Archiv für die Kategorie ‘Daten & Termine’

In A Sentimental Mood

Mirko Schwab am Donnerstag den 2. November 2017

Dem Montagsblues mit Jazz begegnen. Ein Besuch bei den amis sous les étoiles, den Croonern von der Metzgergass.

Zeremoniemeister Martin Dahanukar steckt sich eine in Brand. (Quelle: www.facebook.com/JazzSousLesEtoiles/)

Aufs Neue geschworen, nicht mehr zu trinken oder doch weniger. Aufs Neue geschworen, die Nase wieder hauptsächlich zum Atmen zu benutzen. Wer schwört, das hab ich mal einen sagen gehört, wer schwört, der lügt nicht selten. Aufs Neue also die Gass herab, Montagabend Metzgergasse. Meinetwegen.

Bise bis unter die Achselhöhlen. Pfeift ein hämisches Lied durch die Löcher, die ich mir unter den besten Vorsätzen, once more with feeling mi amor, in den seelischen Haushalt gerissen habe. Rasch rein durch die schwere Tür, wo sich zwei Freunde noch die Hand geben. Hausnummer 63.

An den Tischlein lauschen sie dem Jazz-Quartett, in das man unweigerlich zur Begrüssung hineinstolpert. Der kauzige Perkussionist Kotoun tätschelt seine Conga, streicht über ein Holzbrett und schwingt die zarten Bleche an, die er vor sich aufgetürmt. Bass (Moll) und Gitarre (Howald) schwingen mit. Oder Bossa Nova. Ein Nicken, ein Lächeln, hellwaches Schlafwandeln im blinden Verbund, angeleitet von Zeremoniemeister Dahanukar mit dem Horn. Er gibt das Thema vor und freut sich mit lüsterner Mimik über gelungene Soli seiner Könner in the back, zieht den Schenkel hoch, wenn ihm selber eine Phrase gelingt. Und pfeift er mal daneben, wischt er die missglückte Note gestisch gleich wieder weg. Das sei eben noch Jazz, sagt einer. Ein anderer wünscht sich seinen liebsten Standard und wird bedient. Ein dritter stolpert rein und wieder raus. Er höre lieber Techno.

«Sous les étoiles» nennt sich diese kulturell vergütete Anlaufstelle für die im Montagabend Verhederten. Hoch gegriffen für Barmusik in provinzieller Laubenenge, unter tonnenschwerer Sandsteinlast, könnte man einwenden. Und doch weht ein Hauch von Weit- und Weltläufigkeit durch die Gasse. Neuyork ist, wo man sich hinwünscht an solchen Tagen. Und wird bedient.

Dann ist Wärme nur ein kaltes Bier. Und wenn nicht kühner, dann doch kühler Jazz.

«Sous les étoiles». Trompete, Gitarre, Doppelbass. Manchmal Perkussion, manchmal Tasten. Immer Montags in den kalten Monaten. Im Les Amis, ab 19h.

Kulturbeutel 43/17

Urs Rihs am Montag den 23. Oktober 2017

Der Urs empfiehlt:
Rap-Progressivismus an den Gestaden des Schiffenensees – Shabazz Palaces am Donnerstag im Bad Bonn. Die Sub-Pop-abstract-Hip-Hop-Hexer sind mit haufenweise frischem Stoff unterwegs und laden zum Trip. Live besteht die Gefahr einer Überdosis Endorphin – hin da!

Die Krstic empfiehlt:
Wie ist das denn jetzt mit dem Feminismus? Laurie Penny fragen! Am Donnerstag im Frauenraum kann mensch das gleich persönlich machen. «Bitch Doktrin» heisst Pennys neue Essay-Sammlung, über die sie sich mit Moderatorin Leena Schmitter unterhalten wird. Sehr toll, dass die Britin nach Bern kommt.

