Archiv für die Kategorie ‘Politik & Debatten’

Frostige Zeiten

Benedikt Sartorius am Montag den 15. Dezember 2008

«Alarm am Stadttheater Bern» lautet der Titel im «Bund». Denn trotz schwarzen Zahlen, die die Verantwortlichen des Theaters bekanntgaben, steckt das Haus in einer tiefen Krise. Die Besucherzahlen in der ersten Saison unter dem neuen Intendanten Marc Adam sind weiter eingebrochen. Ins Gewicht fällt vor allem der Besucherrückgang in der Sparte Musiktheater.

Der Präsident der Theatergenossenschaft, Henri Huber, macht ein strukturelles Defizit aus. Das Haus sei chronisch unterfinanziert, noch mehr Sorgen bereitet ihm allerdings der schlechte Zustand der Hauptspielstätte am Kornhausplatz, dessen Unterhalt seit der letzten Renovation vor 35 Jahren sträflich vernachlässigt worden sei.

Hoffnung auf einen Aufbruch macht allenfalls die Spielstätte in den Vidmar-Hallen, die auch ein jüngeres Publikum anzog.

(Bild Franziska Scheidegger)

PROGR Olé!

Daniel Gaberell am Freitag den 12. Dezember 2008

Heute Abend wird im PROGR gefestet, was das Zeug hält. Denn jetzt, so schreiben die Verantwortlichen, gehe es ums Ganze.

Die Verantwortlichen sind jene Kulturschaffende, die sich zum Ziel gesetzt haben, den PROGR für 2,4 Millionen Franken im Baurecht zu kaufen. Die Stadt Bern erhielte zudem einen Baurechtszins von 320’000 Franken pro Jahr und die BetreiberInnen würden für den werterhaltenden Unterhalt des Gebäudes aufzukommen und die erforderlichen Sanierungen vornehmen (7 Millionen Franken). Bis Ende Jahr müssen die konkreten Kaufabsichten der Stadt glaubhaft unterbreitet werden.

Ein hohes Ziel und ein erstrebenswertes Ziel, denn: Die 150 Kulturschaffenden im PROGR würden weiterhin eine geballte Ladung an Kulturproduktionen garantieren!

Zwei vordringliche Frage aber seien hier dennoch erlaubt: Wie realistisch ist die Übernahme des PROGRS (Anlagekosten von 10 Millionen Franken) durch die Kulturschaffenden? Und die zweite Frage: Der Charakter des PROGRS ist auch geprägt durch das Zeitlichbefristete – welche Ausstrahlung wird der künftige PROGR haben, wenn das Gebäude einerseits saniert und die Kulturproduktionen andererseits fest institutionalisiert sind?

Hier können Sie das Festprogramm als PDF runterladen und hier erfahren Sie mehr zur beabsichtigen Übernahme.

Kulturgipfeli

christian pauli am Montag den 1. Dezember 2008

Kulturpolitik am Sonntag: Im Kino Kunstmuseum wurde gestern zum «Kulturgipfel» geladen. Anlass war die Berner Premiere des Dokfilmes «Gartentor. Kulturminister – Bilanz einer subversiven Mission» der Filmemacherin Andrea Leila Kühni.

Sie wissen schon: Der Thuner Künstler Heinrich Gartentor war 2006/07 der erste, von der Kulturszene erwählte Schweizer Kulturminister. Mit dieser zugleich künstlerischen und kulturpolitischen Aktion wurde der eigentümliche Umstand thematisiert, dass die Schweiz keinen Kulturminister hat, sondern nur einen Bundesrat des Inneren, der im Nebenamt auch noch die nationale Kulturpolitik zu verantworten hat.

