Archiv für die Kategorie ‘Bücher & Medien’

Textgärten, Textkarten

Roland Fischer am Dienstag den 13. Oktober 2015

So tot wie es sich Roland Barthes vor bald fünfzig Jahren vorgestellt hat ist der Autor allerdings nicht, davon zeugt nicht zuletzt die ungebrochene Beliebtheit der Kultursparte Lesung. Der Autor, endlich mal ganz lebendig vorne auf der Bühne – und mit der ganzen Autorität der Autorschaft im Gepäck kann er das Rätsel des Texts wenn nicht ganz klären, so doch vielleicht ein wenig erhellen. Aber was, wenn der Leser auf diese Schützenhilfe gar nicht angewiesen ist? Wenn der kreative Akt nicht beim Schreiben, sondern beim Lesen passiert? Wenn man sich einen Text nicht als Guided Tour durch ein fiktives Universum (mit dem Autor als Tourguide), sondern als offene Landschaft vorstellt?

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Die in Bern, Berlin und Helsinki ansässige Social Space Agency (SoSA, mit unserer Miko Hucko als Mitglied) hat ein Buch (!) zum Thema geschrieben, das nun pünktlich zur Frankfurter Buchmesse erschienen ist, als PDF.

You are a reader. A person that reads text. But is that it? Are you just following aligned letters, struggling to comprehend what somebody wants you to understand? The answer is: No. In the thicket of words lie the paths of a new kind of traveller – the reader as a creator.
The Social Space Agency hereby provides you with a guide, enabling you to find and create worlds within books. Become part of the new culture of reading and get lost in the garden of forking paths that can be found within every text.

Ein Text, der den Leser zum Mitmachen einlädt, mit ganz konkreten Anleitungen zum Schluss. Zum Beispiel einen «Intrusive Character» zu ersinnen und ihn in den Figurenreigen des Buchs einzufügen, ein Phantom, das ganz diskret im Hintergrund bleibt oder sich auch mal einmischt. Das erinnert dann ein wenig an Fan Fiction, eine Bewegung, die vor allem in Japan sehr gross ist – beliebte Mangas werden da wie narrative Steinbrüche gesehen, deren Elemente sich beliebig – und von den Verlagen gern geduldet – neu zusammensetzen und weitererzählen lassen. In manchen Buchhandlungen sind die Dōjinshi-Abteilungen grösser als die mit den Originalwerken.

Der Text versteht sich als elaborierte Karte, mit dem jedeR Leser_in die Möglichkeit erhält, einen eigenen Garten zu finden und zu pflegen.

Der Text als Karte – dazu fand sich unlängst übrigens dieses hübsche Projekt in den Weiten des Webs. Und sowieso gibt’s zum Thema grad noch dies und das.

Die Stunde zwischen Kronleuchter und Hotelbar

Miko Hucko am Samstag den 12. September 2015

Nein, ich habe das neue Buch von Clemens Setz noch nicht gelesen. Aber das, was ich gestern daraus zu hören bekommen habe, hat mich also schon mal sehr gluschtig gemacht.

Literaturgespräch im Schweizerhof. Immer noch ziemlich absurd – als ich das Edelhotel betrete, ist dem Rezeptionisten sofort klar, wo ich hingehöre, ich muss nicht einmal fragen und werde in den ersten Stock geschickt. Grauer Teppich, gedämpftes Licht, gepolsterte Stühle, Menschen in Uniformen. Zu diesem Setting wollte das Gespräch mit Clemens Setz nicht so ganz passen: Mit einer lockeren Selbstverständlichkeit erzählt er von glitches in Games, von der ASMR Community und erklärt dem sichtlich bemühten Moderator, dass es eben doch mehr als zwei Geschlechter gibt.

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Blasse Haut, schwarze Haare, Brille, gekleidet schwarz in scharz mit Kapuzenpulli: Clemens Setz sieht aus wie ein Bilderbuchnerd. Sobald er aber zu sprechen beginnt – ich könnte ihm Stunden zuhören – wird klar, dass er ein Schriftsteller ist, wie unsere Generation ihn verdient hat.

Seinen letzen Roman Indigo habe ich innert zweier Tage gelesen, durchgeschwitzt, wiedergelesen, zurückgeblättert, rumgerätselt. Ich freue mich schon sehr auf Die Stunde zwischen Frau und Gitarre. Und sogar seine Bücher signiert er zeitgemäss.

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Dolfins, Toadstool, Lando

Miko Hucko am Samstag den 5. September 2015

Ein Sonnensystem, über dessen Lage wir nicht so viel wissen – aber das dem unseren ähnelt. Also dem unseren in Zukunft. Also, geographisch ist es ganz anders. Aber kulturell wirkt es wie eine leichte Verdrehung unserer Existenz. So als hätte jemensch all unsere Geschichte und Rituale genommen und einmal heftig durchgeschüttelt. Dieser jemensch heisst Leif Randt und ist der Autor von Planet Magnon.

