Archiv für die Kategorie ‘Film & Fotografie’

Into the Wild

Daniel Gaberell am Donnerstag den 14. Februar 2008

«Ich liebe die Menschen, aber die Natur noch mehr.» Und dann kehrte er seiner Familie, der Gesellschaft bedingungslos den Rücken zu und zog los in die weite Natur im Norden Amerikas. Und das trotz Bestnoten in der Tasche, eigentlich eine ideale Voraussetzung für eine erfolgreiche Karriere (im herkömmlichen Sinn).

Von und mit der Natur leben, das war sein einziges Ziel. Dieses Ziel erreichte Alexander Supertramp dann auch, mehr als ihm zum Schluss lieb war. Denn das viele Wasser und die tragische Verwechslung von Beeren lassen unseren Protagonisten – ich kann es nicht anders beschreiben – in der grössten Einsamkeit verrecken und die 140 Minuten Film sind um.

Gewaltige Bilder, betörende Musik und fantastische Schauspielerei machen «Into the Wild» zu einem sehenswerten Streifen. Sean Penn führte Regie und er tat dies sehr gut. Zu Beginn des Abspanns sieht man ein Selbstportrait des Aussteigers und erst dann realisiert der Kinogänger, dass es sich hier um eine wahre Geschichte handelt. Das Foto verblüfft durch seine Ähnlichkeit mit dem Hauptdarsteller – spätestens dann geht der Film tüchtig unter die Haut.

Meine Begleitung jedenfalls blieb stumm.

«Das Glück ist nur real, wenn man es teilen kann.» Dieser Satz ritzte Supertramp mit letzten Kräften ins Holz – wie Recht er doch hat.

Filmmarathon in Soledurn

Benedikt Sartorius am Samstag den 26. Januar 2008

Es ist nie schön, morgens, kurz nach halb zehn, die Fratze des serbischen Bestseller-Autors und SVP-Nationalrat Oskar Freysinger auf einer Grossleinwand zu erblicken. Schön auch nicht, das anmassende Wort «Kulturschaffende» bzw. «Kunstschaffende» so viel zu hören. Kurz: Zu viel grosse und leere K-Worte im konventionellen Film «Gartentor, Kulturminister», der an den Solothurner Filmtagen gezeigt wurde.

Wunderbar und grossartig dann der Film des verstorbenen Schweizer Regisseurs und «DU»-Kolumnisten Jörg Kalt, den niemand in der Schweiz als Schweizer wahrnahm: Österreichisch, absurd, lustig, traurig, komisch, formal abenteuerlich sein Filmschulabschlussfilm «Richtung Zukunft in die Nacht» (2001), der als Hommage an Kalt kurzfristig ins Programm aufgenommen wurde.

Weiter im selbstauferlegten Filmmarathon: Das schöne Portrait über das Altwerden als Prostituierte «Frau Mercedes» der Berner David Fonjallaz, Simon «Kummerbundbub» Jäggi und Louis Mataré, die zeitweise laut schnaubenden Dampfschiffe in Cyrill Schläpfers Nichtfilm «Die Waldstätte – Dampfschiffsymphonie», Heilige Narren am überdimensionierten Pöög-Verbrennungsfest Burning Man und Jesus-Freaks im leider weit zu prätentiösen «Desert – Who Is The Man» sowie ein fürchterlich schlechter Halbstünder, dessen Name mir glücklicherweise entfallen ist.

Die Stadt Solothurn besuchte ich übrigens zum ersten Mal und mir gefiels vorzüglich. Bester Kebab in der Pittaria, schöne Genossenschaftsbeiz – auch ohne Filmtage ein superbes Ausflugsziel.

Gern gesehen

Daniel Gaberell am Dienstag den 22. Januar 2008

Ich will der werten KSB-Leserschaft den einen Film, welcher bereits im Sommer 06 in den Kinos zu sehen war, entweder nicht vorenthalten oder wieder in Erinnerung rufen: Je ne suis pas la pour être aimé (Man muss mich nicht mögen).

Eine wunderschöne Geschichte über die Einsamkeit, die eigenen Frustrationen, über die Familie und – logisch – über die Liebe. Eine Liebesgeschichte, die eigentlich nicht sein darf, dann aber halt doch ist, dann wieder nicht mehr ist und zum Schluss…, ja der Schluss sei hier mal nicht verraten.

Das Herzstück dieser rührenden Geschichte ist der Tango. Dieser Tanz und diese Musik bringt das Glück ins Rollen. Und die unzähligen kleinen Details, die zahlreichen ruhigen Momente und die dezent eingesetzte Musik verleihen dem unspektakulären Film zusätzlich eine berührende Tiefe.

Hat man «Je ne suis pas la pour être aimé» gesehen wird einem (erneut) klar, dass die Liebe fällt wie sie will und man seine eigene Geschichte nicht abstreifen kann.

Die DVD gibt es in der Kornhausbibliothek und Tango-Kurse im Club Viento Sur in der Länggasse.