Gartentor beobachtet Couchepin

Nun hat der bauernschlaue, viel Aufsehen verursachende Gartentor nach dem städtischen Kulturpreis auch noch seinen Film bekommen. Recht aufschlussreich kommt das filmische Porträt daher, ein hübscher, und vor allem auch amüsanter Blick auf die halb existente Kulturpolitik der Eidgenossenschaft. Besonders lustig ist die Szene, als ein locker auftretender Pascal Couchepin im Nationalrat Stellung zu einem Postulat betreffend finanzieller Unterstützung des Kulturminsteriums nimmt, derweil dieser selbsternannte Minister auf eine Holzwand in der Wandelhalle trommelt, was wiederum die Nationalratspräsidentin einigermassen aus der Fassung bringt. Couchepin und Gartentor im Bundeshaus – eine wunderbare Performance. Besser kann man die Kultur in der föderalistischen Eidgenossenschaft nicht beschreiben.

Gartentor-Schaller-Moderator Tobler-Knüsel-BlumAn der anschliessenden Diskussion nahmen neben Gartentor die Berner Kultursekretärin Veronica Schaller, Pro Helvetia-Chef Pius Knüsel und kulturministerium.ch-Initiant Adi Blum teil. Trotz so relevanten Themen wie die laufenden Beratungen zum Kulturförderungsgesetz oder – lokal gesehen – zur Zukunft des Progr brachte die prominent besetzte Runde kaum neue und nur wenig nachhaltige Statements zustande. «Kultur und Gesetz passen in der Schweiz irgendwie nicht zusammen», gab Frau Schaller zu bedenken.

KulturStattBern findet: Wenn schon die Kulturpolitik in der Eidgenossenschaft nicht so richtig existiert, dann ist sie – Gartentor sei dank – wenigstens unterhaltsamer geworden. Ob der Literat Dominik Riedo, der neue Kulturminister für 2008/2009, daran etwas ändern will und kann, wird sich weisen.

Richtungsweisend

Daniel Gaberell am Dienstag den 11. November 2008

Auf Stimmenfang.

Wem geben wir eine Stimme?

Bald sind Wahlen in der Stadt Bern und die kulturinteressierten Wähler fragen sich, wer von den drei Stapi-Kandidaten sich wohl am meisten für die lokale Kultur- und Kunstszene einsetzen würde. Und zwar nicht nur für die grossen Namen und Institutionen, sondern ebenfalls auch für die kleinen Kulturtäterinnen und -täter.

Frau Hayoz, weshalb sollen die Blog-Leserinnen und -Leser von «KulturStattBern» Barbara Hayoz zur neuen Stadtpräsidentin wählen?

«Mein Zugang zu Kultur und Kunst ist unverkrampft. Künstlerinnen und Künstler bewegen mich mit ihren Werken. Kultur ist für mich die Beschäftigung mit Sprache, Musik, Tanz, bildender Kunst oder Architektur. Sie gehört zum menschlichen Sein – wie Luft und Wasser. Eine Gesellschaft ist nur lebendig, wenn deren Kultur vielfältig ist. Es ist daher eine öffentliche Aufgabe, die städtische Kultur zu fördern. Dabei würde ich als Stadtpräsidentin nicht die Giesskanne anwenden, denn das Motto ‚äs bizeli für aues’ bringt nichts. Wichtig ist das Setzen von Prioritäten und Schwerpunkten. Neben Kultur mit traditionellem Wert ist auch Experimentelles zu fördern. Kulturschaffende müssen sich von einer freisinnigen Stadtpräsidentin nicht fürchten! Aber: Ich werde Kulturinstitutionen vermehrt dazu drängen, sich um private Mittel zu bemühen. Es darf nicht sein, dass Kulturschaffende mit viel Idealismus aber ohne Konzept etwas aufbauen und sobald die ‚Kiste’ gross und erfolgreich ist, die Stadt finanziell einspringen muss. Neben Engagement und Begeisterungsfähigkeit werden in der Kultur Managementfähigkeiten immer wichtiger. Diese bringe ich mit und würde damit der Kultur gezielt unter die Arme greifen.»

Herr Tschäppät, weshalb sollen die Blog-Leserinnen und -Leser von «KulturStattBern» Alexander Tschäppät zum Stadtpräsidenten wählen?