Frau Feuz empfiehlt:
Nach «Martin L. Gore ….» zeigt die Combo Buess/Metzger/Schwabenland ab Freitag im Schlachthaus den zweite Teil der Trilogie «Freiheit», der da heisst: Edward Snowden steht hinterm Fenster und weckt Birnen ein. Am Samstag gibts dann im Rahmen  von Film und Musik in der grossen Halle der Reitschule Buster Keaton Filme zu sehen, live vertont von Marco Dalpane und dem Ensemble Musica nel buio di Bologna.

Kulturbeutel 42/17

Milena Krstic am Montag den 16. Oktober 2017

Die Krstic empfiehlt:
1. Geld zu spenden. Und zwar für eine Boulderhalle am Zentweg, die gerade am Entstehen ist. Gebaut wird sie von tollen Menschen, die dort auch Kultur veranstalten werden. Mehr Infos gibts auf Wemakeit. 2. Am Samstag nach Thun zu fahren. Und sich dort im Mokka die Plattentaufe von Dirty Purple Turtle gönnen. 3. sich das neue Stück von TKKG (Theater kennt keine Grenzen) anzugucken. In «Die Irrfahrten des Odysseus» geht es um den Wunsch, endlich irgendwo anzukommen. Ab Freitag im Brückenpfeiler von Junge Bühne Bern.

Frau Feuz empfiehlt:
von Mittwoch bis Sonntag gibts an diversen Spielstätten der Stadt wieder Kurzfilme à gogo zu sehen: Das Shortfilmfestival Shnit geht in die 15. Runde. Ausserdem ist am Donnerstag Tunichtgut Mani Porno mit seinen Elektro-Wave-Poppern Melker im Les Amis zu Gast und am Freitag stonerrocken und doommetallen Black Lung aus Baltimore im Rössli.

Mirko Schwab empfiehlt:
1k-Sassa Fabian Bürgi, Schnaps und Gäste: Das Rezept von «Bürgi’s Quest» verspricht nicht nur schlagzeugerische Freuden, diesen Donnerstag mit zweierlei Florian – Elektroniker Reichle und Gitarrist Möbes. Brennerei Matte.

Fischer empfiehlt:
Eine Performance im öffentlichen Raum von Victorine Müller, unweit der Galerie da Mihi in der Gerechtigkeitsgasse. Hoffentlich heisst es am Samstag dann nicht: Bin im Wald, komme später…

Der Urs empfiehlt:
Klubnacht
am Samstag in der Dampfere, ganz klar. Denn Dancefloor meint hier natürlich nicht kitschig ballernde Beats, sondern Clubkultur vom Feinsten – leider viel zu selten in unserer Stadt. Mit Mark Du Mosch aus Rotterdam, Christian S. aus Köln und dem Lokalmatadoren Gray Chalk. Da wird viel Leidenschaft für die um die Ecke gedachten, vertrackten und trotzdem hart tanzbaren Rhythmen an den Reglern stehen – wer Dace will, geht laso dort!
Optional präsentiert das Indie-Rap Label MISM ebenfalls am Samstag den progressiv Hopper Ceschi aus New Haven in der Zoo Bar, Seelenbalsam, schlicht und einfach.

Kulturbeutel 41/17

Milena Krstic am Montag den 9. Oktober 2017

Die Krstic empfiehlt:
Vielleicht wird es einer der schönsten Abende diese Jahres, wenn Pamela Méndez ihre EP tauft. Vorher spielt Howald und danach legt Dr. Mo uf. See you at Dampfere. Am Friti.

Mirko Schwab empfiehlt:
Ross
und Papagei in einem heulenden Vehikel zum Mond gespickt oder so. Surrealistische Szenerie, einmal tiefdunkel, einmal neon. Plattentaufe (2); ein Fall für die sinisteren Schwestern und bleichen Brüder dieser Stadt.

Frau Feuz empfiehlt:
Am Donnerstag ist Daniel Romano der  in der Matte Brennerei zu Gast, spielen tut der Poet, visuelle Künstler und Musiker aus Kanada eine Mischung aus modernem Country, Rock’n’Roll und Psychedelic. Am Sonntag gibts im Rössli dann extravagante Punk’Roll-Freakshow: Dirt Box Disco kommen auf Besuch.

