Archiv für die Kategorie ‘Film & Fotografie’

Gauner- und Familiengeschichte

Gisela Feuz am Dienstag den 19. Juni 2018

Eigentlich sei er das ganze Leben lang auf der Flucht gewesen, meistens vor der Realität, manchmal auch vor der Polizei. Das sagt der Filmemacher Stefano Knuchel in «Quando ero Cloclo» über seinen Vater. Der gebürtige Tessiner Knuchel erzählt darin seine Familiengeschichte und die hätte ein Schriftsteller mit Vorliebe für Gaunerfiguren nicht besser entwerfen können.

Knuchel nimmt uns mit ins Tessin der 1960er-Jahre, wo Vater und Mutter nicht nur ein Hotel betreiben, sondern auch gleich den eigenen Nachclub, in dem auch mal osteuropäische Stripperinnen mit Bär auftreten. Erzähler Knuchel schlüpft dabei in die Rolle des fünfjährigen Buben, der sich für den Bären mehr interessiert als für die Stripperin und der die rauschenden Feste, die seine Eltern veranstalten, mit grossen Augen bestaunt. Als grosses Abenteuer empfindet er auch die folgenden Jahre der Odyssee. In 20 Jahren zieht die Familie etwa 50 Mal um, was damit zu tun hat, dass der Papa gerne Dinge verhökert, die er nicht besitzt und lieber das Weite sucht, anstatt Miete zu bezahlen. Die Reise führt unter anderem ins Wallis und nach Frankreich, wo der kleine Stefano aus Einsamkeit und aus Mangel an Freunden ganz in die Welt der Musik abtaucht und, sehr zur Freude der Mama, als Claude Francois-Imitator «Cloclo» auftritt.

Die Figur des  Gauner-Vaters bestimmt das Familienleben und ist somit auch in «Quando ero Cloclo» omnipräsent. Knuchel erzählt aber auch die Geschichte seiner Mutter, eine starke Frau, die Laden und Familie schmeisst, als der Vater in Marseille im Gefängnis sitzt und ihren fünf Kindern zumindest ein bisschen Bodenhaftung und Normalität vermittelt. Nicht allen der Geschwistern bekommen Entwurzelung und Heimatlosigkeit gleich gut, so haben Knuchels Brüder zeitlebens mit Suchtproblemen, Vereinsamung und Depression zu kämpfen.

Stefano Knuchel selber scheint glimpflich davon gekommen zu sein. Es ist der vierte Film, welcher der ehemalige Radio- und TSI-Fernsehmoderator mit «Quando ero Cloclo» gedreht hat und es ist ein ausnehmend persönlicher Film geworden, in dem Knuchel nicht einfach nur erzählt, sondern Gefühle mit filmischen Techniken umzusetzen sucht. So reist er an die Stationen seiner Kindheit zurück, alte Archivbilder und Fotos werden mit nachgedrehten Szenen gepaart, wobei auch mal surreale Traumelemente einfliessen. Manchmal ist es gewöhnungsbedürftig, wenn der heute 51-jährig in die Rolle des kleinen Buben schlüpft. Dann wieder sind es genau diese farbenfrohen, kitschigen Magic-Realism-Szenen, die den Film von anderen Familienbiographien abheben. Nebst der unglaublichen Familiengeschichte selber natürlich. «Was ist 395 Jahre alt und hat Alkoholismus, Gefängnis, Drogen, Betrügereien und Depressionen überlebt? Meine Familie!» sagt Knuchel an einer Stelle. Und: «Wir leben noch.»

«Quando ero Cloclo» wird am Montag 25. Juni um 20:30Uhr im Kino Rex in Anwesenheit des Filmemachers Stefano Knuchel gezeigt. Sie möchten gerne gratis in die Vorstellung? Nichts einfacher als das: KSB verlost Tickets, schreiben Sie uns hier. (Teilnahmeschluss Sonntag 24. Juni 12 Uhr)

Gratis zum Weltuntergang

Gisela Feuz am Mittwoch den 30. Mai 2018

Ab Freitag geht im Kino Rex regelmässig die Welt unter. Nein, nicht jeden Abend wie in Douglas Adams’ «Restaurant at the End of the Universe», aber doch immerhin 11 Mal. Aus Anlass der Ausstellung Weltuntergang – Ende ohne Ende im Naturhistorischen Museum zeigt das Rex nämlich eine Retrospektive mit Apokalypse-Klassikern. Darunter Perlen wie Invasion of the Body Snatchers (1956), Kubricks galgenhumorige Satire Dr. Strangelove (1964), Romeros Night of the Living Dead (1968), Coppolas Apocalypse Now (1979).

