Archiv für die Kategorie ‘Film & Fotografie’

Bikinis mit Rotstich

Gisela Feuz am Freitag den 21. August 2015

Nein, das Postkartenbüchlein zur Ausstellung sei leider noch nicht da, erklärte die charmante Dame an der Museums-Kasse etwas verlegen. Es sei eben zu Verzögerungen gekommen, weil der Zuständige ob der Rot- und Blaustiche der Vorlagen irritiert gewesen sei und erst noch einmal Rücksprache habe nehmen wollen, ob man denn wirklich diese Farben drucken wolle. Ja, will man. Denn schliesslich handelt es sich bei den Aufnahmen um originale Auftragsfotos aus den 70er-Jahren der Kunstanstalt Brügger in Meiringen. Vor zwei Jahren ging deren gesamter Fotografienachlass – also rund 100’000 Bilder – in die Sammlung des Alpinen Museums über. Dieses zeigt nun zum ersten Mal einen Teil dieses Nachlasses und zwar einen richtig vergnüglichen: Bikinis in den Bergen bzw. die Poolanlagen von Schweizer (Berg-)Hotels vor rund 50 Jahren.

Hotel Beatus Merligen um 1975

«Bikini in den Bergen» dokumentiert eine Ära, in welcher Hotels ihr Angebot erweiterten und Poolanlagen zu bauen begannen, weil in der Nachkriegszeit das Bedürfnis der Bevölkerung nach Genuss und Konsum gestiegen war. Anstatt Sport und Leibesertüchtigung wurde nun Müssiggang grossgeschrieben, wobei die Hotelpools einen Hauch von Hollywood-Glamour versprühen sollten. So wird auf den Werbefotos eine fröhliche Wasserwelt dargestellt, in welcher Badenixen hübsch drapiert am Poolrand sitzen und Badeanzüge und -kappen mit unglaublichen Mustern und Schnitten tragen. Die Herren haben Goldkettchen umgehängt und tragen anständige Schnäuze zur Schau, wobei die ganz verwegenen auch mal eine Flasche Sekt im Wasser kreisen lassen.

Die grossformatigen Bilder kann sich der Besucher im Alpinen Museum selber von Stangen pflücken, um diese vergnügliche Mischung aus Künstlichkeit und Natur, Chlorwasser und Alpenblick auf einem grossen Leuchtpult genauer zu inspizieren. Der Klang von plätscherndem Wasser und Kinderstimmengewirr lässt dabei richtige Ferienstimmung aufkommen. Fehlt nur noch der Hauch von Chlor in der Luft.

«Bikini in den Bergen» ist noch bis am 4. Oktober im Alpinen Museum Bern zu sehen.

Filmer dieser Stadt!

Christian Zellweger am Samstag den 15. August 2015

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Es ist eine arg grobe Schätzung: Zwischen 90’000 und 300’000 Sans-Papiers sollen in der Schweiz leben und arbeiten – allermeistens im versteckten, aus Angst vor einer Ausweisung.

Wenn Kunst das Unsichtbare sichtbar machen soll, kann man das für einmal wörtlich verstehen: Die Berner Beratungsstelle für Sans-Papier lanciert einen Kurzfilmwettbewerb zum Thema Sans-papiers. «Fiction, Doku, Stop-Motion, Animation, Interview, Handyfilm, Kinotrailer. Alles ist möglich.» Einzige Beschränkung: Länger als drei Minuten sollte das Stück nicht sein.

In der kundigen Jury des Wettbewerbs sitzen Mano Khalil, Dieter Fahrer, Perla Ciommi, Denise Graf und Tarek Naguib, die Preisverleihung findet am Kurzfilmfestival shnit statt.

Einsendeschluss ist der 6. September, die öffentliche Prämierung findet am 7. Oktober im Rahmen des Kurzfilmfestivals shnit statt. Alle Informationen: www.sanspapierfilm.ch. Den Wettbewerb kann man finanziell auf 100-days.net unterstützen.

Postkarte aus Island

Oliver Roth am Samstag den 8. August 2015

Mit meiner Postkarte aus Island schicke ich ein Flimmern mit. Wie in der Serie auf diesem Blog, zeigt das Video etwas leuchtendes, schummriges.

Erkennbar auf dem Video: Chicken Tikka innen, Kebap und Pizza aussen; Leute gehen vorbei. Gerichte aus aller Welt, Menschen aus aller Welt. Das Video beleuchtet wie immer beim Flimmern, einen kleinen, verschwommenen Teil aus dem grossen Ganzen. 