Der Urs empfiehlt:
Den lupenreinen Hattrick im Stall, denn jemand wurde da noch vergessen – FOREST SWORDS am Dienstag. Das ist kerngeteilte Klubmusik at its best und ein frühes Saisonhighlight auf jeden Fall.
Und apropos Klub, unterhalb von Kurt und Kurt wird neu auch ernsthaft aufgelegt. Das Programm bestellen dabei Wahlberner, welche sonst im schmuckenUntergrundschuppen «hidden» in Solothurn  drehen und regeln. Zuwachs in der Sparte Dancefloor mit Anspruch also, man darf freudig gespannt sein.

Fischer empfiehlt:
Schon angelaufen zwar, aber man darf da ja jederzeit noch einsteigen: Die grandiose Tourneur-Retrospektive im Rex. So ging Horrorfilm in den 40ern. Projektion und Leinwand, Oberfläche und Tiefe, Licht und Dunkel.

Kulturbeutel 40/17

Milena Krstic am Montag den 2. Oktober 2017

Die Krstic empfiehlt:
Ich droppe mal die Namen zuerst: Bassist Flo Götte und Schauspielerin Martina Momo Kunz. Das reicht aus, um Lust zu haben auf einen Theaterabend, der von diesem Gespann bestritten wird. «Les Mémoires d’Hélène: The Beast in You» heisst das Stück, das ein musikalisch untermalter Monolog zum Thema Suizid ist. Das klingt traurig. Ist es auch. Aber nicht nur. Ich spreche aus Erfahrung, habe ich doch vor eineinhalb Jahren einen Prototypen des Stücks gesehen. Die Faszination hallt immer noch nach. Premiere ist am Donnerstag, weitere Vorstellungen am Freitag und Samstag im Schlachthaus.

Frau Feuz empfiehlt:
Zärtelnder Folk-Barde, wütender Punkrocker und heulender Bluesmusiker in einem: Christian Gibbs ist am Donnerstag im Kairo zu Besuch. Am Samstag wird im Kino Reitschule «Sans Papier» gezeigt. Der 11-minütige Film des blutjungen Berner Filmemachers Nikolai Paul behandelt ein hochaktuelles Thema: geschätze 90’000 – 250’000 Menschen leben ohne gültige Papiere in der Schweiz. Im Anschluss läuft dann der libanesische Dokumentarfilm «A Maid vor Each», welcher die prekäre Situation von Hausangestellten im Libanon beleuchtet, die zum Teil wie Sklaven behandelt werden.

Mirko Schwab empfiehlt:
Auf einen psychedelisch vernebelten Montagabend im Oktober mit Acid Mothers Temple. Das sagenumwobene japanische Exzentriker-Kollektiv macht Halt im schönsten Estrich der Stadt, als Teil der Reihe «End Hits» – qualitativ unerreichte Geschichtsstunden im Fachbereich Alternative Gitarrenmucke.

Fischer empfiehlt:
Einen Party Remix in der Stadtgalerie. Zur Feier des zwanzigjährigen Bestehens gibt es da den ganzen Oktober über Porzellan & Gold, präsentiert von einem Tête à Tête der Berner Kunstszene. Den Anfang macht am Donnerstag Ernestyna Orlowska mit einer Performance über ein feierndes Subjekt in der Rolle der Entertainerin.

Der Urs empfiehlt:
Premieren – gibt dieses gute Gefühl des Unentdeckten. So wie noch nie gesehene Landschaften und Welten zum ersten Mal erblicken, ähnlich den Helden in WESTERN. Archetypen des Genres mal anders, zu schauen im Kino Rex, eben zum Ersten, heute Montag um Vierzehnhundert.