Den Start macht am Freitag ein richtig alter Schinken: Verdens Untergang aus dem Jahre 1916. Der Stummfilm des dänischen Regisseurs August Blom gilt als einer der ersten abendfüllenden Katastrophenfilme der Filmgeschichte, wobei ein Meteorit, der auf die Erde zusaust, die Hauptrolle übernimmt. Viel wichtiger als das Ungemach, welches der Stein verursachen wird, ist allerdings, was bis zu dessen Einschlag passiert, denn Menschen stellen sich in Krisenzeiten ja ganz unterschiedlich an. Einige verstecken sich in Panik mit Vorräten im Keller, andere versuchen vielleicht kaltblütig Profit aus dem nahenden Untergang zu schlagen. Entsprechend ist Verdens Untergang eigentlich weniger Meteoritenfilm, sondern vielmehr Abbild eines Klassenkampfes und emotionaler Verstrickungen.

Und Sie so? Wenn die Welt nächsten Monat untergehen würde, was würden Sie bis dahin anstellen? Dem Chef endlich mal ordentlich eins aufs Maul hauen, Maisbüchsen zu Wucherpreisen verhökern oder doch die Mama anrufen und ihr sagen, dass man sie ganz doll lieb hat?

2012 hat Evelinn Trouble fürs CinéAir Nyon Verdens Untergang vertont (siehe Trailer), am Freitag im Kino Rex wird dies Jazzmusiker und Improvisator Martin Schütz mit Cello und Electronics tun. Sie möchten gratis in die Vorstellung? Nichts einfacher als das: Schreiben Sie uns bis Freitagmittag 12 Uhr eine Mail. Und die Mama anrufen und ihr sagen, dass man sie lieb hat, könnten Sie ja auch ohne drohenden Weltuntergang mal wieder.

Warum? Darum ins Kino.

Roland Fischer am Dienstag den 29. Mai 2018

Ja, man muss aus dem Haus dafür, man muss zum Beispiel runter ins Lichtspiel, furchtbar weiter Weg, schon klar. Man kann nicht einfach den Laptop im Bett aufklappen und den Copyrightern eine Linke verpassen. Man kann auch nicht mal rasch Pause drücken und aufs Klo oder eine Instagram-Benachrichtigung checken. Aber dafür bekommt man dann – heute und morgen – zwei Filme serviert, die eigentlich gar nicht laufen dürften auf kleinem Screen und denen sich knisternde, fiepende, beim Bass passende Böxchen sowieso verweigern sollten.

Heute abend «Der Klang der Stimme», ein Dokfilm, der ohne vernünftiges Soundsystem nicht wirklich Sinn macht. Apropos Sound: Der Film läuft als Begleitprogramm zur aktuellen Ausstellung im Sensorium Rüttihubelbad. Sicher auch einen Besuch wert.

Und morgen dann «Leviathan». Dazu gar nicht viele Worte verloren, ausser: Wer den noch nicht gesehen hat – viele Gelegenheiten wird es wohl nicht mehr geben, sich von diesen grossen Bildern überwältigen zu lassen. Da draussen im Kino.

Jahresbericht der anderen Art

Gisela Feuz am Freitag den 18. Mai 2018

Das Naturhistorische Museum Bern hat sich wieder einmal selber übertroffen mit seinem Jahresbericht (siehe unten). Und ausserdem liefert es eine Steilvorlage, wie man einen popeligen Freitagnachmittag im Büro möglichst sinnvoll verplempern kann: indem man sich alle alten Creature-Comforts-Episoden zu Gemüte führt. Sagt Ihnen nichts?

