Archiv für die Kategorie ‘Film & Fotografie’

Schweigen, Saunieren und Headbangen

Gisela Feuz am Donnerstag den 12. November 2015

Dass Frau Feuz eine Schwäche für die wortkargen Nordlichter hat, ist ein offenes Geheimnis. Es gibt nichts Anstrengenderes, als an einem Tisch mit 30 exaltierten Südländern zu sitzen, die einem mit 120 Dezibel ihre überbordende Lebensfreude unter die Nase reiben. Dann lieber an einem heruntergekommenem Bartresen vorsichhineinsamen und drei Stunden lang in einen Bierschaum oder noch besser: in eine Wodkaflasche starren. Sie mögen es tragisch nennen, ich nenne es kontemplativ.

Meister der Kontemplation sind ja die Finnen und entsprechend naheliegend ist es, dass die blonden Baumstämme jede Art von Konversation vorziehen, die nicht verbaler Natur ist. Drum ist Finnland auch das erste Land, welches nationale Emojis konzipiert hat. Ab dem ersten Dezember wird täglich ein neues in einem digitalen Adventskalender veröffentlicht, wobei die ersten drei «typisch finnischen» Emojis schon vorgängig bekannt gegeben wurden: saunieren, headbangen und ein Nokia-Telefon. Mann muss sie einfach mögen, diese Finnen.
emojis

Vorzüglich geschwiegen wird zur Zeit auch auf der Leinwand des Kino Rex, denn dort werden noch bis Ende November die Meisterwerke des finnischen Regisseurs Aki Kaurismäki gezeigt. «I hired a contract Killer» mit Joe Strummer gestern Abend war bestechend, die Spätvorstellungen am Freitag und Samstag mit den Leningrad Cowboys werden es bestimmt auch sein. Das ganze Programm zur Filmreihe gibt’s hier und das passende Finnengedeck – Räucherforellen-Schnitte mit Wodka-Shot – an der Rex-Bar.

Frau Manns Fotoalbum #1: Der Schreibtisch

Saskia Winkelmann am Sonntag den 8. November 2015

KulturStattBern hat zuwachs bekommen. Frau Mann, die neue Schreiberin, bekannt aus Nacht und Nebel, fällt gleich mit der Tür ins Haus und zeigt uns ein Bild aus ihrem ganz privaten Fotoalbum.

Lieber KulturStattBern-LeserInnen

Ich bin die Neue. Das ist mein erster Post.
Und gleich folgen intime Einblicke in mein Leben.
Heute: Der Schreibtisch.

Liebe Grüsse
Frau (Winkel-)Mann
©SaskiaWinkelmann

Das ist mein Schreibtisch im August 2015, irgendwo in Bern 3008. Was ihr nicht seht: Von da sehe ich auf den Zwetschgenbaum vor dem Haus. Was ihr auch nicht seht: Hier verbringe ich 30% meiner (wachen) Zeit.

«Ein wunderprächtiges Arschloch»

Gisela Feuz am Donnerstag den 5. November 2015

Bereits in den ersten drei Folgen von «Experiment Schneuwly» fiel dieser Hansjörg Schneuwly (Matto Kämpf) als äusserst unsympathischer Zeitgenosse auf, der unter Alkoholeinfluss zu Gewaltausbrüchen neigt, ansonsten vorzugsweise apathisch in der Couch versinkt, Kinder unhygienisch findet und seiner Frau Margrith (Anne Hodler) erklärt, sie gehöre eigentlich in die geschlossene Anstalt. Diese wiederum ist an Biederkeit kaum zu überbieten, glänzt mit unsäglichen Kleiderkombinationen und künstlichen Fingernägeln in Überlänge und lässt ihren unterdrückten (Ehe-)Frust höchstens in der Küche beim Backen an den Eiern aus. Die Schneuwlys sind Protagonisten der satirischen Dokusoap «Experiment Schneuwly», wobei Kämpf und Hodler ein stockkonservatives Bünzli-Ehepaar geben, das sich in den 20 Minuten dauernden Episoden jeweils auf ein Experiment einlässt und dabei von Herrn Schneeberger und seinem Filmteam begleitet wird.

