«When in Rome, do as the Romans do», sagt der englische Volksmund so schön, und meint damit nichts anderes, als dass man sich doch den lokalen Gepflogenheiten anpassen soll, wenn man sich in fremde Lande aufmacht. Auf die norddeutsche Stadt Hamburg bezogen würde das wohl so viel bedeuten wie «moin moin» brummeln, sich mit einem Astra oder Alsterwasser an die St. Pauli-Landungsbrücke setzten und den grossen Schiffen beim Containerverladen zugucken. Wagemutige würden sich evtl. auch das Musical «Das Wunder von Bern» antun, welches ab November im Theater an der Elbe gezeigt werden soll. Wer’s nun weniger mit singenden und tanzenden Fussballern (man stelle sich das bitte mal vor!) hat, sondern lieber literarisch in die Hamburger Welt abtauchen möchte, dem seien folgende Bücher ans Herz gelegt:
Sven Regener: Meine Jahre mit Hamburg-Heiner (2011)
Der Element of Crime-Frontmann Regener hat darin Blogs gesammelt, welche er in den Jahren 2005 – 2010 auf verschiedenen Plattformen veröffentlicht hat und die sich um Band-Tourneen, Album-Aufnahmen, Adventskalender oder Reflexionen zur Deutsch-Österreichischen-Freundschaft drehen. Das Mischwesen aus Roman und Tagebuch mit einer Vielzahl an wunderbar schlechten Fotos ist vor allem dank den abstrusen und aberwitzigen Dialogen mit einem fiktiven Freund namens Hamburg-Heiner äusserst vergnüglich und auch weil Regener überhaupt keine Scheu vor schlechten Kalauern und Nonsens-Gedankengängen zeigt. Oder wir er es selber nennt: «The endless Streams of Laber.»
Heinz Strunk: «Junge rettet Freund aus Teich» (2013)
Was hat der Strunk uns im 2005 doch für eine Freude bereitet mit seinem «Fleisch ist mein Gemüse», in dem die Welt von Schlager-Tanzkapellen, die von Dorffest zu Dorffest tingeln, beleuchtet wird. «Junge rettet Freund aus Teich» bereitet auch Freude, allerdings wird hier Komik mit schwerwiegender Tragik unterlegt. Mitte der 60er-Jahre wächst Mathias Halfpape (Heinz Strunks gebürtiger Name) im trostlosen Hamburger Stadtteil Harburg auf. Der zu Beginn der Geschichte 6-jährige Mathias erzählt auf liebenswürdige Art und Weise von den Schwierigkeiten, welche das Aufwachsen mit sich bringt, wobei der unbeschwerte naive Kinderton schwerwiegende Themen wie Depression oder körperlicher Zerfall kontrastiert. «Junge rettet Freund aus Teich» ist Strunks bis anhin traurigstes Buch. Aber wie er aus Anekdoten einer Kinder-Figur ein berührendes Drama entwickelt ist eine ästhetische Leistung für sich.
Rocko Schamoni: Fünf Löcher im Himmel (2014)
Eine fürwahr düstere und dramatische Roadnovel hat der Musiker, Autor und Schauspieler Rocko Schamoni mit «Fünf Löcher im Himmel» hingelegt. Nach einem Einbruch befindet sich der 67-jährige Paul Zech in einem geliehenen Datsun 24OZ auf der Flucht; zu verlieren hat er nichts, denn ausser seinem alten Tagebuch wurde ihm bereits alles genommen. Er beginnt die alten Einträge zu lesen und taucht dabei in seine Jugend ab, in welcher er bei Schultheater-Proben zu Goethes Werter nicht nur zwischen zwei Frauen geraten war, sondern auch in eine dramatische Eifersuchtsgeschichte, die sein zukünftiges (Gefängnis-)Leben bestimmen sollte. Auf seinem Roadtrip quer durch Norddeutschland rollt Paul die Vergangenheit und damit die grossen Fragen der Menschheit auf: Ist die Welt denn wirklich nur eine Theaterbühne? Und wenn man die Zeit totschlagen kann, kann man sie auch reparieren?