Kulturbeutel 39/17

Urs Rihs am Montag den 25. September 2017

Der Urs empfiehlt:
sudo apt-get install “neuwahlen in deutschland” – zur Hölle nochmal…
Zum Verdauen in die Spinnerei zur Plattentaufe von I MADE YOU A TAPE am Samstag. «proud and young» heisst die Neue und ist – im Gegensatz zum AfD Programm – ein Lehrstück in luststeigernder Geistesumnebelung. Dorfansässiger Alternative Rock mit Versatz aus Wave, Psych und Gaze. Macht derbe Laune und zieht bös die Ärmel rein. Soundtrack zur Saison!

PS: Charles Bradley R.I.P! You’ll be soul 4 eva.

Frau Feuz empfiehlt:
Heute Abend läuft in der Cinématte in der Song & Dance-Filmreihe «Denk ich an Deutschland in der Nacht», also Romuald Karmakars Dokumentarfilm über Techno. Am Donnerstag ist Theaterabend: im Schlachthaus wird beim «Wellnessreport» eine nicht ganz objektive Berichterstattung über kontroverse Wellness-Methoden geliefert. Am Samstagnachmittag sind The Seducers bei Voodoo Rhythm & Pantichrist Hardware Store zu Gast und am Sonntag gibts in Frau Feuz’ Lieblingsbadi Bier mit Blick auf stramme Radlerwaden.

Die Krstic empfiehlt:
Kennen Sie Drift? Das ist, wenn eine Gruppe Menschen mit Kopfhörern und synchron geschalteter Musik durch die Gegend schwebt und bekannte Orte neu entdeckt. Das lässt sich diese Woche erleben und zwar am Mittwoch im Rahmen des Transform Minifestivals namens Cultural Protocol. Starten Sie am Loryplatz, entweder um 19.30 Uhr oder 22 Uhr. Anmeldung erwünscht. Alles Weitere hier.

Fischer empfiehlt:
Ein bisschen Anti am Sonntag abend. Christopher Paul Stelling (auf dem Anti- Label, das ist schon mal eine Empehlung) bringt seine in der Tradition von Woody Guthry ganz folkig und trügerisch melancholisch klingenden Protest Songs ins Kino der Reitschule. Es geht da um auch immer um den einfachen Mann, aber sicher nicht im Trumpschen Sinn.

An der Sache vorbeigelärmt

Mirko Schwab am Freitag den 22. September 2017

Der Schweizer Musikpreis wird heute verliehen. Und natürlich darf geschossen werden. Trotzdem ist geboten, die Kirche im Dorf zu lassen. Leise Replik auf einen lärmigen Noisey-Text.

Eine der fünfzehn Nominierten für den Hauptpreis: Elina Duni, Sängerin zwischen Tradition und Avantgarde.

Wenn heute Abend in Basel die Hauptgewinnerin oder der Hauptgewinner des vierten Schweizer Musikpreises verkündet wird, sind die bitteren Zeilen längst verfasst. Kollege Riegel etwa bemängelt bei Noisey, dass nur Alte auf der Shortlist stünden, darüberhinaus noch solche aus unpopulären stilistischen Fächern. «Wieso gewinnen nur alte Menschen den Schweizer Musikpreis?» fragt sich entsprechend die gewohnt poetische Überschrift über dem Text des Musikmagazins von Vice. Blick zurück: Vor einem Jahr wurde Sophie Hunger mit demselben Preis geehrt. Alter: dreiundreissig. Handwerk: Pop. Ergebnis: Scheisssturm.

Im genannten Artikel selbst wird das nicht unterschlagen. Trotzdem verschenkt sich der Text der These, wonach der Musikpreis zunehmend zur Würdigung «hochstehende(r) Musik für alte Menschen» würde. Eines stimmt: Im Vergleich zu den Vorjahren (der Preis besteht seit 2014) ist etwas weniger Pop auszumachen im Spektrum der Nominierten. So what? Nächstes Jahr schon könnte es wieder anders sein.