Ab 1989 kombinierten findige Köpfe von Aardmann Animations Zootiere aus Knete mit den Stimmen von Menschen, welche über ihr Zuhause sprachen, so dass es aussah, als würden die Tiere über ihre Lebensumstände befragt. Richtig grosses Stop-Motion-Kino ist das. Das Personal bestand aus einem depressiven Gorilla, einem brasilianischen Puma und einem Nilpferd, die sich ständig über das kalte Wetter, fehlenden Platz und mangelnde Freiheit beklagten. Auf der anderen Seite rühmte das Gürteltier die Sicherheit der Unterkunft und Familie Polarbär legte sowohl die Vor- als auch die Nachteile in Bezug auf das Wohlergehen von Tieren in Gefangenschaft dar. So wirds wohl auch im richtigen Zoo sein: Einige Tieren kommen besser mit ihren Lebensumständen klar als andere.

Die tierischen Protagonisten im Jahresbericht des Naturhistorischen Museums dürfte das alles wenig kümmern, die haben ja bereits das Zeitliche gesegnet. Theoretisch. Praktisch auch. Allerdings werden sie nun  in «Büsu 4» partiell zum Leben erweckt. Grossartig ist das. Aber schauen Sie doch selber.

Den detaillierten Jahresbericht das Naturhistorischen Museums gibts hier.

Jedes einzelne Hundehaar liebevoll drapiert

Gisela Feuz am Donnerstag den 10. Mai 2018

Falls Sie jetzt hier eine ausgewogene Filmkritik erwarten: vergessen Sie’s. Frau Feuz ist fan. Fan von Hunden, fan von Stop-Motion-Filmen, fan von liebevoll handgefertigten Puppen, fan von hochgradig stilisierter und detailverliebter Bildsprache. Dass also über den neuen Film des amerikanischen Regisseurs Wes Anderson (Grand Budapest Hotel, Fantastic Mr Fox, Moonrise Kingdom) nichts anderes als eine Lobeshymne herauskommen kann, ist absehbar, denn «Isle of Dogs» verwebt all das Obengenannte.

Die Geschichte von «Isle of Dogs» ist schnell erzählt: In der japanischen Metropole Megasaki bricht eine Hundeseuche aus, Bürgermeister Kobayashi, seines Zeichens Katzennarr, lässt alle Hunde in Quarantäne auf die nahegelegene Trash Island verbannen. Die Müllinsel wird somit zur Exil-Kolonie, überleben kann nur, wer sich einen Teil der essbaren Abfälle sicher kann. Auch Spots, der Hund des 12-jährigen Atari, wird auf Trash Island verbannt. Allerdings ist der Junge keinesfalls gewillt, diesen Verlust hinzunehmen. So crash-landet er eines Tages mit seinem kleinen Flugzeug in den Müllbergen. Ein fünfköpfiges Rudel bestehend aus den «scary alpha dogs» (naja) Rex, King, Duke, Boss und Chief nimmt sich Atari an und hilft ihm bei der Suche nach Spots.

«Isle of Dogs» ist einerseits eine rührende Liebeserklärung an den besten Freund des Menschen, andererseits aber auch soziokritisches Abbild gesellschaftlicher Mechanismen. Einmal mehr gelingt es dem symmetrieverliebten Wes Anderson, Liebe und Trauer, morbide Schönheit und stilisierte Dystopie, Ernsthaftigkeit und lakonischen, knochentrockenen Humor stimmig zu paaren. Das Resultat ist ausnehmend ästhetisch, dramatisch, bizarr, manchmal kitschig, wunderbarst anzuschauen und herzergreifend alles in einem. Eben 100% Wes Anderson.

