
Gestern fand im Progr ein weiteres Tacheles statt, diesmal zum Thema “Kulturberichterstattung” – wegen des grossen Publikumandrangs nicht im VISARTE-Raum, sondern auf der “Kleinen Bühne”. Doch selbst da fanden nicht alle Platz, ein guter Teil des Publikums verfolgte die Diskussion als Übertragung auf einem Bildschirm im Flur.
Als erstes gab es eine Stellungnahme von Reinhard Spieler zu seinem skandalösen Rauswurf beim Museum Franz Gertsch durch den Mäzen Willy Michel. Unterstützt wurde er von Prof. Dr. Norberto Gramaccini, der aus Protest vom Verwaltungsrat des Museums zurückgetreten ist und der in seinem interessanten und klaren Statement darauf hinwies, dass diese plötzliche Kündigung kein Einzelfall sei im Kunstraum Bern, sondern ein weiteres Beispiel einer gefährlichen Tendenz. Ebenfalls Rückendeckung erhielt Spieler von Christoph Reichenau, sowie vom Kulturminister Heinrich Gartentor, der Unterschriften sammelte für “mehr Respekt seitens der Mäzene” (oder so ähnlich, lieber Herr Gartentor, wollen Sie das in einem Kommentar vielleicht selber erläutern?)
Daraufhin ging man zum eigentlichen Thema, der Kulturberichterstattung, über. Auf dem Podium sassen Michael Hug (BZ), Dani Landolf (Bund), Roger Blum (Medienprofessor), Matthias Frehner (Kunstmuseum) und eben Reinhard Spieler.
Es gab zahlreiche bemerkenswerte Statements. So verteidigte Michael Hug das Konzept der BZ, die seit einiger Zeit keinen Kulturteil mehr führt, indem er zu Bedenken gab, dass auf diese Weise auch Leute, die sich sonst nicht für Kultur interessieren, ab und zu eine Kulturmitteilung lesen. Dem entgegen setzte Reinhard Spieler, dass die Kultur in den richtigen Kontext gehört, und der richtige Kontext für Berner Kunst sei die Kunst, und nicht Bern. Ganz meine Meinung!
Matthias Frehner gab in einer mutigen Äusserung zu verstehen, dass er von Seiten der Presse ein kontinuierliches Feedback erwarten darf und auch Reinhard Spieler pochte darauf, dass die Kulturschaffenden ein Recht auf Berichterstattung hätten. Dem widersprach Dani Landolf und die Diskussion drehte sich dann um die nicht unspannende Frage, für wen die Medien schreiben sollten. Ja ja, natürlich für das Publikum, aber wer soll denn das letztlich sein: “DAS Publikum”? Man schafft sich ja ein bestimmtes Publikum, je nachdem, was man anbietet.
Eine wirklich interessante Veranstaltung mit einer ehrlich angeregten Diskussion, über die es noch vieles zu sagen gäbe. Man stand noch lange herum, diskutierte, ass und trank. Am Rande erfuhr man noch, dass Herr Landolf (der übrigens dem klugen und gefürchteten Tobi Müller vom Tagi ähnlich sieht, finde ich) nicht Chefredaktor vom Bund wird und die Zeitung deshalb verlässt. So schad!
Das Statement von Reinhard Spieler ist auf Video über youtube.com zu sehen