Die vage Formulierung des Anspruchs, der an die Preisträger*innen gestellt wird, das Fehlen von Kategorien – sie sind gleichzeitig Fluch und Segen dieses Preises. Fluch deshalb, weil sie den Lautsprechern das beste Angebot sind, draufloszustänkern – immer verbunden mit der Anmassung, die musikalische Landschaft eines Landes in ihrer Gänze besser erfassen zu können, als es eine siebenköpfige (swiss so sweet, isn’t it?) Jury von Expertise zu leisten im Stand ist. Für eine gehaltvolle Auswahl, gerne auch mit Akzenten und Überraschungen hie und da, ist die grosszügige Auslegung freilich ein Segen.

Natürlich darf geschossen werden. Ein Preis von hundert Kisten bedarf einer feinen Begründung und ist der Öffentlichkeit ausgesetzt, Denkanstösse und Diskussion sind wichtige Korrektive. Ab er es stellt sich immer auch die Frage der Qualität solcher Wortmeldungen, wenn Kritik offenkundig verkürzt daherkommt. So gibt sich Riegel als Fürsprecher einer Generation «unter 51», Advokat eines koketten «Pöbel(s) von Noisey», der sich ums Musikschaffen in der Vielfalt nicht schert. Das ist erstens eine brüchige Position für einen Musikredaktor, selbst bei Spartenheftern wie Noisey. Zweitens falsch, weil gerade Exponentinnen wie Elina Duni oder Jojo Mayer durchaus viele Bewunderer haben in unserer Generation und als Vorbilder dienen. Und drittens und vor allem ist es: irrelevant.

Ginge es nämlich beim Schweizer Musikpreis um einen Popularitätswettbewerb, hätten auch die von Riegel als spontane Gegenvorschläge angeführten Künstler nicht die geringste Chance. Das ist die musikalische Marktlogik unseres kleinen Lands. Der echte, vielleicht Vice scrollende, kaum je Noisey lesende Pöbel nämlich zuckte mit den Schultern vor Namen wie Fai Baba, One Sentence. Supervisor oder JPTR. Allesamt verdammt gute Projekte, die den Sprung ins Ausland schafften oder schaffen werden, die also vorerst auf die Reperbahn gehören, bitte von Pro Helvetia und Swiss Music Export und den inländischen Förderinstrumenten vergoldet werden sollen. Die aber, schlicht schon aufgrund ihrer relativ kurzen bisherigen Schaffenszeit, kein Thema sein können für einen solchen Schweizer Musikpreis, der auch spezialisierten Lebenswerken von Gewicht und Länge Tribut zu zollen hat, Jürg Wyttenbach als Beispiel.

Überhaupt wird in solcher Kritik ein seltsam schwarzweisses Bild gemalt. «Wir» gegen die andern. Pop gegen die «Elite». Grosszügig übergangen wird hier aber das Selbstverständnis vieler Popmusiker*innen, Teil eines interagierenden, universalmusikalischen Ganzen zu sein. Viele der Biographien dies- und jenseits dieser fragwürdigen Grenzziehung streifen einander oder werden es noch tun. One Sentence. Supervisor taten sich jüngst für einige Konzerte mit dem Oud-Virtuosen Bahur Ghazi zusammen, beinahe die gesamte Band Fai Baba hat an einer Jazzhochschule ihr Handwerk gelernt und man wünschte sich JPTR als treffliche musikalische Zutat einer zeitgenössischen Theaterproduktion. Was der «Pöbel» dazu fände? Ist eben scheissegal.

Gegen eine laute, zickige These, die Platz findet in einer Überschrift, hat dieser Kommentar mit Sicherheit einen schweren Stand. Aber ich plädiere für eine leise und umsichtige Beobachtung dieses für die Schweizer Musiklandschaft in ihrer Ganzheit wertvollen Formats. Gerade weil es sich nicht numerisch, kategorisch oder direktdemokratisch festlegen lassen muss. Der Schweizer Musikpreis verdient es als überblickender, nicht an der aufs Jahr abgerechneten, numerischen Ausbalanciertheit aller erdenklichen Stilrichtungen interessierter Preis, dass Kritik an seiner Praxis ebenso mit ganzheitlichem Blick formuliert wird.