Eine Isländerin sagt, seit fünf Jahren werden sie geradezu von Touristen überrant. Auch in der Schweiz scheint die Faszination für das Inseldasein zu wachsen. Gefühlt haben mir vor meiner Abreise mehr Freunde bestätigt, hier gewesen zu sein, als in Spanien. 1946 ordnet der Schweizer Diplomat Jean Frédéric Wagnière in seinem Brief an den Bundesrat das Interesse an Island noch den Spezialisten zu: „Cette île volcanique, deux fois et demi grande comme la Suisse, a tojours attiré la couriosité des voygeur et des homme de science.“ 

Heute sind alle neugierig auf Naturerfahrungen der besonderen Art. Im Sommer soll es 1 Mio. Touristen auf Island haben. Drei Mal so viele Menschen in Outdoor-Bekleidung wie Einheimische in Schafspullis. In dem pakistanischen Restaurant auf dem Video werde ich von einer osteuropäischen Kellnerin bedient. Auch auf dem Zeltplatz und im Café begrüssen mich Saisonniers.  

Aber wer will denn gleich den Troll an die Wand malen. Als Insulaner fallen Veränderungen halt etwas ärger auf. So müssen sich die Isländer neben den bunt-blinkenden Lichtern aus aller Welt auch mit der Lupine abfinden. Die Pflanze wurde nach dem Zweiten Weltkrieg gegen die Erosion gepflanzt, nun überwuchert sie violett-blühend das halbe Land und verändert massiv die Landschaftserfahrung. Das sieht man aber auf dem Video nicht.  

Gurten-Frühschoppen-Sport

Gisela Feuz am Samstag den 18. Juli 2015

Wunderliches ereignet sich zur Zeit in der brütenden Mittagshitze auf dem Hausberg am Gurtenfestival. Ist es Massen-Zumba? Na ja, so was Ähnliches. Die bayrische Blasmusikkapelle LaBrassBanda bittet zum Tanz. Die Herren mischen Gypsy-Brass mit Funk und Alpen-Jazz-Techno, wobei gemäss Pressetext jeweils sogar die Kühe mit ihren Hörnern im Takt mitwippen sollen. Wie’s um die Abnickbereitschaft des gurten-heimischen Hornviehs steht, muss hier offenbleiben. Aber zumindest das Partypublikum lässt sich von LaBrassBanda zum ordentlichen Frühschoppen-Sport animieren.

La Brass Banda aus Bayern.

Frühschoppen auf dem Gurten mit LaBrassBanda aus Bayern!

Posted by Philippe Cornu on Samstag, 18. Juli 2015

Video gesehen bei Gurten-Papi Philippe Cornu

Dreist-absurdes Sommer-Kino

Gisela Feuz am Sonntag den 12. Juli 2015

Ihnen ist das gerade ein bisschen zu viel mit dieser Hitze und die Völkerwanderung aareaufwärts weckt den Misanthropen in Ihnen? Dann ab ins Kino! Dort ist es erstens schön kühl, zweitens haben Sie Ihre Ruhe und drittens kriegen Sie – je nach Film – die Bestätigung, dass es um die Menschheit tatsächlich nicht gut bestellt ist.

«Die brauchen doch alle professionelle Hilfe dort oben», war der Kommentar einer der insgesamt vier Filmbesucher nach der gestrigen Visionierung von «Men & Chicken». Tatsächlich trumpfen die Skandinavier immer wieder mit grossartig abstrusen Filmen auf und ein solcher ist auch die schwarzhumorige Komödie des dänischen Drehbuchautors Anders Thomas Jensen.

Mads Mikkelsen (einen so schönen Mann dermassen zu entstellen – für sich schon eine Leistung) spielt darin den tumben, impulsiven und rüpelhaften Zwangsmasturbant Elias, sein hochintelligenter und eulenhafter Bruder Gabriel wird von David Dencik gegeben. Die beiden erfahren nach dem Tod ihres «Vaters» dank einer lapidaren Videobotschaft, dass sie adoptiert worden waren und begeben sich in der Folge auf die Suche nach ihrem echten Erzeuger. Dabei treffen sie auf der entvölkerten dänischen Insel Ork auf die drei Halbbrüder Franz (Søren Malling), Josef (Nicolas Bro) und Gregor (Nikolaj Lie Kaas), welche in einem grossen verdreckten Anwesen zusammen mit einem ganzen Zoo von Viechern hausen und Konflikte lieber handgreiflich (gerne auch mal unter Zuhilfenahme von ausgestopften Tieren) anstatt mit Worten austragen. Evolutionspsychologe Gabriel ist seinen vier Halbbrüdern intelligenzmässig weit überlegen, wittert entsprechend Ungemach, als ihm die seltsamen Tierkreuzungen auffallen, welche da im Haus herumspazieren, und lüftet in der Folge ein dunkles Familien-Geheimnis.