«In den vergangenen Jahren wurden mehrere Sparrunden durchgeführt, die teilweise zu erheblichen Einbussen führten. Einzig im Kulturbereich ist es gelungen, die Sparanstrengungen nicht nur abzuwehren, sondern das städtische Kulturbudget erheblich zu erhöhen. Dabei wurde besonderer Wert darauf gelegt, dass diese Erhöhung nicht nur den fünf grossen Kulturinstitutionen zukommt, sondern und vor allem auch der freien Kulturszene. Die Wahl vom 30. November 2008 wird auch eine Weichenstellung dafür sein, ob diese erfolgreiche Kulturpolitik weitergeführt werden kann oder nicht.»

Herr Hofer, weshalb sollen die Blog-Leserinnen und -Leser von «KulturStattBern» Jimy Hofer zum neuen Stadtpräsidenten wählen?

«Weil ich eine echte Alternative bin.»

Wird die Welt ein bisschen besser?

Grazia Pergoletti am Mittwoch den 5. November 2008

Unser allseits beliebter Aussenkorrespondent Herr Gnos liess uns heute Nacht dieses wunderbare Stimmungsbild direkt aus dem Grant Park in Chicago zukommen.

Quartierdiva und Signora Pergoletti freuen sich auf die schwarze Familie im Weissen Haus.

Ist er unlauter oder wir zu blöd?

Frau Götti am Montag den 27. Oktober 2008

Lukas Vogelsang, Chefredaktor des Berner Kulturanzeigers Ensuite, sorgt wieder mal für Zoff: Jetzt will er die Internet-Adresse www.buskers.ch nur für fast 2000 Franken dem Strassenmusik-Festival Buskers überlassen. Christine Wyss, die zusammen mit ihrer Schwester das Buskers organisiert, lässt im heutigen «Bund» ihrem Ärger freien Lauf: «Unlauter und egoistisch» sei das.

Nun ist Herrn Vogelsangs Einkaufstour bei freien Domains ja seit Längerem bekannt, unser geliebte Herr Gnos berichtete schon vor zwei Jahren darüber.

So landet man auch hier , hier oder hier bei Ensuite. Finden Sie das auch unlauter von Herrn Vogelsang? Oder sind die anderen schlicht selbst schuld? (Übrigens haben auch wir vom KSB gepennt, wie das hier beweist.)

«Surprise» muss bleiben

Benedikt Sartorius am Sonntag den 12. Oktober 2008

An diesem schönen und späten Sonntagnachmittag begnüge ich mich mit einer Forderung zu einem weniger schönen Thema: «Surprise», das Strassenmagazin, muss weiter in den Bahnhofshoppingmalls zu kaufen sein. Oder fühlen Sie sich von den VerkäuferInnen des Strassenmagazins ernsthaft gestört? Eben.

Surprise-Verkäuferin im Bahnhof Bern

Damals, vor zwanzig Jahren

Daniel Gaberell am Donnerstag den 11. September 2008

Fantastisches Cover!Manchmal, wenn auf dem Sportkanal Peinlichkeiten gezeigt werden oder mein nächstes Buch noch im Laden liegt, dann stöbere ich in meinem kleinen Häufchen DVDs rum (11 Stück) – in der Hoffnung, es gäbe dort noch ein Film, den ich noch nicht gesehen habe oder einer, der so gut ist, dass ich ihn ein zweites Mal anschauen möchte.

Und gestern wurde ich fündig! Ich entdeckte sogar einen Film, den ich noch gar nie gesehen habe und dem ich in letzter Zeit gar keine Beachtung mehr schenkte, weil er in einer derartigen Selbstverständlichkeit auf dem Elferstapel lag, als gehöre er bereits zum alten Eisen.