Der Aufwand, welcher für «Isle of Dogs» betrieben wurde, ist immens. Insgesamt 27 AnimatorInnen und 10 AssistentInnen haben über 800 Figuren zum Leben erweckt, jedes einzelne Hundehaar von Hand drapiert, über 1’000 Gesichter geformt und mit dünnen Pinsel über 22’000 Sommersprossen aufgemalt (alleine für eine Figur). Die sorgfältige und akkurate Handarbeit unterstützt die liebenswerte Egozentrik und Verschrobenheit der Charaktere, wozu auch die Stimmen von Bryan Cranston, Bill Murray, Edward Norton, Scarlett Johansson, Harvey Keitel uva. das Ihrige beitragen. Frau Feuz rät: Gehen Sei sich «Isle of Dogs» unbedingt anschauen. Aber UNTER KEINEN UMSTÄNDEN in deutscher Übersetzung. Das wäre, wie wenn sie einem Hund den Schwanz abschneiden würden.

«Isle of Dogs» läuft seit gestern in Berne Kinos. Wer mehr wisse möchte zum Film, findet im Bund vom 4. Mai das grosse Interview mit Wes Anderson, hier ein Making of  und hier Einblick in die Arbeit der AnimatorInnen.

Sympathische New-Wave-Ikone

Gisela Feuz am Freitag den 4. Mai 2018

Wenn Sie auch schon mal an einer Gotik-Party die Wand angetanzt haben, dann kennen Sie Anne Clark, denn ihr Songs Our Darkness und Sleeper in Metropolis gehören zum Standard-Repertoire jedes anständigen Nachtschatten-DJs. Anne Clark ist aber viel mehr als einfach nur eine Frau, die in den 80er-Jahren einen New-Wave-Hit landete. Die heute 57-jährige Engländern, die sich Rilke und anderen deutschen Poeten verbunden fühlt, kann getrost als Pionierin der Spoken-Word-Kunst bezeichent werden. Filmemacher Claus Withopf hat der Grand Dame des Synthie-New-Waves nun einen Dokumentarfilm gewidmet: «I’ll Walk Out Into Tomorrow» ist ein fesselndes Porträt über einen beeindruckenden Menschen geworden.

Eigentlich habe sie doch immer nur Bücher und Gedichte schreiben wollen, beschreibt Anne Clark ihre Jugend im grimmen Londoner Stadtteil Croydon. In der Working Class-Umgebung sei sie damit aber auf wenig Begeisterung und Verständnis gestossen. Als dann Mitte der 70er-Jahre die Sex Pistols auf der Tapete erschienen und die ganze Punk-Bewegung losgegangen sei, habe sich das für sie wie eine Befreiung angefühlt, erzählt Clark. Der Do-It-Yourself-Charakter der Bewegung sei ihr entgegengekommen, ihr, die schon früh mit ihrem Kassettenrecorder Geräusche aufzeichnete und mit analogen Synthesizern zu experimentieren begann. Ab 1982 gab Clark im Jahresrhythmus Alben heraus, wobei sich das vierte davon, «Pressure Points», sieben Wochen in den Charts hielt. Offenbar hatte die junge Engländerin mit ihrer Mischung aus rhythmisch gesprochenen Weltschmerz-Texten gekoppelt mit elektronischer Musik den Nerv der Zeit getroffen.

Als 16-jährige Punkrockerin hätte sie nicht gedacht, dass sie einmal halbklassische Konzerte in einer Kirche spielen würde, sagt Clark in «I’ll walk out into tomorrow». Mit viel vergnüglichem Archivmaterial aus den 80ern und Interviewmitschnitten zeichnet Claus Withopf in seinem Dokumentarfilm den Weg der Anne Clark nach, wobei es ihm gelingt, die grosse Sensibilität und Reflektiertheit dieser Künstlerin fühlbar zu machen. Ihre atmosphärischen Sprachgebilde haben bis heute nicht an Eindringlichkeit verloren und auch wenn sich Anne Clark in ihren Texten als zeit-, gesellschafts- und konsumkritischer Geist erweist, so ist sie dabei doch niemals bitter, sondern steht ein für Gefühl, Vielfalt und Toleranz. «I’m so intolerant when it comes to intolerance», sagt sie. Man muss sie einfach mögen, diese Anne Clark.

«I’ll Walk Out Into Tomorrow» lief am Montag zum letzen Mal in der Cinématte. Es wird nicht gemault. Schauen Sie halt selber mal ins Filmprogramm der Cinématte rein, odr.