Evolution, biblische Schöpfung, Familienbande und Mutation sind Themen, welche Jensen in seiner dreist-grotesken Satire zur Sprache bringt. Diese lebt aber vor allem von absurden Dialogen, Gegensätzlichkeiten (auf kindische Prügelszenen folgen Diskussionen über Fachliteratur und Bibelstellen), ausgezeichneten schauspielerischen Leistungen und der boshaften Freude, mit welcher Jensen seine degenerierten Figuren angelegt hat und Sodomie-Witze und andere politische Unkorrektheiten platziert. «Men & Chicken» ist wunderbar schräg, dreist-absurd und geht dabei doch irgendwie auch liebevoll mit seinem Personal ins Gefecht.

Eine schrecklich schöne Zugfahrt

Milena Krstic am Samstag den 11. Juli 2015

KSB schickt Sie mit einem herrlich obskuren Videoclip ins Wochenende: Marena Whitcher und ihr Shady Midnight Orchestra haben keine Mühe gescheut, um eine theatralische Mini-Horror-Show zu präsentieren. Feder-Fake-Lashes, geschichtetes Make-Up, opulente Kostümierung  und im Hintergrund trällert sanft eine jazzig-verträumte Multiplikation der Hauptprotagonistin.

Marena Whitcher wurde erst kürzlich mit dem Berliner Kunstpreis ausgezeichnet und sang unter anderem bei den Elektro-Swingern von Klischée. Ausserdem studiert sie in Bern an der HKB.

Berner Science-Fiction-Kino

Gisela Feuz am Donnerstag den 9. Juli 2015

In Neuchâtel geht zur Zeit das Internationale Festival des Fantastischen Films (NIFFF) über die Leinwände. Seit seiner Gründung im Jahre 2000 hat sich das NIFFF zu einem wichtigen Treffpunkt in der Schweizerischen Filmlandschaft gemausert. Gezeigt werden Klassiker und Neuheiten aus dem Bereich fantastischer Film, asiatisches Kino und digitale Bilder. Als fantastischer Film gilt dabei alles, was von der naturgesetzlich definierten Realität abweicht, wobei der Grad von totaler Weltenverschiebung bis zu leichter Verunsicherung im Alltag reicht.

Vorgeführt werden Autorenfilme, schwarze Komödien, Zeichentrickfilme, aber auch Science-Fiction-Knaller und Blockbuster. Weshalb sich also unsägliche Fortsetzungsfilme wie Terminator 37 und Jurassic Park 45 antun, wenn es am NIFFF Neues zu entdecken gibt und zwar erst noch von zwei Filmemachern, die beide in der Berner Felsenau aufgewachsen sind?!

«Clones» (14′) von Rafael Bolliger: In einer Raumstation plant ein Mensch einen besonders heiklen chirurgischen Eingriff, bei dem er seine Identität zu verlieren droht.

CLONES TRAILER from Rafael Bolliger on Vimeo.

«Replika» (25′) von Luc Walpoth: Als sich ihre 13-jährige Android-Tochter als funkionsgestört erweist, legt eine Mutter ihrem Mann die Adoption eines Menschenkindes nahe.

Beide Science-Fiction-Dramen werden am NIFFF in der Kategorie Schweizer Kurzfilme gezeigt und zwar morgen Freitag 10. Juli zwischen 15 – 16:45Uhr

Openair-Kinos 2015

Roland Fischer am Dienstag den 7. Juli 2015

Was für ein Sommer. Wie gemacht für Kino im Freien. Hier kommt die traditionelle Übersicht:

– den Anfang macht wie immer das Solar-Kino im Eichholz, mit einem wieder mal grandiosen Programm. Ab heute gibt’s unter anderem den Klassiker 12 Angry Men – und Rocky! Hoffentlich hält das Wetter noch ein wenig.

solaire

– das Kleine Dachkino ist wohl auch wieder am Start, noch wird da aber geheimnisgekrämert, was das Wo und Was angeht.

– Ende dieser Woche später geht dann das nach wie vor schönste Openairkino der Region los, auf dem Dach des Bieler Filmpodiums, mit tollen Reprisen (besonders zu empfehlen: Timbuktu) und der Cinémathèque Suisse zu Gast.