Also abwarten, erstmal easy bleiben und ein bisschen Demut gegenüber den Expert*innen, zwei bisschen Gönnerschaft gegenüber den Prämierten aufbringen – und die Kirche im Dorf lassen. Dorfgeschwätz wirds auch nächstes Jahr wieder zur Genüge geben.

Der Preisverleihung kann ab 19 Uhr via Livestream beigewohnt werden.

Kulturbeutel 38/17

Urs Rihs am Montag den 18. September 2017

Der Urs empfiehlt:
Bad Bonn am Freitag. Gerade für ZeitgenossInnen, welche sich zeitweise auch von Zwangsneurosen geknechtet fühlen, beispielsweise angstschweisselnd und entscheidungsbehindert zwischen hart überfrachteten Regalen in Supermärkten. Oder in der S-Bahn, die Mindset Kluften zwischen Liebefeld und Lanzenhäusern nur mit einem guten Schluck aus dem Flachmann – oder Flachmensch jetzt, oder egal wegen flach? – aushaltend. In Düdingen steht sonore Linderung in Aussicht: Blood Sport und Politics. Erstere, aus Sheffield UK, setzen dabei auf Kollision. Von Techno und Noise – klingt nach Acid getränkten Schlaufen und wirkt in lauten Dosen geradezu salbend wohltuend auf unsere widerspruchgedörrten, postmodernen Seelen. Letzterer, aus Fribourg, eher auf die angstlösende Wirkung von knisternd wabernden Klangdecken. Rezeptfrei alles – im besten Musikladen der Region – versteht sich.

Mirko Schwab empfiehlt:
Bad Bonn Pilgerwoche mit der Urs und Schwab: Schon am Dienstag gibts da den gitarristischen Wahnsinn von Yonatan Gat (Monotonix), dem Teufel ab dem Karrn gefallen irgendwo zwischen Afrorhythmik, Rock’n’Roll und erfreulichem Noise.

Frau Feuz empfiehlt:
Wie gut sürmeln die Herren Urs und Rockboy diese Woche in der freiburgischen Pampa rum, das heisst mehr Gewinnchancen für Frau Feuz am Freitag beim Pub Quiz auf der Warmbächlibrache. Zudem startet ebenfalls am Freitag in der grossen Halle der Reitschule die Serie, in welcher live Filme vertont werden und zwar mit «Die Abenteuer des Prinzen Achmed», einem Silhouetten-Film von Lotte Reiniger, wozu I Salonisti musizieren. Am Sonntag ist dann Spoken-Beats-Meister Jurczok mit neuem Programm im Schlachthaus zu Gast.

Die Krstic empfiehlt:
Auch das Schlachthaus, aber diesmal mit Kind und Kegel, um sich das Theaterstück «Knapp e Familie» anschauen zu gehen. Am schulfreien Mittwoch um 16 Uhr zum Beispiel. Ist es ein Boy oder ein Girl? Und warum spielt das eine Rolle?

Fischer empfiehlt:
Saisoneröffnungen allenthalben. Auch das Stadttheater hat schon losgelegt und haut am Donnerstag schon die zweite Premiere raus, mit Island. Als Freunde sind wir erbarmungslos- – man darf gespannt sein auf das Stück der Jungautorin Gornaya.

Post aus Wiedikon

Mirko Schwab am Freitag den 15. September 2017

Eine von vielen Entdeckungen am Seebahngraben: Ararpad. Verdammt hotter Beatboy aus Z.

Liebes,

Der Italo ums Eck ist authentisch grimmig und verkauft glutenfreie Pizze. Ich schreibe dir aus Wiedikon Zürich 3. Von dort aus also, wo das eingesessene Zürich aufs glutenfreie Zürich trifft, die ganze Nacht Verkehr ist und eine offene Tankstelle. Ich blicke aus meinem Aquarium hinaus auf den Seebahngraben, am unteren Ende des einzigen Reiterbahnhofs der Schweiz – und hacke dir paar Zeilen.