Handlung Nebensache im REX

Urs Rihs am Mittwoch den 2. Mai 2018

Da läuft «A Beautiful Day» oder «You Where Never Really Here» (warum auch immer der Streifen zwei Namen trägt?) von der schottischen Regisseurin Lynne Ramsay. Klassischer Neo Noire, hat einen Haufen Vorschusslorbeeren aus dem Feuilleton geerntet und dafür gibt’s wortwörtlich schlagende Argumente.

Aber die Handlung – Birnen verhämmern & Kinder retten –  ist es nicht und deswegen nicht weiter schlimm. Hatte Taxi Driver eine Handlung oder Mad Max? – Trotzdem kult.

Es sind die Bilder und Einstellungen ikonographischer Stärke, welche A Beautiful Day seine Vehemenz verleihen, seinen Ausdruck.

Stärkste Antagonistenpaare duellieren sich während 90 bannenden Minuten. Barocke Szenerien – stellvertretend für Machtdekadenz und morbideste, postdemokratische Moral – versus schlichtesten Konsequenzialismus – als Metapher theoriebefreiter Handlungsethik.
Wer Gerechtigkeit will, muss machen, nicht labern.
Das passiert bei A Beautiful Day in klassischster Antiheldenmanier – oldschool – und die steht Hauptdarsteller Joaquim Phoenix (Her, Two Lovers, u. v. a.) wie ein massgeschneiderter Anzug italienischer Handfertigung. Obwohl er hier vornehmlich in ausgebeulten Cargos und abgewetzten Hoodies durch den Plot driftet. Einen Ablauf den er dabei gleichzeitig gewaltschwängert und mit rührender Zärtlichkeit zu durchweben vermag. Selten so existenzialistisch reduziert gesehen – ein starkes Stück Film.

(Läuft heute um 14:15 Uhr, morgen um 20:45 Uhr, freitag “”, samstag “”, sonntag “” – im REX)

Auch bezüglich Arbeitsutensilien herrscht bei “A Beautiful Day” Reduktionismus – oder ist das Ganze doch etwa mehr als die Summe seiner Gewaltszenen?

 

Der Film über das Bild auf dem Mond

Gisela Feuz am Donnerstag den 22. März 2018

Er habe sich doch eigentlich eine Auszeit nehmen wollen und dann sei er im Naturhistorischen Museum in New York über dieses Bild gestolpert, sagt Rob Lewis. Der in Bern beheimatete Lewis ist selber Fotograf und hat zuletzt mit seinen Porträts von demenzkranken Menschen für Aufsehen gesorgt. Nun hat der 37-Jährige innerhalb kürzester Zeit den Film «Lunar Tribut» aus dem Boden gestampft. Im Zentrum des Films: Das Bild einer Fotografie, die seit über 40 Jahren auf dem Mond liegt. Und das kam so:

1972 landete Apollo 16 auf dem Mond, mit an Bord war ein Herr namens Charles «Charlie» Duke. Besagter Charlie Duke hatte zwei kleine Söhne und ein schlechtes Gewissen, weil er berufshalber nur wenig Zeit für seine Buben hatte. Deswegen habe er sich überlegt, wie er seine Familie in irgendeiner Form involvieren und auf den Mond mitnehmen könnte, sagt Duke. So kam es, dass er ein Familienporträt auf dem Mond platzierte, das mangels Feuchtigkeit und Erosion heute immer noch dort oben liegt.

Ihn habe das Bild mit dieser Fotografie auf Anhieb fasziniert, sagt Rob Lewis, weswegen er beim ehemaligen Astronauten Charlie Duke für ein Interview angeklopft habe. Ausserdem holte sich Lewis Jazz-Schlagzeuger Jojo Mayer ins Boot und drehte mit diesen beiden Protagonisten seinen ersten Film. Herausgekommen ist Lunar Tribut, eine rund 40-minütige Mischung aus Interview und Schlagzeugperformance.

In Lunar Tribut vertont Mayer mit seinem Schlagzeug einige der Gefühle und Zustände, welche Astronaut Charlie Duke während seiner Reise zum Mond erlebte, so etwa den Übertritt in die Schwerelosigkeit, die Landung auf dem Mond oder die Dunkelheit des Weltalls. Er habe bewusst den Fokus auf das Emotionale gelegt und intuitiv gearbeitet, sagt Lewis: «Den Kopf ausgeschaltet und den Bauch walten lassen.»

