Archiv für die Kategorie ‘Film & Fotografie’

We dance alone. That’s why we only play electronic music.

Saskia Winkelmann am Mittwoch den 6. April 2016

Das ist doch kein Wetter? Doch, Kinowetter. Gestern war ich endlich in „The Lobster“ im Kino Rex und wurde nicht enttäuscht.

the lobster

Yorgos Lanthimos ist mit einem einfachen Trick eine skurrile Parabel gelungen. In seinem zweite Film schraubt der griechische Regisseur („Dogtooth“) an einem Raster, in dem wir uns wie selbstverständlich bewegen und verschiebt, verdreht und überspitz es nur um Millimeter, nur gerade soweit, dass der Zuschauer sich darin immer noch leicht erkennt. Doch weit genug, dass die Absurdität und Willkür unserer gesellschaftlichen Normen und unseres Herdendenkens hervorgehoben wird.

Die Protagonisten (Colin Farrell, Rachel Weisz, Léa Seydoux, John C. Reilly) bewegen sich in einer Welt, in der Alleingebliebene für 45 Tage in ein Hotel verfrachtet werden, um den Partner fürs Leben zu finden. Ansonsten werden sie in ein Tier ihrer Wahl verwandelt. Oder aber sie wechseln die Seite und leben alleine in einer Gemeinschaft im Wald zusammen mit überzeugten Singles (“We dance alone. That’s why we only play electronic music”), verstossen von der Welt. Aber auch dort gibt es Regel und eine brutale Hackordnung.

Ihnen allen ist aber etwas gemeinsam, sie suchen nach etwas „Echtem“ im Leben, sei das ein Gegenstück oder die Berechtigung der eigenen Existenz. Am Ende ist es eben dann doch nicht ganz so einfach, wie wir uns das wünschen würden.

„The Lobster“ ist auf vielen Ebenen ein wunderbar aufs wesentliche reduzierter Film für Fans des schwarzen Humors. Er lässt einen zurück wie nach einem Schleudergang in der Waschmaschine, aber mit einem Lächeln. Oder wie ein Bekannter sagte: „Diese Art von Humor kann lebensrettend sein.“

The Lobster läuft noch bis zum 11. April im Kino Rex.

Melody of Noise – alles klingt

Gisela Feuz am Mittwoch den 9. März 2016

Einen Film für die Ohren hat sie gemacht, die Schweizer Filmregisseurin Gitta Gsell, denn in «Melody of Noise» heftet sich die 63-jährige gebürtige Zürcherin an die Fersen von Klangsuchern und -tüftlern. Oder anders ausgedrückt: «Melody of Noise» gewährt Einblick in das Schaffen und die Leidenschaften einer wundervollen Ansammlung von Nerds.

Die Grenze zwischen Lärm und Musik werde ja eigentlich nur dadurch definiert, ob man das Dargebotene gerade hören wolle oder nicht, sagt Jazz-Musiker Bruno Spoerri, der auch als Vorreiter der experimentellen elektronischen Musikszene der Schweiz gehandelt wird. Alles sei klanglich verwertbar. Erst kürzlich sei er über diese «wunderschöne Melodie» gestolpert, welche ein rostiges Gartentöri in einem Bieler Bed & Breakfast von sich gegeben habe. Nun ja. «Wunderschön» ist vielleicht nicht das erste Adjektiv, das einem bei einem schrillen Quitschgeräusch in den Sinn kommt. Aber Spoerris Enthusiasmus ist bezaubernd.

Der Berner Schlagzeuger Julian Sartorius bläst derweilen in ein ähnliches Horn: «Ich habe noch nichts gefunden, was nicht klingt». «Melody of Noise» begleitet den begnadeten Trommler auf Streifzügen durch pittoreske Alpenlandschaften und stillgelegte Industrieanlagen und zeigt, wie Sartorius selbst Gras, Moos und Steinen unterschiedliche Klänge zu entlocken vermag.

Dass der Ostschweizer Stefan Heuss gerne die absonderlichsten Haushaltsgeräte zusammenbastelt, weiss man ja spätestens seit seinen Auftritten bei Giacobbo/Müller. In «Melody of Noise» wird eine weitere Leidenschaft von Heuss offenbart, heckt dieser doch gerne die unmöglichsten Klanginstallationen aus. Es ist eine Freude ihm dabei zuzuschauen, wie er eine elektrische Gitarre über einen Kochtopf spannt, Popkorn von unten an die Saiten ploppen lässt und dazu strahlt wie ein kleiner Bub.