– schon ab Donnerstag gibt’s vier Filmnächte in Münsingen, zum Thema «strafbar», unter anderem mit dem «Grand Budapest Hotel» und «More Than Honey».

– in zwei Wochen dann starten das hof3-Openair in Trubschachen, das Marzili-Movie mit dem Länderthema Spanien – mit Almadovar natürlich, unter anderem – und das Hofkino in der Reitschule, wo es zuerst fernöstlich und dann glorios blutig zugeht, mit dem Knochenmann zum Beispiel.

– und last but not unbedingt least der Big Screen oben auf der big Schanze. Sollte man sich nur schon wegen des schönen neuen Dekors anschauen gehen, fertig orange, jetzt ganz in grün. Tolle Filme gibt’s auch, zum Beispiel «Interstellar» und einigen vom Zürich Film Festival ausgesuchten Perlen, die es sonst noch nirgends auf die Leinwand geschafft haben.

Ein Stück Kirschtorte über den Hunger

Milena Krstic am Samstag den 4. Juli 2015

Ich habe mir gestern Lorenz Merz’ «Cherry Pie» angesehen. Ich fand den Film schlecht.

So einen Streifen, den muss man sich ja wohl ansehen, wenn der Filmredaktor mit Lobpreisungen um sich wirft: «Alles, was man für einen Film braucht, ist ein Mädchen und ein Revolver. Godard lag falsch, es geht auch ohne Revolver.» Oder: «Der Erstling ‚Cherry Pie’ hat da viel seiner grossartigen Hauptdarstellerin zu verdanken, von der eine äusserst irdische Energie ausgeht.»

Nur kurz zu den Fakten: «Cherry Pie» ist das Erstlingswerk des Zürcher Kammeramannes Lorenz Merz und handelt von Zoé (Lolita Chammah), einer jungen Frau auf der Flucht vor der Unerträglichkeit des Seins (und noch ein paar anderen unglücklichen Umständen).
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Herrlich fiebriges Übertreibungskino

Gisela Feuz am Mittwoch den 1. Juli 2015

Ganze 36 Jahre ist es her, seit George Millers Endzeitfilm «Mad Max» für lumpige 200’000 produziert wurde und dann an den Kinokassen über 100 Millionen einspielte. Zwei Jahre später folgte «Mad Max II – The Road Warrior» und 1983 dann «Mad Max III – Beyond Thunderdome» (jawohl, der mit Tina Turner). Mel Gibson, welcher in allen Teilen den ehemaligen Polizisten Max Rockatansky gab, verhalf die postapokalyptische Trilogie zu Weltruhm, wobei Actionfans und V8-Liebhaber noch heute glänzige Äuglein bekommen ob diesem «Albtraum aus Gewalt, Blut, Schrott und Grauen» (Lexikon des Internationalen Films).

Besagte Fans werden sich auch an dem soeben erschienenen «Mad Max IV – Fury Road» erfreuen dürfen, denn dieses Vollgas-Action-3D-Dystopie-Spektakel kommt einem Frontalangriff auf die Sinne gleich. Bildsprache? Furios stilisiert und überzeichnet, wobei Comic-Anleihen mit guten alten Haudrauf-Prügelszenen gepaart werden. Story? Vergessen Sie es. Wie bei Lord of The Rings: einmal hin und zurück, allerdings ohne einen Ring in einen Vulkan werfen zu müssen. Oder ein bisschen detaillierter: Mad Max (Tom Hardy) ist auf der Flucht und donnert gemeinsam mit einer Gruppe Frauen in einem zum Panzer umgebauten Truck durch staubige und öde Wüstenlandschaften. Am Steuer sitzt Imperator Furiosa (Charlize Theron), welche zuvor dem kultisch verehrten Warlord Immortan Joe (Hugh Keays-Byrne) seine fünf Frauen entwendet hat, um mit diesen fernab von Instrumentalisierung und Unterdrückung ein neues Leben zu beginnen. Immortan Joe ist alles andere als erfreut über den Diebstahl seiner «Ware» und macht sich mit seinen Warboys an die Verfolgung der flüchtigen Damen. Dialoge? Maximal zwei zusammenhängende Sätze im ganzen Film, ansonsten wird gebrüllt, geknurrt, genuschelt und gestöhnt.

Figuren-Psychologie und Dramaturgie sind die Sache des Georg Millers nicht. Dafür machen die hemmungslose Materialschlacht, spektakuläre Stunts und rostige, ölige Opulenz «Mad Max IV – Fury Road» zu einem wunderbar verdreckten und fiebrigen Stück Übertreibungskino.