz experimentelles Theater machen und mit Witz und Kunstfertigkeit den Alltag in einem Staat, in dem offiziell fast alles verboten ist, auf der Bühne widerspiegeln. Dass in einem Theaterstück am Festival etwa ein Schauspieler einen Betrunkenen darstellt, ist eine kleine Sensation, denn der Konsum von Alkohol ist illegal, Betrunkene darf es eigentlich nicht geben.

Bei Mehera Salim wusste Isenring gleich als sie sie zum ersten Mal sprechen hörte, dass sie im Radio-Feature zu Wort kommen muss. „Ihre Stimme, wie sie die Dinge erzählte – wie ein frischer Pausenapfel.“ Die junge Filmemacherin hat einschneidende Erfahrung mit dem repressiven Staat gemacht: Ihren Kurzfilm „Lust“ durfte sie an keinem Festival zeigen. Die behandelten Themen Liebe und Sexualität seien „eine Zumutung“, wurde ihr mitgeteilt. Dabei wird im Film kein sexueller Akt und keine Nacktheit gezeigt, es geht lediglich um zwei Menschen, die sich küssen wollen. Aber Küsse dürfen wie Betrunkenheit nicht von der Öffentlichkeit gesehen werden. Im Anschluss an ihr Gespräch versteckten sich die beiden Filmerinnen gemeinsam im Gebüsch – um zu rauchen.

Dass im Sudan überhaupt ein Theaterfestival stattfinden kann, führt der Theaterregisseur und Aktivist Maruan Omar, den Isenring ebenfalls befragt hat, darauf zurück, dass es einfach zu viele junge, ehrgeizige Menschen gibt, die sich kulturell engagieren. Die Regierung habe gemerkt, dass sie Kunst zulassen und der jungen Generation dieses Stück Freiheit gönnen müsse, weil sie sich sowieso nicht stoppen lasse. Es ist eine Stärke des Features, dass man alle Gesprächspartner*innen in ihrer Muttersprache reden hört. Isenring hat ganz bewusst darauf verzichtet, die Interviews auf Englisch zu führen. Sie wollte Khartoum einfangen, wie sie es erlebt hat, nicht in einer künstlichen, vermeintlich internationalen Sprache.

Ausserdem war es Isenring wichtig, auch die Rolle Europas zu thematisieren. Im Zuge der Flüchtlingskrise wurde ein EU-Nothilfe-Treuhandfonds für Afrika ins Leben gerufen, an dem sich auch die Schweiz beteiligt. Hilfsgelder werden jedoch nicht für Bildung und die Verbesserung der Lebensbedingungen der Bevölkerung eingesetzt, sondern für die staatliche Grenzsicherung, damit keine Flüchtlinge über den Sudan nach Europa kommen. Die sudanesische Regierung sichert die Grenzen und damit ihre eigene Macht – finanziert von den Ländern, die vorgeben, die autokratische Herrschaft zu verurteilen.
Dass der Bericht, der von so weit her kommt, also direkt mit uns zu tun hat, wird wohl auch die Zuhörer*innen am SonOhr Festival leer schlucken lassen, wenn sie am Samstag im Kino Rex „The Black Elephant“ lauschen. Das Feature dauert fast eine Stunde. Eine Stunde, in der man miteinander im Kino sitzt, wobei die Leinwand schwarz bleibt, während der Film im Kopf abgeht.

 

“The Black Elephant- Kultureller Widerstand im Sudan” ist im Rahmen des SonOhr Festival am Samstag, 24. Februar um 18 Uhr im Kino Rex zu sehen.

Näbegrüsch zu Stärbegrüsch

Mirko Schwab am Freitag den 12. Januar 2018

Papi stürzt sich wiedermal ins Chaos und macht dabei eine gute Falle. Die Boys tollen. Ja: 2018 könnte die generationelle Tektonik dem Rap-Eiland Bern zu neuen Vulkanausbrüchen verhelfen.

Back inna days hat Greis über seine Pumaturnschuhe nachgedacht. Es war eins vor Millenium und ich so fünf vor zwölf, Neocolor und immer Räuber, nie Poli. Pit hätte mir vielleicht auf dem schneebedeckten Roten Platz die Fresse gewaschen im Kalten Krieg 19hundert99. (Und immer Para wegen den Albanern aus der Para.) Iroas hat womöglich mit japanischen Spielkarten gehandelt oder die Kleinen um wertvolle Glitzer-Panini betrogen. Roumee hat indes wahrscheinlich Fantasyromane gelesen. Oder Nietzsche.

Back inna days, als die Trams und Busse noch
und wir auch grün hinter den Ohren,
naseweiss und der Winter noch,
so blauäuig und der Rote Platz.