«Melody of Noise» vermag es, in unserer doch so visuell dominierten Gesellschaft das Gehör bzw. das Hören ins Zentrum zu rücken und zeigt, dass selbst in den gewöhnlichsten Gegenständen ein Klang schlummert. Nach diesem Film hört man plötzlich seiner elektrischen Zahnbürste ganz anders zu, glauben Sie mir. Dabei kommt aber trotzdem auch die Bildsprache nicht zur kurz. Man merkt, dass Gitta Gsell sich intensiv mit Fotografie und Kunst beschäftigt hat, denn wie Natur und stillgelegte Industriebauten in ihrem Dokumentarfilm in Szene gesetzt werden, verrät den Blick für ästhetische Bildkompositionen.

In «Melody of Noise» kommen nebst den Genannten auch Andres Bosshard, Bubble Beatz, Peter Roth, Saadet Türköz, Marco Repetto, Franz Treichler, Big Zis und das Gemüseorchester zu Wort. Gitta Gsells Dokumentarfilm läuft vom 10. bis 16. März im Kino Rex. Bei der Premiere sind die Regisseurin, Stefan Heuss und weitere Gäste vor Ort.

Rosinen: Chinese Whispers – Haze and Fog

Roland Fischer am Donnerstag den 3. März 2016

Wie schon im Kulturbeutel empfohlen sollte man sich das Siggsche China-Best-of im Kunstmuseum und Zentrum Paul Klee nicht entgehen lassen. Sehr reichhaltig und sehr vielgestaltig. Man soll bloss nicht denken, dass es so etwas wie «chinesische Kunst» gibt – aber genau um das zu merken lohnt sich natürlich der Besuch. Wenn man sich aber lieber auf ein tolles Werk konzentrieren möchte, dann empfiehlt sich im Kunstmuseum der direkte Weg in den Raum 10 im Obergeschoss. Da setze man sich auf die Bank und schaue sich in Ruhe Cao Feis Haze and Fog an. 45 Minuten. Grosser Spass und grosses Kino. Und natürlich wunderbar weite Interpretationsspielräume.

Hier spricht die Künstlerin auf herrlich ungerührte Weise über ihr Werk. «China doesn’t have zombie culture.» But it has internet, of course.

In «Rosinen» picken wir einzelne Werke, Konzerte, Darbietungen oder was auch immer aus einem grösseren Ganzen heraus. Und lassen den ganzen Rest einfach mal ganz bewusst beiseite.

«Wer übt, kann nix»

Gisela Feuz am Samstag den 6. Februar 2016

Es ist schwer verständlich, warum Die Aeronauten den Durchbruch nie geschafft haben. Und irgendwie ist man trotzdem fast ein bisschen froh darum. Nein, nicht etwa deswegen, weil man den Mannen aus der Ostschweiz den Erfolg neiden würde, oder weil sie ihn nicht verdient hätten. Im Gegenteil. Seit 1991 ist die Schaffhauser Combo rund um Kreativ-Kopf Olifr M. Guz im Musikzirkus unterwegs und hat der deutschsprachigen Welt gar manchen Ohrwurm beschert wie etwa «Bettina», «Freundin» und gerade erst kürzlich «Ottos kleine Hardcoreband», um nur ein paar wenige zu nennen.

Nein, man ist deswegen fast ein bisschen froh um den Verbleib der Aeronauten in der helvetischen Provinz, weil man Angst hat, dass die Aeronauten nicht mehr die Aeronauten wären, wenn sie plötzlich auf allen Fernseh- und Radiostationen rauf- und runtergespielt würden und zur Welttournee aufbrechen würden. Denn was die Aeronauten ausmacht ist die Tatsache, dass es sich hierbei um eine Band handelt, die von Powerpop über Ska und Deutschpunk eine vielseitige, aber deswegen eben massenunverträgliche Pizza an Stilen liefert, die mit intelligenten, manchmal tiefgründigen, manchmal unverständlichen immer aber unterhaltsamen Texten operiert und die eine sympathische Faulheit an den Tag legt, wenns ums Perfektionieren des Handwerks im Übungsraum geht. Zusammengefasst: Es ist dieser liebenswerte subversive Underdog-Charme, welcher diese Band auszeichnet. Und der würde mit Erlangen von Weltruhm wohl auf der Strecke bleiben.