Gestern Abend wurden im Kino Rex die ersten beiden Folgen der neuen Staffel von «Experiment Schneuwly» gezeigt und der Publikumsaufmarsch machte deutlich, dass Hansjörg und Margrith bereits über eine beachtliche Fanschaft verfügen, und zwar nicht nur in Bern. Die Internet-Klicks zeigten, dass «Experiment Schneuwly« vor allem in Zürich und im Kanton Waadt oft geschaut würde, so Regisseur Juri Steinhart. Letzteres mag erstaunen, dürfte aber wahrscheinlich damit zu erklären sein, dass die Romands mit den Schneuwlys ein Ehepaar gefunden haben, welches symbolisch für die verknorzte Deutschschweizer-Mentalität steht. Oder vielleicht haben die Romands einfach mehr Sinn für dadaistisch überzeichnete Klischees und schräg-kruden Humor. Ist man damit gesegnet, sind die neuen Folgen von Experiment Schneuwly urkomisch, auch wenn einem das Lachen zwischenzeitlich im Hals stecken bleibt, ob der schafseckeligen Borniertheit, welche dieser Hansjörg Schneuwly an den Tag legt. «In mir ist fürwahr ein wunderprächtiges Arschloch angelegt», liess Matto Kämpf über seine Figur verlauten. Und tatsächlich tut es phasenweise richtig weh, diesem unsäglichen Schneuwly-Klotz in der Paartherapie zuzuschauen, zumal es in manchen Ehen wohl tatsächlich so oder ähnlich ablaufen dürfte. Aber beurteilen Sie doch selber, werte Leserschaft:

Schneuwly-Interview-Spruch des Abends:
FF: Herr Schneuwly, wie würden sie ihre sexuellen Fähigkeiten einschätzen?
HJS: Das Ziel ist Liga-Erhalt. Ein ständiger Kampf gegen den Abstieg.

Die neuen Folgen von «Experiment Schneuwly» werden ab heute jeweils donnerstags um 12 Uhr hier online gestellt und sind auf SRF1 Mittwochnacht um 00:10 Uhr zu sehen.

Not Much Singing In the Snow

Roland Fischer am Donnerstag den 29. Oktober 2015

Gestern war schon ein ziemliches Gedränge für die geladenen Premierengäste im Kino Rex, mit dem offiziellen Betrieb geht es dann heute los. Singing in the Rain hätte gestern ja besser gepasst, aber es ist natürlich trotzdem ein wunderbarer Startfilm, mit dem heute um 17 Uhr die neue Geschichte des Kinos an der Schwanengasse eingeläutet wird – der Streifen lief schon 1952, zur Eröffnung des alten Rex.

Der Hauptfilm ist dann aus heimischer Produktion, das Rex startet nämlich sehr passend mit dem Berner Filmpreis Festival und mit Andy Herzogs und Matthias Günters Wintergast.

Eine Schaffenskrise, eine irgendwie elende und irgendwie sehr schöne Schweiz in Schwarzweiss, eine Reise auf Umwegen durch innere und äussere Landschaften – Herzog und Günter legen einen stillen und sorgfältig gemachten Langfilm vor, bei dem man nie so recht weiss, wie geskriptet diese Realität denn nun ist (aber das weiss man ja eigentlich sowieso nie, das Leben ist ja zweilen ein ziemlicher Roman). Sich gleich Christian Schochers Reisenden Krieger zum Vorbild zu nehmen ist vielleicht ein wenig hoch gegriffen, aber als Jungfilmer darf man sich ja auch gern mal ein wenig strecken.

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Wintergast läuft noch bis Mitte November. Heute abend zur Premiere wird die ganze Crew anwesend sein, im Anschluss gibt’s ein Konzert.

Kopyright or Kat Liberation Front?

Roland Fischer am Mittwoch den 28. Oktober 2015

bill drummondBill Drummond was in the house. Gestern im Kino Movie, als Protagonist und Spezialgast bei der Vorpremiere des neuen Dokfilms von Stefan Schwietert, der im Gespräch im Anschluss meinte, nach diesem Film könne er wohl keine Musikfilme mehr machen – jedenfalls nicht mehr so wie früher. Tatsächlich ist «Imagine Waking Up And All Music Has Disappeared» ein sehr eigenartiger Film geworden, was wohl damit zu tun hat, dass er die Karriere und die aktuellen Projekte eines sehr eigenartigen Musikers nachzeichnet. Drummond selbst nutzte die Fragerunde für einen Kostümwechsel und um die verworrende Geschichte einer Katze namens Tensing zu erzählen, die so etwas wie sein Alter Ego sei. Oder bigger Ego? Im Film gibt es einen Einspieler aus einer Fernsehsendung, in der sich Drummond und sein Mitmusiker bei KLF den empörten Reaktionen der Zuschauer stellen, nachdem sie die Band aufgelöst und das ganze gemachte Geld verbrannt hatten – es sei ihnen doch nur um eine Aktion gegangen, die gross genug für ihre grossen Egos gewesen sei.