«Berner beben» heisst dieser Dokumentarfilm. Ein echtes Zeitdokument – zugegeben, mit gewissen Längen. Aber das spielt keine Rolle, denn der Unterhaltungswert ist ungemein hoch, weil man doch die eine oder andere Person (beim ganz genauen Hinschauen) erkennt und sich fragt: Ist es wirklich die oder der?

Aber nicht nur der Gesichter wegen ist «Berner beben» sehenswert. Sondern auch deshalb, weil Bern damals noch auf die Strasse ging. Sie demonstrierten für das freie Land Zaffaraya und gegen die Schliessung der Reitschule. Die heftigen Reaktionen der Bernerinnen und Berner und eine breite Solidarität erzeugten gewaltigen Druck auf die Stadtregierung. Die Berner bebten.

Vom «heissen Sommer» 1980 bis zu den Krawallen anlässlich der Fichendemo 1990 – die 111 Minuten Spieldauer sind es wert.

Wo bleibt das Öffentliche?

Manuel Gnos am Mittwoch den 10. September 2008

The World According to Banksy: Swept Under The Carpet. (adi)

Den britischen Strassenkünstler Banksy kenne ich erst seit kurzer Zeit. Also, eigentlich kenne ich nicht Banksy selbst, sondern einige seiner Arbeiten, weil ich ein Buch geschenkt bekam. Vom ersten Moment an war ich begeistert von der Arbeit dieses (vermutlich 1974 oder 1975 geborenen) Briten.

Sein Name ist mir heute in den Sinn gekommen, als ich Simon Jäggis Artikel «Debatte nach Debakel» (pdf) über den «Tacheles» von gestern Abend zur Kunst im öffentlichen Raum gelesen habe.

Nun gibt es ja zwei Arten von Kunst im öffentlichen Raum: Die öffentlich beziehungsweise politisch abgesegnete Kunst und die nach den Prinzipen der Kommunikationsguerilla funktionierende (wohl) illegale Kunst.

In Bern gibt es die offizielle Variante zurzeit kaum noch. Es gäbe also Platz für ein paar kreative Köpfe, die uns jenseits des Vandalismus das Kunsterlebnis in den Alltag zurückbringen könnten. Mehr als ein paar gelungene Graffitis sind da aber nicht auszumachen. Oder sehe ich sie einfach nicht?

Freak Zentrale

Grazia Pergoletti am Freitag den 1. August 2008

Vor vielen Jahren bin ich mal in Basel in der Nähe eines besetzten Hauses spaziert, als mich ein deutscher Tourist ansprach und mich fragte, ob ich wisse, wo’s hier zur «Freak Zentrale» geht. Daran musste ich gestern denken, als ich spät in der Früh an der lauschigen Bar am Zaffaraya-Fest im Sand stand.

Das Lamm war einfach köstlich, nach argentinischem Prinzip gekreuzigt und von Spitzenkoch Ruedi über der im Boden versenkten Glut gebraten. Dazu gabs Punk aus Langenthal, mit einer Fee, die auf der Bühne herumhuschte und einem Gitarrero in Leopardenslip, recht unerbittlich, aber passend.

Roy and the Devils Motorcycle

Anschliessend ein Höhepunkt der Saison: Die geheime beste Schweizer Band Roy and the Devil’s Motorcycle, für einige Stücke gar gemeinsam mit Bandmitgliedern von Mama Rosin, der Entdeckung aus Genf. Intensiv und fragil und traumhaft! Musik zum erschauern, in der Tradition von Velvet Underground und Spacemen 3, ganz mein Fall.

Zuletzt trat die Kultfigur Hotcha aus Biel mit einem unglaublich fixen Elektroniker auf die Bühne, um noch die letzten Zweifel aus dem Weg zu räumen daran, dass man sich hier an einer absolut aussergewöhnlichen Veranstaltung befand. Technopunk der unverfrorensten Sorte.

Die «Zaff Zentrale» war nicht wie alben überlaufen. Der neue Platz ist überschaubar und ganz hübsch, man blieb gestern relativ unter sich und wusste dies zu geniessen, wie mir schien.