Kurz vor der Welteroberung oder zumindest der Deutschlanderoberung sind Die Aeronauten ja mehrmals gestanden. Diese und andere Geschichten erzählt der Film «DIE AERONAUTEN 16:9 – die ersten 25 Jahre» von Mitbegründer und Bassist Hipp Mathis, der aus unzähligen Fotos, Filmausschnitten und anderen Archivmaterialien eine unterhaltsame Dokumentation über das erste Vierteljahrhundert Bandgeschichte zusammengestellt hat. Nebst zahlreichen Anekdoten aus den Anfangszeiten in der Bodenseeregion («es war finster und gab nur Sportverein oder Drogen») und charmanten low-fi Filmausschnitten aus dem unglamourösen Tournee-Leben («schmutzige Haustiere legten sich einem nachts aufs Gesicht»), kommen auch viele Vertreter der Hamburger Untergrund-Prominenz zu Worte – etwa Schorsch Kamerun (Die Goldenen Zitronen), Knarf Rellöm (A Trive called Knarf), Bernadette La Hengst (Die Braut haut ins Auge) oder Frank Spilker (Die Sterne) – welche den Stellenwert der Aeronauten in der Hansestadt verdeutlichen.

Mathis’ Dokumentation ist ein unterhaltsames Zeitzeugnis, das eine gescheite, sympathische, selbstironische, originelle und unprätentiöse Band porträtiert, die Freude hat, an dem was sie tut. Übt doch bitte weiterhin nicht zu viel, liebe Aeronauten, denn wir freuen uns auf die nächsten 25 Jahre mit euch, und zwar genau so wie ihr seid!

DIE AERONAUTEN 16:9 – die ersten 25 Jahre» wird am Montag 8. Februar  in der Cinématte gezeigt .

 

Zwischen frischen Bettlaken

Milena Krstic am Montag den 1. Februar 2016

Seit der Berner Pablo Nouvelle vor drei Jahren sein Debüt veröffentlicht hat, munkelt es aus allen Ecken der Hauptstadt: «Der ist nicht mehr lange bei uns, der schaffts da draussen in der grossen Welt.»

Nun ist der Mann zurück und präsentiert sein neues Album «All I Need». Ich habs mir noch nicht angehört, deshalb hüte ich mich vor einer fundierten Kritik. Aber ich nehme an, dass die Single «I Will», mit der samtenen Stimme des Sängers Sam Wills, einen repräsentativen Einblick in das Werk bietet: tiptop schöne Musik, sauber produziert und durchgetaktet und wer das mag, mag auch polierte Badezimmerfliesen.

Sehr cool finde ich das Video, eine Ode an die möglichst vielseitige Nutzung eines Bettes, wechselnde LiebespartnerInnen, den Wunsch, endlich richtig Gitarre spielen zu lernen und verpennte Sonntage mit tätowierten Schönlingen.

Pablo Nouvelle ist ab März live zu sehen. In Bern am 18.3. im Bad Bonn und am 27.3. am Bee-Flat im Progr. 

Hunde und Daten

Miko Hucko am Dienstag den 26. Januar 2016

Wenn eine eine Reise tut… dann würde sie eigentlich nie ins RBS-Bähnli steigen wollen, gopfertami. Und doch gestern bei strahlendem Sonnenschein ins eigentlich nahe Solothurn, an die 51. Filmtage.

Solothurn ist so eine Stadt, die ist nur an zwei Gelegenheiten im Jahr wirklich lebendig, nämlich jetzt gerade und dann wieder an den Literaturtagen. Dazwischen ist irgendwie Schönheitsschlaf. Berner_innen, deren ich einige getroffen habe, beklagen sich über lange werdende Schlangen bei den Filmen, zu viel Publikum, reservieren müsse man jetzt für einen richtig guten Platz, da gehe ja die ganze Spontanität bachab.

Ich habe mir mein Programm natürlich Wochen zuvor zusammen gestellt, und, wie es sich herausstellt, auch mit einigem Geschick (oder Glück, aber gäu). Als erstes Köpek (CH 2015), den Sie am 31. Jänner um 14:00 ins Kellerkino schauen gehen sollten, last chance. Hier der Trailer. Ein Film, in dessen langsame, sezierende Bilder ich erst langsam reingekommen bin, dessen Sog mich aber dann nicht mehr losgelassen hat; der das Patriarchat und männliche Gewalt so intensiv rüberbringt, wie ich das kaum je gesehen habe. Die Regisseurin Esen Isik zeigt darin drei Geschichten, die sich im gegenwärtigen Istanbul abspielen bzw. abspielen könnten.