(«Nostalgisches RGB»
s/o to Marc von der Kommentarspalte)

Fast zwei Dekaden später betrachtet sich Greis, da er auf dem Sofa liegt und Fazit zieht, ein Zwischenfazit immerhin. Sosolala, naja. Roumee hat ihn mittlerweile bart- und bars-technisch frech eingeholt und ist nun um die Consciousness bestellt. Iroas und Pit machen wie immer schöne Punchlines. Der Beat ist aus dem besten Gestern – es ist ein Fest für Jung und Alt. Das könnte natürlich alles peinlich sein, wenn sich Papi G. nicht die feinsten Gangsterklamotten übergezogen hätte, nicht ein so stilsicheres Spiel triebe in seiner Greisen-Rolle. Denn den Hiphop muss man dieser Bande wahrlich nicht erklären. Und so macht einer auf dem Sofa liegend, laisser faire die beste Falle. Derweil sich rundherum die Kleinen – «Stich Stich Stärbegrüsch» – verbal auf die Rübe geben, der kompetitiven Brüderlichkeit frönen und das stabile Code-Repertoire des Berner Chaos-Rap bespielen. Schön auch, dass es einem dabei nicht langweilig wird.

Sie haben eine Songkritik erwartet? Nice.

Und schliesslich hört man munkeln, dass zwischen PVP und Chaostrupp eine sogenannte One Love im Gedeihen begriffen. Wir wünschen gutes Gelingen und freuen uns schon auf den nächsten Bubenstreich.

MFB-Lieblingsscherben: November

Mirko Schwab am Mittwoch den 6. Dezember 2017

Schwab porträtiert im Auftrag der Musikförderung MFB jeden Monat die liebsten Neuerscheinungen straight outta Berne. Die Kategorie «Hype» ehrt das Langjährige, Brillante, Ausgefeilte und Vielgehörte, das den Berner Pop über die Kantonsgrenzen hinausträgt oder im Feuilleton Wellen schlägt. Die Kategorie «Hope» gräbt in den Tiefen des Untergrunds und verstärkt, worüber noch geflüstert wird – Erstlinge, Fundstücke, Demos.

Hype:
Yangboy$ – «FKA Radio»

Von Feuilleton keine Spur, zum Glück, heute gilt das Gehype auch dem Untergrund. Sie erinnern sich: Die Weirdos aus dem Westen, Cloud Kleefeld – wir hatten sie bereits im August zu den Hoffnungsträgern ernannt. Und sie haben geliefert: Zehn neue Tracks zwischen schwereloser Highness und fiesen Psychotrancebeats, stilsicher und zeitgeistig dekoriert mit zischenden Tremor-Hats und viel digitaler Wittiness. Auch Pillenbub Jonny Bunko hat vorbeigeschaut in den Darksome-Studios und rauscht gewohnt hemmungslos durch vier Features auf dieser nicht selten grandios komödiantischen Radioshow. Non-Sense, Punchlines und Ringtones aus dem frühpolyphonen Zeitalter. Ein Fest der Selbstironie – denn Philosopher-Boy Vo weiss: «Gisch du dir Müeh / Bisch du nume e Bitch.»

Hope:
Willibald – «While We Feel Romantic On Rooftops»

Und weil wir heute Tag des Nachdrucks feiern, spielen wir auch hier bereits gelobhymte Musik. Aus dem Eintrag: «Nieder mit dem Elektrophallus»

«Auf «While We Feel Romantic On Rooftops» gibts nichts, was in der Geschichtsschreibung der Popmusik nicht schon angeklungen wäre, auf einer Jaguar, Jazzmaster, Telecaster irgendwo – und desto erfreulicher ist es, schürft die Band so schnörkellos die alten Wunden und macht der totgeglaubten Gitarrenmukke ein feines Fest in fünf beseelten Liedern. Atemberaubend halsbrecherisch trommelt sich da Christine Wydler bisweilen in Ekstase, drückt Charli Grögli am Viersaiter aufs Fuzz-Pedal. Und eine helle Freude auch der schamanische, von Tonmeister Stefan Allemann blendend inszenierte Gesang der Debo Spiller.»

Still true. Kleiner kritischer Nachtrag: Akutelle Songs sucht man in den Weiten des Internetz allerdings vergebens, so sei auf untenstehende Vorabversion verwiesen. Oder erstehen Sie die hübsch einkartonierte Kompaktdisk direkt an der Quelle.

Die MFB hat sich das Fördern junger Berner Popkultur auf die Fahne geschrieben. Die interessantesten Neuentdeckungen finden Sie in der Spotify-Playlist «Sounds Like Berne».

Der letzte erste Schnee

Mirko Schwab am Freitag den 1. Dezember 2017

Wir befinden uns im Jahre 2017 n.Chr. Ganz Ostbern ist vom Bürgertum besetzt … Ganz Ostbern? Nein! Ein von unbeugsamen Ostbernern geführter Kulturschuppen hört nicht auf, der Verödung Widerstand zu leisten.