Lunar Tribut ist dort am stärksten, wo Mayers Improvisation und Dukes Erzählung stimmig miteinander verwoben werden. Imposant sind auch die echten Mondbilder (geschossen von Lroc) die im Hintergrund die Reise illustrieren. Und: man hört ihm gerne zu, diesem Charlie Duke, wenn er mit tiefer, sonorer Stimme in die Vergangenheit abtaucht beziehungsweise mit seiner Familie zum Mond fliegt.

Lunar Tribut wird am Samstag 31. März in der Dampfzentrale gezeigt in Kombination mit einem Konzert von Jojo Mayer & Nerve

Ein grosses Kino

Roland Fischer am Dienstag den 13. März 2018

Als irgendwann nach einer Viertelstunde Townes Van Zandt seinen «Buckskin Stallion Blues» anstimmt, weiss man schon: Das kommt gut mit diesem Film. Da ist man längst mittendrin in der Geschichte – tatsächlich fackelt der Regisseur Martin McDonagh nicht lang, erste Szene, erste Einstellung: Ein Auto fährt an drei heruntergekommenen Plakattafeln irgendwo im Nirgendwo vorbei. Ein verhärmtes aber sehr waches Frauengesicht schaut sich die Tafeln lange an. Hinter der in Falten gezogenen Stirn passiert etwas.

«It was always going to be an American story and an American piece of cinema», hat McDonagh zu seinem Film gesagt. Das hat man zuweilen auch gedacht beim Schauen, das ist sehr amerikanisch, diese Drastik, dieses nicht grad unbedingt subtile Erzählen, dieses Ausweichen in den Witz, wenn die Dinge kaum mehr zu ertragen sind. Aber wenn ein Regisseur die Fäden so sicher in der Hand hält und seinen Figuren dabei doch so grosse Freiheiten lässt – dann kommt dabei eben kein Kitsch, sondern grosses grosses Kino heraus.

Also nicht mehr viele Worte verloren, weil lang läuft Three Billboards wohl nicht mehr, den auch an einem perfekt verregneten Kino-Montagabend arg gelichteten Reihen im Bubenberg nach zu schliessen (und man fragt sich ein wenig: wie lang geht’s da noch bis zum Sendeschluss?). Deshalb gleich in doppelter Hinsicht: Hingehen, Movie friends and lovers! Diese wilde, herzzerreissende, herzerwärmende Story ist viel zu gross für einen kleinen Laptopbildschirm.

Fischsex

Roland Fischer am Dienstag den 6. März 2018

So, nun hat er den Oscar also auch noch geholt, nach dem goldenen Löwen in Venedig und dem Golden Globe. Und dann gleich das Double: beste Regie und bester Film. Guillermo Del Toro ist – nach langen Jahren als Regieweirdo, der zwar immer grössere Kisten drehen durfte, dabei aber nie so ganz ernst genommen wurde – im Film-Olymp angekommen. Ok, wohlverdient. Aber musste es denn unbedingt «Shape of Water» sein, das ihm die Lorbeeren einbringt?

Dieses Kitschstück, das seine Geschichte mit wirklich sehr holzschnittartigen Figuren erzählt? Mit bösen Fieslingen und einem zwielichtigen aber sich letztlich für seine Ideale aufopfernden Kommunisten? Einem schussligen, herzensguten, kreativen Schwulen? Und einem Paar, dessen Lust und Liebe zu gross ist für diese kleingeistige Welt? Das einzig wirklich interessante an dem Film ist die Hommage an die «Creature from the Black Lagoon» und speziell den ikonischen Gill-Man. Entsprechend toll dieses Trailer-Mashup:

Eine legendäre Filmszene aus der Trash-Ära Hollywoods nehmen und sie zu einem oscarreifen Melodram veredeln? Kann man machen. Auch wenn – oder vielleicht eben gerade weil? – das am Schluss alles ein wenig bizarr bleibt.