Archiv für die Kategorie ‘Politik & Debatten’

50 Freuden fürs Auge

Frau Götti am Freitag den 4. Juli 2008

Seit heute gibts nun also voll amtlich und voll legal Stellen für Kulturplakate. Nicht sehr viele zwar – nur 50 Standorte -, aber die, welche da sind, sind eine Freude fürs Auge.

Diese Litfasssäule ist wohl schon jetzt nicht mehr nackt.

Unter dem Baldachin hats auch Stellen gegeben – wie sehen die denn aus? Kommen Sie heute am Bahnhofplatz vorbei? Ich bitte um Fotografien.

Endlich eine Lösung?

Manuel Gnos am Mittwoch den 2. Juli 2008

Die so hübsch mit «Klein- und Kulturplakatierung» umschriebene Sache war bei KulturStattBern schon diverse Male ein Thema. So zum Beispiel hier und aber auch hier.

Nun ist uns eine Medienmitteilung der Stadt Bern ins Haus geflattert, in der bekannt gegeben wird, dass man mit einer provisorischen Lösung gleich zwei Probleme auf einen Schlag angehe: Erstens soll mit 49 neuen Plakatierungsstellen genügend Platz für Kulturplakate geschaffen werden. Zweitens geht die sogenannte City-Pflege konsequent(er) gegen Wildplakatierer vor («Illegale Plakate werden künftig konsequent und flächendeckend entfernt»).

Dies alles in der Hoffnung, dass das Stadtbild vom Plakatmüll gesäubert wird und gleichzeitig die Kulturveranstalter die Möglichkeit erhalten, ihre Veranstaltungen zu bewerben.

Noch ist nirgends zu sehen, wie die neuen Plakatstellen aussehen werden. Wir aber bleiben am Ball: Unsere rasende Reporterin Frau Götti wird Sie am Freitag, dem Tag der Inkraftsetzung dieser provisorischen Lösung, auf dem Laufenden halten.

Wildplakatierung in Bern: Solche Bilder sollen Bald der Vergangenheit angehören. (Bild Valérie Chételat, Der Bund)

«Liebe Kulturgemeinde, wir sind zusammen gekommen, um Abschied zu nehmen von…»

christian pauli am Mittwoch den 2. Juli 2008

In der Aula des Progr gab sich gestern Abend Kreti und Pleti der Berner Kulturszene ein Stelldichein, um von Kultursekretär Christoph Reichenau Abschied zu nehmen. Der mitunter arg kritisierte, aber – so zeigte sich gestern – zumindest in der versammelten Gemeinde geschätzte Stadtberner Kulturchef geht per Ende Monat in Pension.

Die im Saal greifbare Wertschätzung verdeutlichte Stadtpräsident Tschäppät: Reichenau habe in seinen fünf Jahren als oberster Stadtberner Kulturförderer das Kunststück zustande gebracht, das Kulturbudget um einen Fünftel zu erhöhen; und das in einer Zeit, wo sonst überall gespart werde. 283 Franken pro Kopf gebe die Stadt Bern jährlich für Kultur aus, derweil sich der Kanton Bern mit 57 Franken und einzelne Gemeinde mit Fr. 6.20 begnügten, rechnete der Stadtvater stolz vor.

Reichenau gehtUnd Christoph Reichenau? Er bedankte sich mit einer berührenden Rede über diesen seinen Abgang, der ein letzter sei und finalen Charakter habe. Und plötzlich wähnte man sich an der Beerdigung, die der Stapi scherzeshalber angekündigt hatte.

Reichenau, der ein beängstigendes Arbeitspensum hinter sich gebracht und manch einen oder eine mit seinem Tempo überfordert hat, war zum Abschluss ganz der, wie ich ihn, der mit ihm so eng zu tun hatte, kennengelernt hatte: Ein Kämpfer scheinbar ohne Limiten, bescheiden und konzentriert, ohne Rücksicht auf persönliche Verluste, politisch gewieft, juristisch sattelfest, manchmal überraschend naiv in seinem Aktivismus und – vor allem aber – ein veritabler Kulturmensch.

KulturStattBern wünscht dem In-Kürze-Ex-Chef von «KulturStadtBern» gute Erholung. Wir aber bleiben dran.