Gleich anschliessend (Festivals sind ja dann immer so eine Marathonsache) folgt Democray – im Rausch der Daten, der hoffentlich im Frühjahr auch in die Schweizer Kinos kommt. Schwarz-weiss gehalten und ohne Off-Stimme ist dieser Dokfilm formal sehr konzentriert:

Das ist manchmal etwas nervig, aber grundsätzlich ein Vorteil, weil es die Aufnahme des komplexen, aber hochspannenden Inhaltes erleichtert. Über fast vier Jahre hinweg hat David Bernet die Entstehung des EU-Datenschutzgesetzes in Brüssel begleitet. Topaktuell! Der Einblick, der da in die riesige Regierungskiste mitsamt Teams und Lobby und Sitzungen und Brunches gegeben wird, ist fantastisch. Ebenso die Auseinandersetzung mit der Frage, welche Art von Datenschutz nötig ist und der Einblick in die Absurdität mancher Argumentationsweisen. Meine Lieblingsblüte geht ungefähr so: Also weil die Leute ja im Internet keine Lust haben, sich die AGBs durchzulesen, weil sie sich keine Zeit nehmen wollen und sowieso einfach ja klicken, dann müssen wir diese Frage nach Konsens einfach abschaffen, das nervt eh nur. Aha ja.

Solothurner Filmtage sind noch bis zum 28. Januar. In Solothurn. Köpek ist nominiert für den Prix du Public, Democracy für den Prix de Soleure. Ich hoffe, sie gewinnen beide.

Fachkundiges Zugrunderichten

Gisela Feuz am Mittwoch den 13. Januar 2016

Bei Filmdrehs in Finnland gibt es die Tradition, dass bei jeder 100. Klappe eine Runde Schnaps getrunken wird. Ja, auch wenn es 9 Uhr morgens ist. Das erstaunt an und für sich noch nicht, denn dass die schweigsamen Nordlichter Feuerwasser nicht abgeneigt sind, weiss jedes Kind. Zumindest jedes vernünftige Kind. Was allerdings erstaunt – oder dann auch wieder nicht, sind ja Finnen – ist die Tatsache, dass bei dieser Tradition darauf bestanden wird, den übelstmöglichen Fusel überhaupt zu trinken: Jaloviina oder kurz Jallu, was übersetzt so viel heisst wie «nobler Likör». Ahahaa, guter Scherz.

Jallu ist eine Mischung aus schlechtem französischen Cognac und Wodka, die es ursprünglich in drei Qualitätsgraden gab: 1-Stern, 2-Stern und 3-Stern, wobei der Grad der Trinkbarkeit analog der Sterne abnimmt und man beim Konsum von 1-Stern-Jallu nicht nur um sein Augenlicht, sondern auch um sämtliche Zungen-Nerven fürchten muss. Von Hirnzellen und Verstand reden wir gar nicht erst.

jallu

Wer in der Kreativ-Abteilung etwas auf sich hält, trinkt die 1-Stern-Variante.

Die Legende besagt, dass die Jallo-Fabrikanten vor ein paar Jahren die Produktion der niederqualitätigen 1-Stern- und 2-Stern-Variante einstellen wollten. Als die Filmindustrie davon Wind bekam, verfasste diese kurzerhand einen geharnischten Brief, in dem sie erklärte, dass sämtliche Studios dicht machen würde, wenn es keinen 1-Stern-Jallu mehr gebe. Daraufhin krebsten die Jaloviina-Brenner zurück und so kommt es, dass es heute 1-Stern und 3-Stern-Jallu, aber keinen 2-Stern-Jallu mehr gibt. Wer in der Kreativ-Abteilung etwas auf sich hält, der trinkt selbstverständlich die schauderhaftte 1-Stern-Variante. Wenn schon zugrunde richten, dann fachkundig. Man muss sie einfach mögen, diese Finnen.

