ich muss sagen, hier in Locarno ist die Hölle los. Tausende von Filmliebhaber und –liebhaberinnen sind nun angekommen. Am Bahnhof ging es drunter und drüber. Zuweilen waren sogar sämtliche zwölf Taxis gleichzeitig unterwegs!
In den engen Gassen flanieren ist hier ein Kulturgut, ebenso der Seepromenade entlang. Und natürlich haben wir hier viele Leoparden Schwäne und Pedalos – das volle Programm halt.
hier in Locarno sind wir parat. Die 7527 Stühle aufzustellen war zwar eine schweisstreibende aber durchaus auch eine schöne Arbeit. Die vielen Sitzgelegenheiten aufzuklappen, überhaupt die Grande Pizza Piazza herzurichten, ist so was wie das erste Finale für uns Film-Menschen im tiefen Süden: Es kann jetzt losgehen!
Und morgen Abend ist es dann endlich soweit. Wir starten auf der Piazza Grande immerhin mit Emma Thompson.
Wegen der Wassertemperatur und dem Angebot an Gelati werde ich mich morgen wieder melden.
Bereits in der ersten Szene des Dokufilms «Maradona by Kusturica» wird Emir Kusturica als Diego Armando Maradona des Weltkinos vorgestellt, sprich, als Rebell, Künstler, Magier und natürlich auch als Gott.
Ein Gott braucht aber eine Kirche – und die hat der Fussballheld bereits. Die Iglesia Maradoniana ist denn auch für die komischsten Szenen im engagierten, zerrissenen wie chaotischen und rauschhaften Film über Diego Armando Maradona zuständig, der gestern als Vorpremiere im Freiluftkino auf der Grossen Schanze über die riesige Leinwand lief.
Während drei Jahren suchte der Neo-Dorfbesitzer Kusturica Maradona in Buenos Aires auf, hielt intime Interviews, besuchte mit ihm Neapel, wo sich tumultöse Szenen abspielten und Belgrad, wo das Genie einst im Barcelona-Dress den roten Stern zum Fallen brachte und nun beinahe unerkannt durch die Strassen kutschen kann.
Kusturica schneidet auch immer Szenen aus seinen eigenen Filmen ein und findet Parallelen, die für Werkunkundige zuweilen mehr verwirrend als erspriesslich sind.
Immer wieder im Film:Das Tor des Jahrhunderts gegen England – untermalt mit «God Save The Queen» der Sex Pistols. Wie auch: Die Hand Gottes, sein Bubenstreich im «Fussballkrieg gegen die imperiale Macht.»
Der Mythos Maradona lebt dank diesem Film weiter – oder neu auf. Wahrscheinlich ab Herbst auch im regulären Kinoprogramm.
«J’ai toujours rêvé d’être un gangster» ist für mich das Kino-Highlight des noch jungen Jahres 2008. Der ganz in S/W gehaltene Ganovenfilm zeichnet ein wunderbares Männerbild. Männer, die ziemlich erfolglos im Leben stehen, ebenso erfolglos auf die grosse Beute hoffen und relativ erfolglos gegen den Charme der bezaubernden Bardame ankämpfen.
«J’ai toujours rêvé d’être un gangster» besteht aus verschiedenen kleinen Geschichten die inhaltlich eigentlich nichts miteinander zu tun haben. Die einzige Gemeinsamkeit besteht darin, dass sich die Protagonisten irgendwie und irgendwann mal auf derselben Autobahnraststätte begegnen.
Das Aufeinandertreffen der zwei grossen Musikern Arno und Alain Bashung – die sich selber spielen – ist für mich persönlich ganz, ganz grosses Kino!