Endlich wieder ein deutschsprachiger Science Fiction. Ein intelligenter Science Fiction, der gekonnt mit Haltungen, Erwartungen und Kenntnissen von Genrekennerinnen spielt und sprachlich auf einem ziemlich hohen Niveau ist. Mehr davon!

Zur Story: Wir folgen dem scheinbar hochtalentierten Dolfin-Spitzenfellow Marten aus seiner Ichperspektive auf seiner Reise durchs Sonnensystem – geprägt von Colabier, Exablütentee, Sauropoden, Kollektiven und ziemlich viel verschiedenen Drogen. Meisterhaft daran, wie die Bewusstseinszustände der Hauptfigur selten beschrieben werden, sondern sich in ihrem veränderten Verhalten zeigen. So dass ich als Leserin ab und zu dachte “Hä, warum sagt der jetzt so was?”.

Regiert wird das Sonnensystem von Actual Sanity, einer künstlichen Intelligenz, die darauf achtet, dass alles immer fair zu und her geht, keineR kommt einander in die Quere. Doch Widerstand regt sich in Form des Kollektivs der Gebrochenen Herzen:

Wir leben in einer fast perfekten Illusion. Man redet uns ein, dass es und gut geht. Man sagt, wir würden gesehen und dass jede unserer Handlungen relevant sei. Dass wir all einen Beitrag leisten können, ob alleine oder im Kollektiv. (…) Bis vor fünfzig Jahren haben sich die Menschen bekämpft, weil sie etwas erreichen wollten. Kompromisse waren notwendig. Und heute? Heute arbeitet jeder daran, sich möglichst schmerzfrei abzukapseln. Die Enttäuschung ist vorprogrammiert. Wir höhlen uns aus.

Und so nehmen die Dinge ihren Lauf, während ich als Leserin immer verunsichter werde über die Hauptfigur, ihre Handlungen, ihre Gedanken. Ziemlich raffiniert! Einzig gegen Ende bleibt mir ein bisschen zu viel im Mysterium. Aber vielleicht ist es eines dieser Bücher zum zwei Mal Lesen.

Leif Randt: Planet Magnon. Kiepenheuer und Witsch 2015

Schwimmen & Lesen

Christian Zellweger am Freitag den 14. August 2015

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Man kann ja nur eine begrenzte Zahl an Büchern in den Aare-Sack packen. Für Vielleser gibt es seit Montag beim Lorraine-Bad eine valable Alternative: Eine Bring- und Holbibliothek, wie man sie von den Backpacker-Unterkünften dieser Welt kennt. Dort ist das Sortiment oft von zweifelhafter Qualität – dem Publikum der Lorraine-Badi trauen wir aber einen Geschmack jenseits von Tom Clancy und Paolo Coelho zu.

Übrigens, auf dem Schild steht: «Gib zurück in den weigen Kreislauf, was du nicht gerade selbst verwendest. Oder nimm ein Stück von ihm zu dir, wenn es dir besonders gefällt. Oder beides. ;-) So könnten wir nämlich die ganze Welt gestalten. Ein Fest von Beschenkten und Schenkenden, Alles für alle. P.S.: Viele Menschen züchten 5000 Rosen in ein und dem selben Beet und finden doch nicht was sie suchen…».

Wie auch immer – viel Vergnügen.

Disco-Quiz

Gisela Feuz am Dienstag den 14. Juli 2015

edition taberna kritika | Kennst du das Lied? (etkbooks)-1Sie schwitzen sich im Büro einen ab, haben überhaupt keine Lust zu arbeiten und sind eine musikaffine Knobel-Nase? Dann sollten sie auf der Stelle das Büchlein von Milk + Wodka «Kennst du das Lied» erwerben.

Hinter Milk + Wodka stecken die beiden Künstler Roman Maeder aus Zürich und Remo Keller aus Basel. Seit 1999 haben die beiden nicht nur 10 Ausgaben eines Continental Comic Books herausgegeben (worin etwa 300 nationale und internationale Künstler publizierten), sondern daneben eine Vielzahl an Siebdruckkarten, Postern (sehr beliebt auch bei Bands) und Minicomix fabriziert und ihre farbenfrohen Bilder und Installationen in dem so unverkennbaren Milk + Wodka-Stil regelmässig in Galerien, Clubs und Off-Räumen ausgestellt.

«Kennst du das Lied» ist ein schmuckes Büchlein, in welchem die beiden Milk + Wodka-Helden 30 Schwarz-Weiss Bilderrätsel-Grafiken zusammengetragen haben, welche seit 2012 regelmässig in der Musikzeitschrift Loop erschienen sind. Einwandfreie WC-Lektüre für die nasenpopelige Nichtsgeht-Sommerzeit!

edition taberna kritika | Kennst du das Lied? (etkbooks)

Wer erkennt den Song? Links Anfänger-, rechts Profi-Liga

Kutti ist tot – es lebe der König!