(Nicht so sehr) Sonne im Herzen, vol. 6

Frau Götti am Sonntag den 11. Mai 2008

Sie haben jetzt sicher Vizemeisterkater und grosses Bedürfnis nach ein wenig Sonne im Herzen.

Nur leider muss ich Sie enttäuschen: Ich bin auch verkatert und nicht sehr sonnig gestimmt. Ich befasse mich daher mit homophoben Tendenzen in der Welt des Reggae und Dancehall. Dort gibt es nämlich das Phänomen der «Battyman-Tunes». Das sind schwulen- und lesbenfeindliche Songs, die eine Reihe hässlicher Aufrufe enthalten. Zum Beispiel wird zur Ermordung von Schwulen und Lesben aufgefordert. In Jamaica wurden dies auch schon blutige Realität.

Proteste 2004 in Jamaica gegen Schwulen-Morde

Ein paar Song-Beispiele finden Sie hier.

Seit April läuft in der Reitschule Bern das Projekt «Stop Murder Music Bern». Auslöser dafür war ein Vorfall an einer von Culture Factory organisierten Dancehall-Party am 14. März in der i-fluss-Bar der Reitschule: Als der MC des Zürcher Soundsystems “Dubversive Soundsystem” per Mikrofon lautstark einen “Battyman”-Song mitsang, schmissen die Organisatoren das ganze Soundsystem kurzerhand raus.

Auch international gibt es die «Stop Murder Music»-Kampagne gegen die Konzerte von Reggae-/Dancehall-Homohass-Musikern. Einige der Musiker, zum Beispiel Sizzla, Beenie Man, Capleton und Buju Banton, haben inzwischen den «Reggae Compassionate Act» unterzeichnet, in dem sie sich verpflichten, während ihren Konzerten keine Battyman-Tunes zu spielen.

Das ist aber für die Leute von Culture Factory nicht genug: Boykott sei das einzig Richtige, finden sie und haben dazu ein eigenes Grundsatz-Manifest formuliert. Ein Konzert von Buju Banton 2006 in Bern wurde nach Protesten von der Grossen Halle der Reitschule ins National verschoben. Culture Factory fordert auch von der Roten Fabrik in Zürich einen solchen Boykott, denn dort soll am 24. Mai Sizzla auftreten.

Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass solche Kampagnen auch im Hip Hop nötig wären. Da kann es der geschätzte Herr Eminem noch so eigentlich gar nicht ernst meinen. Ich weiss nämlich nicht, ob Teenies empfänglich für Ironie sind.

Gesundheit!

Manuel Gnos am Montag den 5. Mai 2008

Wir bitten kurz um Ihre Aufmerksamkeit, werte KSB-Leserinnen und –Leser. Denn die SDA hat uns in diesen Augenblicken folgendes mitgeteilt: «Aus dem ehemaligen Stadtberner Progymnasium wird ein Gesundheitszentrum. Neben Praxen für Haus- und Spezialärzte werden auch ein Gastrobetrieb und kulturelle Nutzungen Platz finden. Derzeit wird der Progr als Atelier- und Projektwerkstatt genutzt.»

Ärzte verdrängen die Kultur im Progr. (Bild Manu Friederich)

Im Gebäudeteil zum Waisenhausplatz entsteht das Gesundheitszentrum. Im Nordflügel wird ein Studienzentrum für Pädagoginnen und Pädagogen mit Schwerpunkt Musik, Gestaltung und Bewegung geschaffen. Hof, Turnhalle und Aula beherbergen ein Bistro und werden für diverse kulturelle Projekte zur Verfügung stehen.

Ob die neuen Investoren Interesse an einer Verlängerung der Zwischennutzung haben, bleibt nach Angaben der Stadt noch abzuklären. Die Stadt will jedenfalls am 1. August 2009 das Gebäude an die Investoren übergeben, wie sie in ihrer Mitteilung klarmacht. Sie will die Kulturschaffenden aber bei der Suche nach neuen Räumlichkeiten unterstützen. Im Februar 2009 kommt die Vorlage noch vors Volk.

Danke für Ihre Geduld. Nun dürfen Sie zurück zu dem, was Sie vorher gemacht haben – oder Sie kommentieren in den Kommentaren.