Ich würd dir gerne in Bern begegnen, die letzten vom blechernen Tod befreiten Nächte auf der Schütz besaufen bis das Zeug hält, bei den Eidgenossen oder im Casa Marcello verhocken bis man herausgeputzt wird, unter den Lauben stehenbleiben für ne Gruess und sich wünschen: Bis bald. Heimweh ist berndeutsch.

Aber hier gibts viel zu tun, viel schönes. Auf Einladung kommen die Freunde vorbei, Fernweh-Berliner und Heimweh-Berner und Zürcher von der Szene, stellen ihre Geräte auf, Drumcomputer, Schlagzeuge, Macbooks und Zithern, legen los. Wir dürfen ihnen dreissig Minuten durch die Kamera dabei zuschauen. Ehre genug und dreiundzwanzigmal ein Grund zur Demut. Und der Laden erst: «Bundeshaus Zu Wiedikon» geheissen, fühlt sich an wie ein amerikanischer Diner aus den Fünfzigerjahren und wird von drei herzensguten Bundesrätinnen geschmissen. Dass das Zeug hält – und ich bei mir denke: Gastfreundschaft ist universal.

Eine Woche darf das noch so sein. Geldwechseln, Pizzaholen, Bütec rauf, Bütec runter, fünf Franken easy, zehn Franken soli, Rauchpausen, Blausaufen und am morgen neben einer kiloschweren, wunderschönen To-Do-Liste aufwachen, an die man sich zwar nicht ranschmiegen kann, die einem doch das Herz entzündet.

Eigentlich wollte ich vor allem merci sagen.

XOXO
und bis bald,
mrk

BlauBlau Records Public Address: Bundeshauskonstant konzertant, jeden Abend auch ins F***book gestreamt.
Schaust du mal vorbei, Liebes?

Kulturbeutel 37/17

Gisela Feuz am Montag den 11. September 2017

Frau Feuz empfiehlt:
In der Cinématte gibts schwedische Filme, heute Abend zum Beispiel die Vorpremière von Sami – A Tale from the North. Morgen startet dann im Rex eine neue Reihe: In acht Vorlesungen und am Beispiel von 16 Filmen beleuchtet der Filmwissenschaftler Fred van der Kooij zentrale Aspekte der Filmgeschichte. Und am Donnerstag gehts dann mit Roy & The Devil’s Motorcycle und The Holydrug Couple ordentlich psychedelisch zu und her im ISC.

Die Krstic empfiehlt:
Morgen Dienstag feiert das Musikvermittlungsunternehmen Tönstör grosse Relaunch-Sause, und zwar im Raum 013 im Progr mit drei Konzerten und wilder Jam-Session. Am Freitag eröffnen ausserdem die unverwüstliche Frau Künzi und der noch unverwüstlichere Herr Abt alias Künzi & Abt die Saison im Schlachthaustheater.

Mirko Schwab empfiehlt:
Fuzzpedale, Fuzzpedale! An «Yeahman’s Guitar Fest» in der Burgdorfer Markthalle kann dem quasi-pornösen Zurschaustellen und Feilbieten seltener, beliebter, antiker oder selbstgebauter Tretminen, Klampfen und Verstärker gefrönt werden. Ein Sonntagsausflug.

Fischer empfiehlt:
Saisoneröffnungen überall. Auch in der Dampfzentrale, wo ab Freitag gleich mit 30 Jahren Zuversicht in die neue Saison gestartet wird. Und zwar mit einem tollen Aufgebot: Annalena Fröhlich, Zimoun, Chris Leuenberger & Simon Ho, Merz – und natürlich den Young Gods (die sind allerdings schon ausverkauft, leider). Alternative: Am Samstag wäre auch noch Nacht der Forschung an der Uni, da wird ja ebenfalls mit einiger Historie an der Zukunft gearbeitet.