Im Film wirkt der Selbstdarsteller Drummond überraschend bescheiden und zurückhaltend. Die schrille Verweigerungstaktik zum Ende seiner Popkarriere ist leiseren Tönen gewichen. Aber ein Punk ist er nach wie vor: Seine «Scores», die an die frühe Performancekunst erinnern, stellen sich immer noch mit Vorliebe quer, gerade in Zeiten digitaler Allverfügbarkeit von Musik. Es geht da viel um den Live-Moment, und den wird man wunderbarerweise auch im Kino erleben, wenn man sich den Film ansieht. Und tatsächlich nur im Kino.

Clippremiere: Trummers «Mörder oder Liebi»

Milena Krstic am Samstag den 17. Oktober 2015

Die Geschichte geht so: Die Journalistin hat die Aufgabe, eine Vorschau zu Trummers neu erschienenem Album namens «Loryplatz» zu schreiben. Ihr fällt das Lied «Mörder oder Liebi» auf: kurz und knackig, im Gegensatz zu den anderen Songs ist es richtig unromantisch, mit seinem brachial-geschickten Schlagzeugspiel und dem psychedelischen Gitarrenläufli (Trummer hat alle Instrumente selbst eingespielt).

Die Journalistin fragt ihn: «Willst du dazu nicht ein Video machen? So ein tolles Lied!»

Trummer sagt: «Tatsächlich haben wir da schon eins dazu gemacht. Am Wochenende wirds veröffentlicht.»

Die Jornalistin juchzt: «Dann machen wir doch gleich die Clippremiere hier auf KSB!»

Der Deal ist besiegelt. Clip ab für «Mörder oder Liebi», Trummers wohl bis anhin bösestem Song, woran sicher auch ein Tom Waits seine Freude hätte. Lieblingszitat:

«Me darf nid bliebe liege, weme nümme ma / Me darf ersch bliebe liege, weme nümme cha»

Trummer tauft sein neues Album «Loryplatz» am Samstag, 24. Oktober, im Kulturhof Schloss Köniz. Alle weiteren Daten hier.

«Wo-oo-oo, wo-o-o-o FUCK!»

Gisela Feuz am Dienstag den 13. Oktober 2015

Sie machen sich Sorgen um die heutige Jugend? Völlig unnötig. Die ist auf besten Wegen, zumindest in der Region, wo Kühe und Traktoren einander gute Nacht sagen und die Sonne wunderbarste Untergänge in eine schon fast kitschig schöne Landschaft malt Ja, in Schaffhausen weiss die Dorfjugend noch, was eine gute Garderobe ausmacht, wo der Zoff-Hammer hängt, wie man professionell eine Stossgarette umstüpft oder ein ordentliches Anarchie-Zeichen an eine Hauswand seicht. Jösses, sind die Buben schnusig. Kann man so einen irgendwo bestellen?

Malerische Landschaftsbilder und einen unsäglich vergnüglichen Ohrwurm haben uns die Lieblings-Pop-Punker der Nation Die Aeronatuen mit «Ottos kleine Hardcore Band» beschert. Einen, den man tagelang nicht mehr aus den Gehörmuschelwindungen rausbringt. Sagen Sie dann einfach nicht, Frau Feuz hätte Sie nicht gewarnt, ja?! Und jetzt alle: «Wo-oo-oo, wo-o-o-o FUCK!»

Die Aeronauten präsentieren am Donnerstag 5. November im Dachstock ihr neues Album «Heinz». Im Anschluss werden dann auch noch die legendären The Sonics auf der  gleichen Bühne tätig sein. KSB rät: Nehmen Sie am Freitag frei.

Sans-Papiers Kurzfilmwettbewerb

Gisela Feuz am Donnerstag den 8. Oktober 2015

Stellen Sie sich vor: Sie möchten in die Ferien verreisen – eine Flugreise nach Schottland soll es sein, denn sie mögen Whiskey, Schafe und schlechtes Wetter. Sie buchen im Internet einen Flug, dazu benötigen Sie eine Passnummer und eine Kreditkarte. So ganz ohne Sackgeld will man ja dann auch nicht losziehen, also zotteln Sie Richtung Bank, wo Sie ihren Personalausweis und Ihre Bankkarte vorweisen müssen, damit Sie die das Geldinstitut mit schottischen Pfund in der Tasche wieder verlassen können. Ist der Reisetag endlich gekommen, fahren Sie mit dem Zug zum Flughafen und zeigen unterwegs dem Kontrolleur ihr Halbstagsabonnement. Am Flughafen selber gilt es bei der Sicherheitskontrolle wiederum Identitätsdokument und Boarding-Pass vorzuweisen, haben Sie keines davon, endet die Reise wohl eher im ungemütliche Büro der Flughafenpolizei und nicht in Schottland.

