Archiv für die Kategorie ‘Film & Fotografie’

Die Bildermaschine feiert

christian pauli am Dienstag den 13. November 2007

Man kann es beklatschen oder beweinen, bedenkenswert ist das Jubiläum alleweil: Vor 1000 Tagen, am 15. Februar 2005, wurde YouTube als Domain angemeldet. Der globale Siegeszug der mittlerweile Google-Tochter gewordenen Internetvideoplattform trägt fantastische Züge. An die 65 000 Filmchen werden täglich aufgeschaltet, 1.6 Millionen mal wird die Seite pro Tag angeklickt. Dies meldete die Süddeutsche Zeitung gestern.

Das Absurde an der Sache: Fast alle Aufschaltungen verglühen genau in dem Moment, in dem sie auf YouTube vermeintlich veröffentlicht werden. Denn nur die Wenigsten bringen es im Rating so weit, dass überhaupt jemand hinschaut. So gesehen ist YouTube ein gigantisches Bildervernichtungsspiel. Das globale Bilder-Jekami trägt bekanntlich demokratische Züge: Jeder kann über Nacht berühmt werden: Es braucht dazu so gut wie nichts, ausser vielleicht eine tüchtige Portion Zufall. Zugleich ist YouTube ein Archiv für alle. Man findet darin alles was man will und – vor allem – nicht will. So gesehen hat YouTube auch diktatorische Seite.

Nun, an dieser Stelle sei weder die veröffentlichte Hinrichtung von Saddam Hussein noch die erbarmungswerte Selbstdarstelltung von – zum Beispiel – YB-Fangruppen und auch nicht die laufende Instrumentalisierung durch die Unterhaltungs- oder Politikindustrie beklagt. Als hundskommun hochgerüsteter Internetgänger trällere ich fröhlich vor mich hin: YouTube ist Kultur! und lasse mich im tristen Büroalltag von lustigen Filmchen amüsieren. Aber die Gedanken wollen kreisen und finden keine Antwort. Von weit her hört man Andy Warhol, Aldous Huxley und Pier Paolo Pasolini schmunzeln und ächzen, je nachdem.

Eines ist klar: Zu diesem Blogbeitrag gibt es kein Bild.

Absolute Spitzenklasse

Manuel Gnos am Freitag den 26. Oktober 2007

The Monks vs. The Beatles. (Bild Manuel Gnos)

Meine Damen und Herren, die meisten von Ihnen waren gestern nicht im Cinématte. Somit haben Sie auch den Film «Monks: The Transatlantic Feedback» verpasst und wissen nicht, dass die Monks die einzig wahre Band der 60er-Jahre sind.

Aber im Ernst: Der Film ist absolute Spitzenklasse, die Band sowieso – und die Einführung von Samuel Mumenthaler war es ebenfalls. Ich habe viel gelernt. Sie sollten sich also unbedingt Zeit nehmen, wenn es das nächste Mal heisst: «Musikfilme in der Cinématte.»

Und nun wünschen wir Ihnen ein schönes Wochenende – mit diesem Trailer:

Ab ins Kino

Daniel Gaberell am Montag den 8. Oktober 2007

KinohitsHallam Foe | Ich wollte den Migrosfilm nicht sehen, sie den Neuen von Fatih Akin nicht. So wählten wir «Hallam Foe», einen Film, von dem wir gänzlich Nichts wussten. Die Story ist mittelmässig, aber dank der Musik, den stimmungsvollen Bildern und vor allem dank Hauptdarsteller Jamie Bell (bekannt geworden als tanzender Junge Billy Elliot) geht dieser Streifen voll in Ordnung.
>> Durchschnitt, immerhin.

Chrigu | Wenn es um den Tod geht, dann geht es um das Leben. Darum: der Dok-Film über Chrigu bewegt und ist schön. Aber das hat Kollegin Signora Pergoletti bereits hier ausführlich beschrieben.
>> Hingehen, ansehen.

Ensemble c’est tout | «Amélie» hat sich neu verliebt. Zuerst sieht es zwar ganz und gar nicht danach aus, zum Schluss aber folgt ein ganz dickes Happy End. Zu dick, so finde ich.
>> Auslassen.

Schwarze Schafe | Ein Tag und eine Nacht werden verschiedene Menschen aus Berlin durch ihr verrücktes Leben begleitet. Dem Schweizer Regisseur Oliver Rihs ist es gelungen, einen nicht alltäglichen Kinofilm auf die Leinwand zu bringen. Skurriles reicht sich die Hand, manche Pointen allerdings waren für mich zu derb und verlieren dadurch ihre Wirkung.
>> Durchschnitt, immerhin.

Mit Kanonen auf Krebse

Grazia Pergoletti am Donnerstag den 20. September 2007

Freund und Chrigu Gestern war die Vorpremière von «Chrigu», einem Dok-Film, den das junge Zürcher Team von Arson-Film realisiert und der unerwartet – aber absolut berechtigt – an der diesjährigen Berlinale einen Preis erhalten hat.