Ganz schön langsam

Grazia Pergoletti am Sonntag den 6. Januar 2008

«Die Leute sagen, mein Film sei sehr schön und sehr langsam – so hätte ich auch gerne die Welt: Schöner und langsamer». Das erklärte Regisseur M.A. Littler in seiner unübertrefflich charmanten Ansprache anlässlich der Première seines ersten Spielfilms THE ROAD TO NOD gestern Abend im Cinematte.

Als Vorfilm bekam man zwei Videoclips zu Beatmans aktueller CD zu sehen, ebenfalls von Littler gedreht. Im einen tauft er eine illustre und gutaussehende Gefolgschaft, im anderen wird er von zwei Teufelsweibern umworben. Umwerfend!

THE ROAD TO NOD schliesslich ist tatsächlich sehr schön fotografiert und langsam, sehr langsam. Die Story ist dünn, darüber helfen die Auftritte von bekannten Gesichtern, wie Beatman oder Delaney Davidson, Alain Croubalien und Pierre Omer von den Dead Brothers nur bedingt hinweg. Die Männer trinken Whisky und reden übers Geschäft, während die Frauen strippen, und es wird wahnsinnig viel zu Bluesmusik Auto gefahren.

Trotzdem, unbegabt kommt das Ganze nicht daher, die Dialoge sind teilweise recht witzig und poetisch. Die Nicht-Schauspieler machen ihre Sache grösstenteils ganz schön. Und wer hätte gedacht, dass Frankfurt – dort wurde der Film gedreht – so amerikanisch aussehen kann.

«Jede Aera geht einmal zu Ende» sagt Alain Croubalien im Film, und natürlich bezieht man dies auch auf die Auflösung der Dead Brothers. Pierre Omer gibt dann auch ein reizendes feines kleines Solokonzert im Anschluss an die Filmpremière. Schade um diese Band, ich werde ihnen noch manche Träne nachweinen!

Der erste schönste Film des Jahres

Benedikt Sartorius am Samstag den 5. Januar 2008

Kino in Begleitung Die Vorfreude auf den neuesten Augenschmaus des zurzeit liebevollsten Filmregisseurs Wes Anderson war immens und The Darjeeling Limited – diese wilde Pilgerreise dreier kaum spirituell orientierter «Luxusbrüder», die mit Louis-Vuitton-Koffern durch Indien zotteln und sich mit Medikamenten den Rausch holen – war schliesslich genau das, was sich die KSB-Fanpresse mitsamt Begleitung erhofft hatte: Ein einziger, bestechend arrangierter Gwunderkasten.

Wie immer versucht Wes Anderson in seinen nur auf den ersten Blick absurden Geschichten, Familien neu zusammenzusetzen und wieder zusammenzubringen. Der im richtigen Leben zu suizidalen Tendenzen neigende Owen Wilson spielt wie bereits in «The Royal Tenenbaums» eine selbstmörderische Figur, der im Vorfeld von Begleitung S. als Schönling verpönte Adrien Brody stolpert mit rosa Boxershorts durch die indischen Landschaften, während Bademantelliebhaber Jason Schwartzman seine autobiographische Prosa als Fiktion verkaufen will.

Der Zugfilm The Darjeeling Limited erinnert an die irrwitzige Indienreise der Beatles (natürlich lautet Andersons Antwort auf die notorische Frage: «Beatles oder Rolling Stones?» «Beatles und Rolling Stones.»), bringt verborgene Schätze der Populärmusik an die Oberfläche und ist – wenn nicht ganz so nachhaltig wie Andersons Meisterwerk «The Life Aquatic» (dazu in Bälde mehr auf diesem Kanal) – der erste schönste Film des neuen Jahres. Horn please!

Drei verirrte Brüder auf Sinnsuche

Nichts für schwache Augen und Ohren

Frau Götti am Donnerstag den 3. Januar 2008

Kino in Begleitung Uh, da konnte ich einige Male nicht hinkucken. Und noch mehr: auch nicht hinhören. Hatte leider kein Ohropax dabei.

Nein, David Cronenberg verschont einen in seinem neuen Film Eastern Promises nicht mit Blut. Vielleicht ist die Brutalität der russischen und tschetschenischen Mafia in London nur so zu zeigen.
Man nimmt den Darstellern ihre Rolle jedenfalls ab. Grossartig besonders die beiden: Vincent Cassel, der zornige Vinz von La Haine, und Viggo Mortensen, der schöne Aragorn von Lord of the Rings.

Begleiter (nennnen wir ihn doch wie immer:) Ulrich findet den Plot ein wenig einfach und die Geschichte um die Hebamme Anna ein wenig kitschig. OK, sage ich, stimmt schon, aber das Bisschen Heldentum und zarte Gefühle helfen mir, dass ich die Brutalität ertragen kann.

Fleisch spielt eine grosse Rolle hier. Die in die Haut eingebrannten Tattoos erzählen die Geschichte dessen, der in der Haut steckt, nicht dieser selbst.

Ulrich verortet übrigens den cineastischen Höhepunkt des Films in der Schlachtszene (anders kann mans wohl nicht nennen) in der Sauna. Ich kanns nicht beurteilen, ich hielt mir gerade Augen und Ohren zu.