Ferientrip planen – ein Luxusproblem sondergleichen. Nichtsdestotrotz verdeutlicht dieses harmlose Szenario Folgendes: Heute reicht Menschsein alleine nicht mehr, um als Mensch anerkannt zu werden. Heute gehört eine ganze Anzahl Nummern und Papiere dazu, damit man ein «gültiger Mensch» ist. AHV-Nummer, Mietvertrag, Krankenkassennummer, Bankkontonummer, Reisepass, Niederlassungsausweis, Blutgruppenausweis, Halbtagsabonnement, undsoweiterundsofort. Fehlen die Papiere, wird es schwierig, der Mensch dahinter geht vergessen und wird zum Phantom-Dasein verdammt.

Damit genau das nicht passiert, wurde vor 10 Jahren die Beratungsstelle Sans-Papiers ins Leben gerufen, welche Menschen, die ohne gültige Papiere in der Schweiz leben (alleine im Kanton Bern sind es ungefähr deren 12’000) mit Rat und Tat zur Seite stehen bei juristischen, politischen und/oder sozialen Belangen. Dieser Verein, bei dem Fachpersonen aber auch ganz viele Freiwillige mithelfen, erfüllt auch gegen aussen eine wichtige Funktion, dokumentiert er doch die Schwierigkeit eines Lebens ohne Papiere. In diesem Sinne ist auch der Kurzfilm-Wettbewerb zu verstehen, welcher der Verein Sans-Papiers lanciert hat. Gestern wurden im Rahmen des Shnit-Festivals sämtliche Einsendungen gezeigt, wobei das Publikums-Interesse enorm war und das Kornhausforum fast aus allen Nähten platzte.

Insgesamt 16 filmische Erzeugnisse zum Thema «Sans-Papiers» waren eingeschickt worden, wobei eine enorme Vielfalt zusammenkam: von Comic bis Experimentalfilm, von Dokumentation bis Spielfilm oder Animation war alles dabei. Sämtliche Einsendungen können Sie sich hier anschauen. Den zweiten Platz und Publikumspreis abgeräumt hat «Zaungespräche» von Lisa Gerig, der Ihnen keinesfalls vorenthalten werden soll, werte KSB-Leserschaft. Drum: Film ab!

Zaungespräch from Beratungsstelle für Sans-Papier on Vimeo.

Im Strobolichtgewitter

Milena Krstic am Donnerstag den 8. Oktober 2015

Sie wechseln das Tempo mitten im Lied, spielen mit unüblichen Harmonien und tüfteln auch gerne herum, was visuelle Reize betrifft: I Made You a Tape, die in Bern stationierte Synthe-Pop-Band rund um Sängerin Belinda Aréstegui Sibill Emma Kim. Den Beleg dazu liefert ihr kürzlich veröffentlichter Videoclip zum Lied «Neither».

Film ab:

Wobei, in den Seilen herumhängen, das kennen wir doch schon von irgendwo her. 

Das Debüt «I Made You a Tape» erschien dieses Jahr.  

Flimmern #17

Oliver Roth am Mittwoch den 30. September 2015

In dieser Serie präsentiert Ihnen KSB das Flimmern zur Wochenmitte.

Der zweite Teil der Video-Reihe führt fort, was der erste Teil angefangen hat, und verkettet kurze Videos. In den wöchentlich, seriell geschalteten Aufnahmen schimmert oft ein Ausschnitt aus dem grossen Ganzen durch: Das Flimmern. Es kann ein flüchtiges Lichtspiel schummriger Stunden sein, ein klares Signal oder Zeichen aber auch ein zittriges, verschwommenes Unbekanntes. Schauen sie gut hin, hören sie genau zu.

Die Videos dieser Reihe stammen aus dem Archiv unseres Autoren und sind an unterschiedlichen Orten vor allem auf Reisen und unterwegs gesammelt worden. Für Urheberrechte wird nicht gehaftet, Vorsicht vor Strobo-Licht und Schwindel.