«Ein wunderbares Beispiel dafür, was das Genre Dokumentarfilm ist, was es soll und was es kann», schreibt die Süddeutsche Zeitung, und das ZDF meint: «Ein bemerkenswert reifer Film. Packend, kraftvoll, ohne falsche Sentimentalität.»

Chrigu war ein Giu aus dem Umfeld der Mundartisten, deren Rapper Knackeboul nicht nur mich am heurigen Buskers begeistert hat. Chrigu hat Filme gemacht und als er die Diagnose Krebs erhielt, sagte er: «Chum mir mache e Film zäme, i stige de irgendeinisch us.»

Wie die junge HipHop-Jungs-Gang mit der Situation umgeht und auf Gefühle jenseits von Coolness, Aggression oder Pathos unmittelbar reagiert, ist sehr beeindruckend. Der Film ist ästhetisch näher am Videoclip, als am Betroffenheits-Hollywood-Schmarrn, er ist schonungslos und unsentimental und gefühlvoll. Ein Film über Freundschaft, das Leben und den Tod.

Chrigu wollte einen lustigen Film. Lustig ist er nicht geworden, aber schön und unbedingt, unbedingt sehenswert! Ab 27. September im Ciné Movie in Bern.

Der Filmmagier aus Prag

Benedikt Sartorius am Dienstag den 18. September 2007

Wie kann das verwinkelte, albtraumhafte und zugleich komische Werk des tschechischen Regisseurs Jan Švankmajer beschrieben und schriftlich erfasst werden? Dies ist die Frage, an der ich in diesen Tagen schier verzweifle. Denn die dicht komponierte Švankmajer-Mischung aus Puppentheater, der Stop-Motion-Technik sowie die starke Akzentuierung von Geräuschen – vor allem bei den obsessiven Essensszenen – verstört, zieht der Zuschauerin und dem Zuschauer den Boden unter den Füssen weg und macht sprachlos.

Politische Extreme und wechselnde totalitäre Regimes begleiteten und sabotierten zeitweilig seine Karriere: Der Surrealist Švankmajer erhielt in den 70er-Jahren Berufsverbot, die tschechische New Wave war damit niedergeschlagen oder längst nach Hollywood übergesiedelt. In den 80ern feierte der mittlerweile 73-jährige mit dem fulminanten dreiteiligen Animations-Kurzfilm «Dimensions Of Dialogue» auch internationale Erfolge und wandte sich vermehrt dem Drehen von Langspielfilmen zu, die trotz dem Gewinn des Goldenen Locarno-Leoparden noch immer ein Schattendasein fristen – auch weil eine angemessene Werkschau fehlt und die Filme nur über Ebay oder als sehr teure Importe verfügbar sind.

So entlasse ich Sie in den Mittag mit dem launigen Bonmot «Disney + Buñuel = Švankmajer» und einem scheinbar harmlosen Fleischtanz, die wüsteren Švankmajer-Mahlzeit-Videos werden auf Wunsch nachgereicht. Guten Appetit!

Zwei Musiker, drei Stunden, ein Song

Manuel Gnos am Dienstag den 18. September 2007

Wer in Bern seinen UKW-Empfänger auf 94,0 Megaherz einstellt, wird Zeuge eines kleinen Wunders: Dort ist Radio Casablanca zu hören. Und ich kann Ihnen versichern: Was dort geboten wird, ist das wahre Radio zum Glück.

Zum Beispiel am Montag letzter Woche, als Reverend Beat-Man das Publikum mit Perlen aus seiner obskuren Plattensammlung erfeute. Oder im Rahmen der sonntäglichen Reihe namens «Sudden Track», wo zwei Musiker drei Stunden Zeit haben, um zusammen einen neuen Song zu schreiben:

Benfay/Bonaparte: Copyright
Küenzi/Rufener: Waterfalls
Zum Schluss natürlich noch die Frage an Bubi Rufener, was er von den Casablanca-Machern hält:

«Ich bin 85, warum mache ich so einen Wahnsinn?»

Grazia Pergoletti am Montag den 17. September 2007

Hans Josephsohn

Kaum jemand hat dem in Zürich lebenden Bildhauer Hans Josephsohn je bei der Arbeit zuschauen dürfen. Dass Josephsohn dies den beiden Filmemachern Matthias Kälin und Laurin Merz erlaubte, hängt wohl damit zusammen, dass ihn mit den Vätern der beiden – dem Maler Otto Kälin und dem Schriftsteller Klaus Merz – eine langjährige Freundschaft verbindet. Dem geerbten Vertrauen werden die Regisseure des subtilen und grossartig fotografierten Films auch vollends gerecht.

«Das Wesentliche an dem Beruf ist wohl, dass man unsicher bleibt», sagt Josephsohn einmal. Er redet wenig, aber was er sagt ist kostbar und hat viel Schalk. Schön, dass Kälin und Merz die Geduld aufbringen, sich auf Josephsohns Rythmus einzulassen und zu warten, bis etwas von ihm kommt, anstatt ihn mit Fragen zu bedrängen und uns mit biographischen Eckdaten zuzuschütten. Obwohl Josephsohns Lebensweg ungewöhnlich ist: 1938, mit achtzehn Jahren, floh er erst nach Italien, dann in die Schweiz. «Mein Leben hat erst begonnen, als ich die deutsche Grenze hinter mir gelassen hatte.»