Läuft zurzeit im Cinema Star
«Bienvenue chez les Ch’tis» ist ein ganz anderer Film. Dieser Streifen ist leicht verständlich, luftig und unbekümmert. Die Geschichte ist schnell erzählt: ein Postbote wird in den Norden Frankreichs versetzt. Dort erwarten ihn (logischerweise) trinkende, knorrige Nordländer und Dauerregen. Doch weit gefehlt…
Genau mit diesen Klischees und Vorurteilen spielt «Bienvenue chez les Ch’tis». Und das ziemlich erfolgreich: In fünfzehn Monaten pilgerten zwanzig Millionen Franzosen, ein Drittel der Gesamtbevölkerung, ins Kino, um diesen Film zu sehen. In Frankreich ist «Bienvenue chez les Ch’tis» der grösste Kinoerfolg seit vierzig Jahren und auf dem besten Weg, «Titanic» mit 21 Millionen Besuchern zu überholen.
Nur kurz, denn die Züge fahren für Sie bald nach Neuchâtel, wo Sie sich um 13:30 Uhr anlässlich des NIFFF – dem Festival für den fantastischen Film – den Episodenfilm «Tokyo!» ansehen sollten.
Michel Gondry verpflanzt ein Bastler-Alter-Ego nach Japan, Leos Carax – der mysteriöse französische Regisseur – steigt mit seiner Kreatur «Merde» sprichwörtlich aus dem Untergrund, um Tokyo zu zerstören, während Bong Joon-Ho eine Endzeit-Liebesgeschichte zwischen Hikikomoris erzählt.
Insbesondere Carax’ Gestalt Merde ist lustig, grausig, untot, eine Jesusfigur, ein Teufel, und von Denis Lavant dargestellt, der eine ähnliche Figur auch schon im legendären Videoclip «Rabbit In Your Headlight» darstellte.
Welch herrlicher Frühsommermorgen! Und ausgerechnet an einem solchen Tag habe ich eine etwas unerfreuliche Nachricht für Sie: Die Ausstellung «Spielfelderweiterung», die ich Ihnen diesen Montag in unserem Kulturböitel empfohlen habe, ist – zumindest zurzeit – nicht wirklich einen Besuch wert.
Laut Flyer produzieren die sechs beteiligten Fotografen «täglich neue Bilder und gestalten mit diesen im Progr nach und nach eine Wand». All dies mit dem Ziel, den Betrachtern «ein Bild jenes Lebens in Bern zu übermitteln, das sich abseits der TV-Kameras und Fanzonen abspielt, aber doch einen Bezug zur Euro 08 aufweist».
Aufgrund dieser Ansage hatte ich mich auf einen Bildersturm gefreut: Sechs Fotografen, die je einen grossen Bogen an Eindrücken in kleinen Formaten darbieten. Doch dem ist nicht so. Gestern Nachmittag hingen an der Wand im Progr (Eingang vis à vis Turnhalle) 13 etwas lieblos gedruckte und aufgehängte Fotos, ohne Hinweis auf den jeweiligen Urheber.
Trotzdem, ich werde die Entwicklung der Wand natürlich weiterverfolgen und Sie auf dem Laufenden halten. Bis dahin freuen wir uns über Post von Ihnen: Senden Sie uns Ihre liebsten Euro-08-Bilder. Wir würden Sie gerne hier publizieren. Kontakt: ebundredaktionklammeraffderbundpunktch. Oder stellen Sie sie gleich in die Kommentare.
Der Berner Fotograf Rolf Siegenthaler ist ein Meister zurückhaltender und ruhiger Farbfotografie. Alltägliches und auf den ersten Blick Unspektakuläres, wirkt in seinen Bildern eigentlich immer kunstvoll und schön.
Rolf Siegenthaler, die Ausstellung in Biel zeigt auch hochalpine Bilder. Bist du persönlich ein Berggänger oder brachte dich jeweils der Heli auf den Gipfel?
Es herrschte stets miserables Wetter, der Heli konnte so unmöglich starten. So blieb mir nichts anderes übrig, als die Schneeschuhe anzuschnallen und durch den tiefen Schnee dem Gipfel entgegen zu stapfen.
Digital oder Analog? Die gezeigten Bilder und generell?