Jallu gehört zu den am meisten verkauften Schnapssorten in Finnland ist auch Namenspate eines jährlichen Metal-Festivals in Oulu namens Jalometalli. A propos finnischer Metal: Am Samstag wird im Rahmen des Musikfilm Festival Norient die Dokumentation«Monsterman» gezeigt, welche das tragikomische Schicksal des gleichnamigen Lordi-Frontmanns abhandelt. Lordi waren die Heavy-Metaller mit den Masken, die vor fünf Jahren den Eurovision Song Contest gewannen. Heute hat die Band einen Berg Schulden, Monsterman versteckt sich immer noch hinter seiner Maske und versucht, den Respekt der Metal-Community zu gewinnen. Schweizer Premiere  in Anwesenheit von Regisseur Antti Haase am Samstag 22:30h im Kino Reitschule.

Roy Batty Frankenstein

Roland Fischer am Freitag den 8. Januar 2016

Ob wohl irgendein Kinobetreiber zur Feier des Tages den guten alten Blade Runner ins Programm genommen hat heute?

roy

Es ist übrigens ein ziemlich verrücktes Jubiläumsjahr. Im grauenhaft (!) verregneten Sommer 1816 sassen ein paar gelangweilte Literaturdandys in einer Villa in Genf, darunter Mary Shelley, und vertrieben sich die Zeit mit einem Gruselgeschichtenwettbewerb. The rest is history, as they say (und so hätte das vielleicht auf Twitter ausgesehen). Wie prophetisch Frankenstein ist, merken wir erst heute, wo wir es tatsächlich mit künstlichen Kreaturen aus dem Computer zu tun bekommen. Die Macher von Blade Runner waren da ein wenig zu optimistisch, was künstliche Intelligenzen in Menschenform angeht, soweit ist die Technik 2016 doch noch nicht. Realität dagegen sind automatische Telefonstimmen, die uns weiterverbinden, ohne dass wir merken, dass wir da gerade mit einer Maschine gesprochen haben. Das Mensch-Maschine-Durcheinander? Es beginnt genau hier und jetzt.

Und ach ja, wer erinnert sich noch an E.T.A. Hoffmanns Sandmann mit der unheimlichen Puppe Olimpia? Erscheinungsjahr: 1816.

Eiskalt war Olimpias Hand, er fühlte sich durchbebt von grausigem Todesfrost, er starrte Olimpia ins Auge, das strahlte ihm voll Liebe und Sehnsucht entgegen und in dem Augenblick war es auch, als fingen an in der kalten Hand Pulse zu schlagen und des Lebensblutes Ströme zu glühen. Und auch in Nathanaels Innerm glühte höher auf die Liebeslust, er umschlang die schöne Olimpia und durchflog mit ihr die Reihen. – Er glaubte sonst recht taktmäßig getanzt zu haben, aber an der ganz eignen rhythmischen Festigkeit, womit Olimpia tanzte und die ihn oft ordentlich aus der Haltung brachte, merkte er bald, wie sehr ihm der Takt gemangelt.

Sodom & Gomorrha in Cool Britannia

Gisela Feuz am Montag den 4. Januar 2016

Mojo, stardust, happy dust, nose candy, joy powder – wenn der Artists & Repertoire-Mitarbeiter eines Londoner Musiklabels Steven Stelfox (Nicholas Hoult) nervös wird, zählt er innerlich alle Synoyme für Koks auf, die er kennt. Das sind so einige, was wiederum einiges über Stelfox aussagt. Dieser interessiert sich nämlich einen Dreck für seine eigentliche Arbeit, das Entdecken und Promoten von Bands, sondern frönt lieber dem puren, deliriösen Hedonismus.

Wir befinden uns im England der 90er-Jahre, also in der Cool-Britannia-Ära am Höhepunkt der Britpop-Welle, als der Musikmarkt noch richtig blühte, Labels 100’000 Pfund Vorschuss für eine Single zahlten und A&R Directors gottgleichen Status hatten. Den beansprucht auch der aalglatte Stelfox für sich, der nicht nur Allmachtsphantasien hegt und ständig randvoll mit irgendwelchen Drogen ist, sondern auch skrupellos seine Freunde umlegt, wenn ihm diese in seine Karrierenplanung reinfunken.

«Kill your friends» (Regie: Gregor Cameron, Buch und Drehbuch: John Niven) ist eine bitterböse und zynische Satire, gespickt mit Ironie und tiefschwarzem Humor, welche die verzerrte Moral der englischen Musikindustrie der 90er Jahre, für die einzig Verkaufszahlen und Airplays zählen, als Sodom und Gomorrha vorführt. John Niven wird es wissen, war er damals doch selber als A&R-Mitarbeiter für das britische Musiklabel London Records tätig (wo er es offenbar verpasste, Muse und Coldplay unter Vertrag zu nehmen), bevor er sich ganz dem Schreiben widmete.