Bewegung der Unzufriedenen

christian pauli am Dienstag den 22. April 2008

Der Anteil der Unzufriedenen an den städtischen Bevölkerungen beträgt 4 Prozent. Diese groteske Zahl machte gestern im Kornhausforum die Runde, als sich die beiden eingewanderten Journalisten Urs Paul Engeler (vor 25 Jahren, Thurgauer, «Weltwoche») und Jean-Martin Büttner (vor 7 Jahren, Basler, «Tagsanzeiger») unter der Leitung des nicht ausgewanderten Konrad Tobler (einst BZ, heute «Bund») zum Stadtgespräch III trafen.

Eine reizvolle Affiche: Neoliberaler Prediger und linksliberaler Kulturmaniac, beide beseelt vom Bedürfnis, zum Leben in dieser Kleinstadt sich vernehmen zu lassen, im Wortduell. Wie pariert der intellektuelle Dylan-Kenner mit Reportagenstatus beim Tagi die unermüdlichen Breitseiten des Weltwoche-Statthalters im Bundesbern?

Doch lustlos rankte sich das Gespräch um den Stadtfrust aus Abfall, Drogen und Anarchie. Engeler sang unentwegt das hohe Lied des Wettbewerbs und der freien Fahrt, das in Bern nicht genügend erhört werde, derweil Büttner mit gewohnt dialektischer Verve historische und kulturelle Relativierungen anbrachte. Die parteiische und trotzdem nicht inspirierende Moderation verscheuchte zusätzlich mögliche Debattenspannung.

Bern ist Bern ist Bern ist Bern hörte sich der Zuhörer innerlich sagen und erinnerte sich flüchtig daran, dass in dieser Stadt einst eine «Bewegung der Unzufriedenen» für Aufruhr sorgte. Während die spärlich anwesenden Kulturmenschen Engeler nämlich ungestraft predigen liessen, outete sich im Publikum gestern ein Unzufriedener aus Bümpliz. Er, Opfer einer Verkehrsberuhigungsmassnahme, sei Angehöriger der eingangs erwähnten Minderheit. Wunderbar bizarr, so öppis!

Sexy Kunstmuseum?

janna am Mittwoch den 27. Februar 2008

Wie attraktiv ist das Berner Kunstmuseum?

Seit ich vor einiger Zeit dem Podiumsgespräch: «Gegenwartskunst im Museum – wie sammeln?» im Kunstmuseum beiwohnte, gehen mir einige Fragen und Gedanken nach. Nicht pausenlos und auch keine schlafraubenden Gedanken, aber doch so, dass ich sie an dieser Stelle loswerden möchte.

Die Fragestellung war konkret auf das Kunstmuseum Bern gemünzt. Wie soll man hier sammeln? Und wofür stehen Bern und dessen Kunstmuseum eigentlich in der schweizerischen Kunstlandschaft?

Basel steht für die Fondation Beyeler und das Museum Tinguely, Winterthur für tolle Fotoausstellungen, Zürich lockt immer wieder mit grossen Namen in der zeitgenössischen Kunst und das Aargauer Kunsthaus steht für Schweizer Künstler. Aber Bern?

Gewisse, eher ökonomisch denkende Menschen möchten in Bern ähnliches sehen und fordern deshalb eine Konzentration auf ein Profil und eine damit verbundene, geldbringende «Bereinigung» der bestehenden Sammlung. Andere wollen im Museum mehr innovativen Geist sehen, sprich: mehr Experimente und Performances.

Doch da macht einer nicht mit. Matthias Frehner, Direktor des Kunstmuseums, möchte bewahren statt verkaufen, und überlegt einkaufen statt Geld zu verprassen. Was man ihm auch nicht gänzlich verübeln kann.

Attraktivität fordert jedoch nicht immer viel Geld! So könnte die – Verzeihung – Langeweile, die das Kunstmuseum manchmal verbreitet schon durch mehr Lesungen, Künstlergespräche oder Diskussionsrunden über Kunst etwas an Aktivität und somit auch an Attraktivität gewinnen!

Andere Vorschläge?

Baslerin wird Kultursekretärin

Manuel Gnos am Mittwoch den 13. Februar 2008

Veronica Schaller. (zvg)Der Berner Gemeinderat hat eine neue Kultur-Chefin für unsere Stadt ernannt: Die Basler Alt-Regierungsrätin Veronica Schaller tritt Christoph Reichenaus Nachfolge an.

Schaller sass für die SP in der Regierung von Basel-Stadt, war Vizedirektorin des Bundesamts für Migration und ist heute Rektorin des Ausbildungszentrums des Inselspitals. Ab August steht sie nun der Abteilung für Kulturelles vor.