Er hätte sich mit der Zeit selbst wie eine weitere Skulptur empfunden, die im Atelier von Hans Josephsohn herumsteht, so Laurin Merz. Josephson, immer mit Cigarre, der gerne morgens erst mal ausgedehnt Kaffee trinkt und Zeitung liest («Der Übergang vom Normalbürger zum Bildhauer ist nicht immer einfach»), hat denn auch zeitweilig vergessen, dass er gefilmt wird. Das spürt man und ist sehr schön. Ein durch und durch ermutigender Film, zu sehen bis am 30. September im Kino im Kunstmuseum.

Waitress

Daniel Gaberell am Freitag den 17. August 2007

Kino in BegleitungSpätestens als Frauenarzt Dr. Pomatter zur schwangeren Patientin Jenna sagt: «In deinen Augen sehe ich der Sinn des Lebens», wusste ich, dieser Film wird mir ans Herz wachsen.

Auch mein Freund Pascal K. war begeistert von «Waitress», vielleicht sogar noch ein bisschen mehr als ich. «Der Film hatte von allem etwas: Humor, Romantik, Tragik und einen Hauch von Spannung».

Pascal und ich (wie wohl die meisten KinobesucherInnen) schlossen die hübsche Kellnerin Jenna ab der ersten Minute in unser Herz. Und als ihr fieser Ehemann Earl ihr erstens ein Kind macht und zweitens sie immer mehr wie eine Sklavin behandelt, hofften wir ganz fest, sie möge sich endlich von diesem Tyrann befreien können.

Auch die wunderschönen Bildkompositionen in den kräftigen Farben – oft mit gewolltem Hang zum Kitsch – werden mir gut in Erinnerung bleiben.

Adrienne Shelly spielt die Kellnerin DawnAdrienne Shelly führte bei diesem Film Regie und spielt glanzvoll eine Nebenrolle. Im Abspann des Films steht ganz zum Schluss geschrieben: In schöner Erinnerung an Adrienne Shelly. Vor einen Jahr wurde die junge Shelly in ihrem Büro in New York ermordet – noch bevor «Waitress» uraufgeführt wurde.

Meiner Meinung nach: ***** (unbedingt anschauen!)

Todsicher knallts

Frau Götti am Dienstag den 14. August 2007


Sonntagnachmittagskino mit Ulrich und Isolde.

Wir führten und den neuen Film von Quentin Tarantino zu Gemüte, “Death Proof“.

Also, wir drei sind uns ziemlich einig: Es geht fast ausschliesslich um dies:

Dodge Challenger

Und dann auch um sehr, sehr coole Frauen mit grossem Sinn für Ästhetik und am Rande um Männer, die gerne keine armseligen Würstchen, sondern richtig böse Macker wären.

Ulrich findet, Tarantino sei halt ein kleiner Junge mit Freude an Autos, Russ Meyer und billigen Actionfilmen aus den 70ern. Isolde macht sich Sorgen um die Schöne, welche die anderen drei als Pfand bei dem primitiven Vermieter des Dodge Challenger zurückgelassen haben. Ich finde, das ist gar kein Film, sondern eine Zelebration.

Alle drei sind wir hingerissen von Vanessa Ferlito:
Isolde: “sieht aus wie Michael Jackson“; Ulrich: “sexy Bäuchlein“; ich: “schön und spooky“.

Und dann gibt es noch zu erwähnen: Füsse sind nach wie vor wichtig, eine der Damen hat das Pfeifen von Kill Bill als Handyton und die Musik ist trashig wie gehabt.

Le Mans

Daniel Gaberell am Samstag den 14. Juli 2007

LogoKinoBegleitungHeute mit: Kathrin W. und Thomas E.

Progr Openairkino, die Stuhlreihen sind halb besetzt, Sternenhimmel.

Steve McQueen ist Mitfavorit zum Gewinn des 24-Stunden-Rennens in Le Mans im Jahre 1970. Geredet wird kaum, es wird eigentlich nur gefahren. Laut, schnell, männerhaft. Der Film wirkt auch dokumentarisch.

Steve McQueenPause
Kathrin: «Dieser Film ist eine ziemliche Anstrengung.»
Thomas: «Das passt mir noch, diese Lederjägglis und Rollchrägelers.»

Geredet wird immer noch nicht. In der Zwischenzeit hat es in Le Mans zu Regnen begonnen. Eine schöne Fahrer-Witwe, die nie lächelt, macht sich während den Rennpausen auf eine melancholische Art und Weise an Steve McQueen heran. Irgendwann baut er einen Unfall, hat Glück im Unglück, fährt zum Schluss noch zwei Runden in einem anderen Wagen und wird zweiter. Die Fahrer-Witwe lächelt zwar noch immer nicht, gibt sich zum Schluss aber immerhin monalisahaft.

Kathrin (in der Zwischenzeit wieder aufgewacht): «Ist das ein schlechter Film!»
Thomas: «Der Rennsport ist etwas vom Schlimmsten auf der Welt, dies aber war ein Prima-Filmli.»