Schweres Stativ, Grossformatkamera und schwarzes Tuch, ganz klar analog. Digital kam dann später zum Zug, als es galt, die Bilder auf das schöne Aquarellpapier zu printen.
Wie wichtig schätzt du das Photoforum für die Fotoszene in der Schweiz ein?
Sehr wichtig. Nebst den zwei grossen Institutionen Elysée in Lausanne und Fotomuseum/Schweizerische Fotostiftung in Winterthur bildet das Photoforum in Biel die dritte Kraft in der sonst kargen Fotografie(ausstellungs)landschaft der Schweiz.
Das Photoforum Pasquart in Biel zeigt die neusten Werke Siegenthalers in der sehenswerten Einzelausstellung «m.ü.M» noch bis am 15. Juni 2008.
Was tun Samstagnacht in einer deprimierten Stadt? Ich habe mir über die Krise hinweggeholfen, indem ich in die Spätvorstellung von Emir Kusturicas «Promise me this» gegangen bin. Und mir die darauf folgenden zwei Stunden lang den Bauch gehalten habe vor Lachen!
Der junge Bauernsohn Tsane wird von seinem erfinderischen Grossvater mit einer Kuh in die Stadt geschickt, um eine Ikone, ein Souvenir und eine Ehefrau zu besorgen. Tsane wird in allerlei Gangstergeschichten verwickelt, hat aber zum Glück die Unterstützung zweier schlagkräftiger Brüder in karierten Hemden – zwei brilliante Komiker, und nicht die einzigen in diesem Märchen für Erwachsene, das einige recht unkorrekte Seitenhiebe auf die politische Entwicklung im Balkan enthält.
Die SchauspielerInnen sind allesamt ganz grossartig und sich nebenbei auch für nichts zu schade. So grob die comixartigen Scherze zum Teil daherkommen, so zartbesaitet fotografiert ist das ganze immer wieder: Wunderbare poetische Bilder, zum Beispiel wenn Tsane in einem Pool mit Äpfeln badet.
Diese Mischung ergibt einen herrlich unverfrorenen Film, vielschichtig und doch scheinbar aus der Hüfte geschossen. Einzig von der Musik war ich diesmal nicht so sehr begeistert.
Etwas Herausragendes scheint jeweils dann zu entstehen, wenn jemand bereit ist, allen Widrigkeiten zum Trotz eine Idee zu verfolgen. Diese Erkenntnis ist nicht neu und auch kaum mehr als banal. Trotzdem erinnere ich mich jeweilen an sie, wenn ich auf das Resultat eines solchen Weges stosse.
So geschehen gestern Abend bei der Premieren-Party zu Reverend Beat-Mans «Surreal Folk Blues Gospel Trash Vol. 3» im (oder in der?) Cinématte.
17 Filmerinnen und Filmer aus aller Herren Länder haben 19 Clips zu den Songs von Beat-Mans «Surreal Folk Blues Gospel Trash» Teil eins und zwei produziert. 18 davon sind zurzeit im Kino an der Aare zu sehen, einer ist irgendwo über dem Atlantik verschollen.
Natürlich wäre es übertrieben zu behaupten, dass jeder dieser Musikkurzfilme ein Kunstwerk geworden ist. Jedes einzelne dieser 19 Videos ist aber auf seine Weise gelungen. Mein persönlicher Favorit ist der Clip von Adrian Winkler und Nella Lombardi, in dem eine muppetshowähnliche Puppe den «Beat-Man Way» erklärt. Umwerfend!
(Be)rührend auch Beat-Mans kurze Einwürfe zwischen den Videos – so zum Beispiel seine Freude daran, dass auch er jetzt seine Trilogie habe. Oder der durchaus zynisch zu verstehende «Dank an alle Organisationen und Institutionen, die für diese Sache kein Geld gesprochen haben, denn ohne sie wäre es nicht No Budget geblieben».
Jesus Christ Twist, Clip von Rafael Perez:
Weitere Vorführungen: Heute, 26. April, sowie am Montag, 28. April, jeweils um 21 Uhr im Cinématte.