Bis jetzt sagte Schaller erst: «Ich freue mich total.» Weitere Fragen – wo sie beispielsweise ihre Schwerpunkte zu setzten gedenkt – werde sie erst nach der offiziellen Bekanntgabe beantworten.

Peter Rychiger, der Präsident des Verwaltungsrats des Inselspitals, beschreibt Schaller als «lösungsorientiert». Sie lege ihre Meinung auf den Tisch, sei anschliessend bereit zu diskutieren und erst dann werde entschieden. Rychiger spricht insgesamt von einer «spannenden Zusammenarbeit».

Wie die Kulturszene auf die Wahl reagiert, ist schwer abzuschätzen. Klar ist hingegen schon, dass Schaller von aussen kommt und damit in keiner Weise vorbelastet ist. Der jetztige Kultursekretär Christoph Reichenau, der altershalber abtritt, weiss was es für diese Stelle braucht: «Eine starke, eigenständige Persönlichkeit.»

Die Entscheidung des Gemeinderats wird erst morgen Donnerstag offiziell bekannt gegeben. Doch Recherchen des «Bund» förderten den Namen bereits heute an die Oberfläche.

Lesen Sie am Donnerstag den Bericht von Philipp Schori im «Bund».

Hoigné nicht mehr Chefredaktor

Manuel Gnos am Dienstag den 12. Februar 2008

Christoph Hoigné, Chefredaktor der Berner Kulturagenda. (Bild Adrian Moser)Christoph Hoigné, Chefredaktor der Berner Kulturagenda, hat die Kündigung eingereicht. Gegenüber «Bund»-Redaktor Simon Jäggi sagte Hoigné, er ziehe damit die Notbremse: «Gerne mache ich diesen Schritt nicht, aber ich bin daran meine Familie und Gesundheit zu ruinieren.»

So etwas kommt natürlich nicht von ungefähr: Das Konzept der Kulturagenda setze die Selbstausbeutung voraus, sagte Hoigné weiter. Die Redaktion müsse ausbaden, dass das Projekt noch immer unter strukturellen Problemen leide.

Es ist dies das nächste Kapitel in einer traurigen Fortsetzungsgeschichte: Immer noch ist keine befriedigende Lösung in Sachen Ausgehzeitschrift für die Stadt Bern in Sicht – weder für die MacherInnen noch für die VeranstalterInnen.

Lesen Sie mehr dazu am Mittwoch im «Bund».

Baustelle Kultur im Progr

janna am Freitag den 8. Februar 2008

Lasst den Worten Taten folgen und den Progr zu keiner Baustelle werden!

Suisse Culture, der Dachverband der Kulturschaffenden, lud gestern Donnerstag zur Diskussion ein, und Nationalräte sowie Künstler aller Sparten kamen. Primär ging es um eine Verbesserung der sozialen Sicherheit für Kulturschaffende und ausserdem um eine Kritik am 2001 verabschiedeten Kulturförderungsgesetz, das es – leider gar nicht fortschrittlich – geschafft hat, noch mehr Blockaden zwischen den Kunstschaffenden und Förderern zu errichten.

Baustelle Kunst, Diskussion im Progr.

Im Teil «Kunst trifft Politik» trafen Politiker wie Nationalrat Kurt Fluri von der FDP auf Kunstschaffende wie Pipilotti Rist (siehe Bild). Wer dabei eine hitzige Diskussion erwartete, wurde enttäuscht. Politiker und Künstler verstanden sich prächtig!

Und trotzdem komme ich nicht umhin, mich zu fragen, warum denn bei so viel wiederholt bekundetem Verständnis für die Kunstschaffenden und trotz dem politischen Statement, dass Kunst «ein Wert an sich ist», den es zu unterstützen gilt, faktisch doch so wenig gemacht wird.

Denn ist es nicht paradox, dass eine solche Veranstaltung im Progr, dem Zentrum für Kulturproduktion stattfindet, dessen Tage gezählt sind, weil die Stadt Bern darin als rentablere Lösung Büroräume statt Künstler unterbringen will?

Man sollte weiterhin kritisch beobachten, ob den Worten Taten folgen.
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Janna Steger schreibt ab sofort regelmässig für das eBund-Weblog «KulturStattBern». Wir heissen sie herzlich willkommen!