Nicholas Hoult (zuletzt gesehen in «Mad Max: Fury Road») gibt den durchtriebenen, exzessiven und geltungssüchtigen Stelfox wunderbar widerwärtig – Erinnerungen an «American Psycho» werden wach – bleibt dabei aber trotz allem auch ein bisschen farb- und ausdruckslos. Ganz anders Moritz Bleibtreu, der in seinem Gastauftrittt als schmieriger Techno-Produzent Rudi fürwahr einen höchst amüsante Nummer hinlegt. Ausserdem bietet «Kill your friends» einen verdammten Killer-Soundtrack, vielleicht den besten seit «Trainspotting». Blur, The Chemical Brothers, Oasis, Echo And The Bunnymen, Radiohead, The Prodigy, Royal Blood, Sneaker Pimps… alles mit dabei, was das Britannia-Herz begehrt.

«Kill your friends» wird heute Abend und am Donnerstag jeweils 20:30h in der Cinématte gezeigt. Sehr lesenswert ist im Übrigen auch die Filmvorlage, der gleichnamige Roman von John Niven.

Zur Strafe CSI Miami

Gisela Feuz am Donnerstag den 31. Dezember 2015

«Hasta La Vista» hätte Frau Feuz ja noch zuordnen können. Kam aber nicht. «We need a bigger boat» beschwor in den grauen Hirnzellen gerade noch ein schwaches Bild von einem sehr grossen, sehr gefährlichen Fisch herauf, «Chrieg», «Unser Garten Eden» und «Wintergast» hat man ja zum Glück vor noch nicht allzulanger Zeit selber gesehen, dass Goldie Hawn seit Jahrzehnten mit Kurt Russell liiert ist, stand mal irgendwo in einem Gala, das in der Sauna rumlag, und dass K.I.T.T. ein Pontiac Firebird ist, hat einem damals der grosse Bruder mit glänzenden Augen mehr als ausgiebig erklärt.

Dann war dann aber auch schon bald mal Feierabend im den feuzschen Wissen gestern Abend beim grossen Filmquiz im Kino Rex. Ja ich schäme mich. Andererseits waren die Fragen denn auch nicht unbedingt auf ein durchschnittliches Kinogänger-Publikum ausgerichtet, sondern eher für die Nerd-Abteilung. Damit trotzdem einigermassen Chancengleichheit herrschte, mussten «Professionelle» (etwa Kinobetreiber, die extra aus Züri angereist waren oder Filmwissenschaftler) mit einem Handicap von 10 Punkten starten. Wer beim Googeln erwischt wurde, dem drohte eine Strafe in Form von drei Folgen CSI Miami.

rex

Die Rexquiz-Fragen, welche mit zahlreichen vergnüglichen Filmausschnitten und Toneinspielungen untermalt wurden, waren ganz unterschiedlicher Natur. So gab es etwa Punkte für Wissen zu Titeln und Regisseuren, aber auch Filmmusik, Nacherzählungen durch Berner Promis, Automarken, verbindende Elemente oder eben das Zuordnen von Filmzitaten waren ein Thema. Egal wie schlecht man abschnitt, lehrreich und unterhaltsam war der Abend so oder so, zumal Moderator Peter Kraut am Schluss die Antworten zu allen Fragen inklusive vielen Zusatzinformationen lieferte. So weiss Frau Feuz jetzt zum Beispiel, dass Freddie Frinton in «Dinner for one» insgesamt 11 Mal über den Tigerkopf stolpert, dass das Auto von Steve McQueen in der waghalsigen Verfolgungsjagd in «Bullit» mehr Radkappen verliert, als es Räder hat und dass es in Willisau kein Kino namens Rex gibt.

Wer beim Rexquiz nächsten Jahr eine Chance haben will, der angle sich einen kompetenten Teampartner (danke André!), behalte das Programm des Rex im Auge und schaue ab sofort sechs Stunden pro Tag Arthouse-Klassiker. Wer es ein bisschen einfacher mag, der gehe am 28.1., 25.2. oder 24.3. zu Lüpolds Filmquiz ins Les Amis.