Unbestrittene Weihnachtskönigin

Daniel Gaberell am Dienstag den 25. Dezember 2007

Göttin der Weihnachtszeit

Was wäre Weihnachten ohne Geschenke? Ohne «Stille Nacht»? Der Tannenbaum ohne Kerzen? Heiligabend ohne Mitternachtsmesse? Was wäre Weihnachten ohne «Drei Haselnüsse für Aschenbrödel»?

Tři oříšky pro Popelku – so heisst der Film auf Tschechisch, wurde am 26. Dezember 1975 zum ersten Mal im Deutschen Fersehen gezeigt. Aber das können Sie hier auf Wikipedia alles selber nachlesen.

Vielleicht wussten Sie aber nicht, was Koláčky sind? Eben. Das ist nämlich das Gebäck aus dem Vorspann im Film. Aber auch das können Sie selber recherchieren, nämlich hier, auf der Fan-Webseite zum Film.

Und falls Sie ebenfalls keinen Fernseher zu Hause haben, können Sie hier einen gratis downloaden (und es funktioniert sogar).

Heute und morgen auf diversen Sendern zu diversen Tageszeiten.

Kein gar nichts!

Manuel Gnos am Freitag den 30. November 2007

Filmplakat Wilco. (Bild zvg)Es war ein schöner Moment im Leben, als man feststellte, dass Musik nicht nur in der offiziellen Hitparade stattfindet. An jenem Tag schwörte ich mir, mich mein Leben lang täglich auf die Suche nach schöner neuer Musik zu machen.

Mehr als zwanzig Jahre später stehe ich vor meinem CD-Gestell und muss feststellen: Das ist ein unorganisierter Haufen! Das meiste davon ist mir zufällig untergekommen. Kein System, kein roter Faden, kein gar nichts!

So auch Wilcos Album «Yankee Hotel Foxtrott», das ich im September 2004 bei Reckless Records in Chicago gekauft habe, weil mir das Cover mit den beiden Maiskolbenwolkenkratzern das Herz aufgehen liess. Letzteres schloss sich dann auch eine Weile nicht mehr, weil ich hier völlig unbedarft auf eine unaufdringlich funkelnde Perle der Musikgeschichte gestossen war.

Somit war es gestern Abend Pflicht, ins Cinematte zu gehen und mir «I Am Trying To Break Your Heart – A Film About Wilco» anzusehen – ein wunderschön fotografierter Film, der die Entstehung von «Yankee Hotel Foxtrott» zeigt, den Streit in der Band, den Rauswurf eines Mitglieds, die Ignoranz der Musikindustrie und nicht zuletzt die grossartigen Bilder der grossartigsten Stadt der Welt.

Liebesleben

Daniel Gaberell am Dienstag den 27. November 2007

Kino in Begleitung Nach dem Bestsellerroman von Zeruya Shaley. Eine junge und schöne Frau in Israel hat eigentlich alles: wohnt hübsch, sie ist glücklich verheiratet und es winkt ihr eine Karriere an der Uni. Dann aber verliebt sie sich in den früheren Schulfreund ihre Vaters. Eine widersprüchliche Liebesaffäre nimmt ihren Lauf, ihr Leben gerät aus den Fugen, das Chaos ist perfekt.

Er und Sie Was der Kinobesucher bereits zu ahnen beginnt, nämlich dass es hier nicht nur einfach um diese Liebesbeziehung sondern auch um eine alte und vor allem ungelöste Geschichte ihrer Eltern geht, wird immer deutlicher. Und einmal mehr zeigt der Film «Liebesleben», wie wenig wir Kinder von unseren Eltern wissen…

Kinobegleiterin Barbara meinte nach dem Film: «Für mich ist noch immer nicht ganz klar, weshalb sich die junge Frau in den alten Mann verliebt hat. Schade.»

Trotzdem: sehenswert (*****)

Animierte Grautöne

Frau Götti am Freitag den 16. November 2007

Comics lassen sich eben schon saugut in die Filmsprache übersetzen. Das zeigte etwa Robert Rodriguez mit seiner Comic-Adaption von Frank Millers Sin City. Es hat seinen Reiz, wenn auditive Effekte den visuellen gekonnt beigefügt werden.

Jüngstes Beispiel ist der Film Persepolis. Die Iranerin Marjane Satrapi animiert darin ihre gleichnamige Comic-Autobiographie, zusammen mit Vincent Paronnaud.

Sie erzählt vom Iran der blutigen 70-er und 80-er Jahre mit der islamischen Revolution und dem Krieg mit dem Irak ebenso wie vom Migrantendasein in Wien. Und das alles in einer kraftvoll reduzierten Bildersprache, die fast ohne Farbe, nur mit Schwarz-Weiss-Schattierungen auskommt.

Der Film berührt und erschreckt in seiner beklemmenden Darstellung von Einsamkeit und den schonungslosen Blick auf Gewalt. Dass dies alles so wirkungsstark ist, schafft Satrapi, weil es naiv-leicht und vollgeladen mit Humor daherkommt.

Falls Sie sich jetzt noch fragen, wieso Comic und Film so heissen: Persepolis war der Name der antiken Hauptstadt der Perser,
تخت جمشيد.