Béatrice Graf und Martina Berther bei der Arbeit. (Photo: Jessica Jurassica)

Der Geruch vom ersten Schnee ist eine seltene Freude. Streife die dickste Jacke über, die ich finden kann. Hätte noch eine dickere im Schrank, aber die sieht scheisse aus. Im Winter bekommt man die eigene Eitelkeit am schmerzvollsten ab. Anker schmerzt auch, klebt in der Hand, doch Deal, der Saft träufelt mir wohlig wohlig inwendig den Hals entlang aufs Herz. An der Brunnadernstrasse spuckt das Tram mich aus aufs seifige Trottoir. Hier könnte die Sandsteinstadt auch Grossstadt sein. Vis-à-vis des vom Netz genommenen Tramdepots aus Zeiten, wo selbst Zweckbauten noch Seele inne war – (Notiz an Miraculix Fischer: Bitte lassen Sie diese meine etwas ordinäre Nostalgie mal kulturgeschichtlich abtropfen bei Gelegenheit. Würd mich freuen. Gruss.) – vis-à-vis dieser jedenfalls schön von der Zeit gestreiften alten Anlage halten drei Tramlinien und zwei Omnibusnummern, dass man schon meinen könnte, man sei am Brennpunkt, Adresse Platz2b, an der Rosette der Urbanität. Halten dazu noch in städtebaulicher Schnodrigkeit mitts auf der Strasse. Ein Hauch Ostberlin vermischt sich mit dem Geruch vom ersten Schnee und der Geruchlosigkeit Ostberns, als ich die letzten Treppenstufen bewältige, hinab in meinen Lieblingskeller.

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Bern auf Probe: Mit Peter Arbogast bei den Zeugen Jehovas

Anna Papst am Dienstag den 3. Oktober 2017

Geprobt wird im Keller eines Mietshauses in Zürich, dessen erste zwei Etagen von Jehovas Zeugen belegt sind. Dominik Dusek hat sich für die Lesung seines ersten Romans «Er tritt über die Ufer» eine musikalische Untermalung gewünscht, die nur aus Bass und Effektgeräten besteht. Bekommen hat er – zum Glück, wie sich noch herausstellen wird – Patrik Küng, der ihn mit E-Gitarre, Synthesizer und den erhofften Effektgeräten begleitet. Über den und dessen ehemalige Band Kid Ikarus hat Dusek auch schon für den «Züritipp» geschrieben. Und damit sind wir dem Roman schon verdammt nahe, über dessen Lesungsprobe hier berichtet werden soll. Diesen Beitrag weiterlesen »

Post aus Wiedikon

Mirko Schwab am Freitag den 15. September 2017

Eine von vielen Entdeckungen am Seebahngraben: Ararpad. Verdammt hotter Beatboy aus Z.

Liebes,

Der Italo ums Eck ist authentisch grimmig und verkauft glutenfreie Pizze. Ich schreibe dir aus Wiedikon Zürich 3. Von dort aus also, wo das eingesessene Zürich aufs glutenfreie Zürich trifft, die ganze Nacht Verkehr ist und eine offene Tankstelle. Ich blicke aus meinem Aquarium hinaus auf den Seebahngraben, am unteren Ende des einzigen Reiterbahnhofs der Schweiz – und hacke dir paar Zeilen.

Ich würd dir gerne in Bern begegnen, die letzten vom blechernen Tod befreiten Nächte auf der Schütz besaufen bis das Zeug hält, bei den Eidgenossen oder im Casa Marcello verhocken bis man herausgeputzt wird, unter den Lauben stehenbleiben für ne Gruess und sich wünschen: Bis bald. Heimweh ist berndeutsch.

Aber hier gibts viel zu tun, viel schönes. Auf Einladung kommen die Freunde vorbei, Fernweh-Berliner und Heimweh-Berner und Zürcher von der Szene, stellen ihre Geräte auf, Drumcomputer, Schlagzeuge, Macbooks und Zithern, legen los. Wir dürfen ihnen dreissig Minuten durch die Kamera dabei zuschauen. Ehre genug und dreiundzwanzigmal ein Grund zur Demut. Und der Laden erst: «Bundeshaus Zu Wiedikon» geheissen, fühlt sich an wie ein amerikanischer Diner aus den Fünfzigerjahren und wird von drei herzensguten Bundesrätinnen geschmissen. Dass das Zeug hält – und ich bei mir denke: Gastfreundschaft ist universal.

Eine Woche darf das noch so sein. Geldwechseln, Pizzaholen, Bütec rauf, Bütec runter, fünf Franken easy, zehn Franken soli, Rauchpausen, Blausaufen und am morgen neben einer kiloschweren, wunderschönen To-Do-Liste aufwachen, an die man sich zwar nicht ranschmiegen kann, die einem doch das Herz entzündet.

Eigentlich wollte ich vor allem merci sagen.

XOXO
und bis bald,
mrk

BlauBlau Records Public Address: Bundeshauskonstant konzertant, jeden Abend auch ins F***book gestreamt.
Schaust du mal vorbei, Liebes?

MFB-Lieblingsscherben: August

Mirko Schwab am Freitag den 8. September 2017

Schwab porträtiert im Auftrag der Musikförderung MFB jeden Monat die liebsten Neuerscheinungen straight outta Berne. Die Kategorie «Hype» ehrt das Langjährige, Brillante, Ausgefeilte und Vielgehörte, das den Berner Pop über die Kantonsgrenzen hinausträgt und im Feuilleton Wellen schlägt. Die Kategorie «Hope» gräbt in den Tiefen des Untergrunds und verstärkt, worüber noch geflüstert wird – Erstlinge, Fundstücke, Demos.

Hype:
S.O.S«Akim» + «Imani»

Wie beweist man dem Game? Indem man gleich zwei Alben auf einen Streich raushaut. Dass beide auch in der Hitparade (gibts noch) fast ganz vorne einfädeln, ist nur die logische Konsequenz des landesweiten Hypes um die Herren Nativ und Dawill. Trap-Sauereien, Consciousness, blumigste Flowristik, alte Schule, neue Schule, zurückgelehnt oder Doppeltime – können sie alles und fächern auf zwei Geschwistertapes schön auf, was es nachzubüffeln gibt für den Rest der Szene. Rap von lokaler Zunge auf internationalem Niveau. Oder mit den Worten von Хорошо круто aus der Video-Kommentar-Ritze: «scheiße man ich versteh zwar nicht nen viertel aber der scheiß ballert böse!»

Hope:
Yangboy$ – «Du Bisch»

Nicht minder kontemporär und doch von einem anderen Stern senden diese zwei Boy$ aus Bern-West. Von Weltfrieden-Lines und Waffengeilheit (das schaffen andere Rapper im selben Song …) zum Glück kilometerweit entfernt, erfreut uns das charmant-verspulte Duo mit Lo-Fi-Miniaturen und der täglich inhalierten healthy dose DIY-Attitüde. High auf Autotune und nach den Regeln des Internetz’ bedienen sie sich der Zeichen ihrer Zeit – und uns mit nonchalanten Assoziativ-Rap-Streichen seidener Sorte. Oder mit den Worten von Pilzkopf Ivo neulich im Backstage: «S.O.S., das ist für die koolen Kids, da können wir nicht mithalten. Wir sind eher so semikool.» Proud to be semikool; then.

Die MFB hat sich das Fördern junger Berner Popkultur auf die Fahne geschrieben. Die interessantesten Neuentdeckungen finden Sie in der Spotify-Playlist «Sounds Like Berne».

Nur damit du weisst

Mirko Schwab am Samstag den 26. August 2017

Seit zwei Tagen nur noch Trettmann. (Ein ganzer LKW voll mit bulgarischen Melonen, Schüblig.)

Mit automatischer Tonhöhenkorrektur und einer strikten Entsättigungspolitik in der Bildsprache hat sich das Kreuzberger Label Kitschkrieg einen guten Ruf erspielt. Prädikat Zeitgeist. Darüber thront, als unangefochtener König: Ronny Trettmann. Seit sich der in Karl-Marx-Stadt geborene Seelensänger vor zwei Jahren seines Vornamens entledigt und das karibianische Timbre merklich abgedunkelt hat, wird ihm weit über die Dancehall-Szene hinaus Respekt gezollt. Mit Recht: Keiner versteht es wie er, den Kitsch mit dem Krieg zu verheiraten, Plastik und Soul unter 1 white cap zusammenzuführen. Weiter darf man schwärmen, dass ihm auch textlich – mit der Nonchallance eines alten Hasen und unter Einbezug alter Dancehall-Gimmicks – die Dinge gut gelingen. Zuletzt: «Grauer Beton».

Eine Ballade zwischen Plattenbauten, von der Spätjugend in der Wendezeit. Das durch die Hip-Hop-Schulen tradierte Bild des Blocks – in den schlechtesten Varianten als Betteln um Realness – wird hier in sorgfältigen Schattierungen gemalt.

«Und ab und zu hielt gleich dort wo wir wohn’n
Ein ganzer LKW voll mit bulgarischen Melon’n»

Und obwohl doch unterschiedliches Terrain, der Westen von Bern und der Osten Deutschlands, klingt aus der Ferne dies Piano an:

«Es het Schüblig ggäh.»

Trettmann spielt am 03. November im Dachstock.