Christian Zellweger am Samstag den 4. Juli 2015

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Die Kunstfigur Kutti MC ist tot – jetzt gilt es die Kunstfigur Jürg Halter zu kultivieren. «Ich halte ihn objektiv für einen Knaller, ob er nun verstanden wird oder nicht», sagt Halter im Bund-Interview zum Text (hier als PDF), den er nach Klagenfurt ans Wettlesen um den Ingeborg-Bachmann-Preis mitnahm.

Aber auch: «Meine Teilnahme ist eine Niederlage für die Gegenwartsliteratur.» oder «Ich spüre mein Herz schon lange nicht mehr schlagen. Ich bin voller Wut und Trauer.» und «In Bern? Da liebt man die Angepassten, die sich künstlerisch dem kleinen Mann anbiedern. Ich aber bin ein König ohne Reich. Ist Ihre Frage somit beantwortet?» Da ist er doch, der Kutti, in seinem übersteigerten Sendungs- und Selbstbewusstsein, seiner Selbstausgrenzung, jetzt ganz in der Haut seines Schöpfers Jürg Halter.

Und wie ist es unserem Abgesandten, der gar nicht unserer sein will, in Klagenfurt ergangen? Nicht so schlecht, darf man sagen. Zum Vortrag hiess es aus der Jury zwar «als hätte man Jean Ziegler zwei Schlaftabletten gegeben», aber erstens ist das nicht so falsch und zweitens gehören träfe Sprüche zum Business in Klagenfurt.

Halters Text handelt – nach Interpration der Jury – von einem, der nach einem Alptraum aufwacht und sich an den Computer setzt um einen Text zu schreiben, der angesichts der Menschheitsgeschichte und in einem kosmischen Massstab völlig unbedeutend ist. Von einem, dem durch das Schreiben bewusst wird, dass ihn seine Angst von den Maschinen unterscheidet, sie ihn zum Menschen macht. Und der durch seine Angst – paradoxerweise – beruhigt, zum Schlaf findet.

Halters Vortrag löste eine lebhafte Jury-Diskussion aus, Befürworter und Gegner hielten sich etwa die Wage. Fundamentale Ablehnung, einen wirklichen Veriss, gab es aber nicht zu hören. Prägnanteste Kritik an Halters Text? Ob all der grossen, globalen, gar universalen Themen gelinge es ihm nicht, das ganze auf eine persönliche Ebene zurückzuspiegeln. Andere wiederum fanden den Text hingegen sehr selbstbezüglich, einen «kleinen, bescheidenen Künstlertext». Und das Fazit? Vielleicht, dass Halter, ein fingerfertiger Handwerker, mit seiner Pose eine gute Figur macht – sich dabei aber auch als Jürg Halter immer noch ein wenig selbst im Weg steht.

Die Lesung und die Diskussion der Jury können Sie auf der Autorenseite von Jürg Halter auf der Plattform des Bachmannpreises nachschauen.

Revue der Besten

Christian Zellweger am Mittwoch den 24. Juni 2015

Listen Sie doch mal – sagen wir drei – aktuelle Autor/innen aus dem Kanton Bern auf. Und, war einer von den folgenden dabei: Lukas Bärfuss, Michael Fehr, Guy Krneta, Roland Reichen, Rolf Hermann, Anna Stüssi, Fitzgerald & Rimini?

Vielleicht haben Sie die Liste erkannt, es sind die Preisträger der literarischen Auszeichnungen und Annerkennungspreise des Kantons Bern. Die Auswahl scheint wenig originell zu sein, aber was soll man machen, wenn die neusten Werke alter Hasen wie Bärfuss und Krneta oder bereits angekommener Newcomer wie Fehr und Reichen in den Evaluationszeitraum fallen?

Offiziell verliehen wurden die Auszeichnungen gestern an einer Feier in der gut gefüllten Dampfzentrale. Es war ein durch und durch sympathischer Abend: Straff gehalten in der Form, unterhaltsam im Inhalt. Keine langen Reden und Selbstdarstellungen, sondern kurze Laudatien und kurze Leseproben aus den ausgezeichneten Büchern von den Autoren selbst.

Da war die Ludwig-Hohl-Biografin Anna Stüssi etwa, rührend gerührt von den brieflichen Liebesbezeugungen an ihren Protagonisten, Roland Reichen mit einer pointierten Junkie-Episode aus seinem «Sundergrund» oder Lukas Bärfuss’ kluge Betrachtung über die Schweizer in ihrem Landschaftsland und auch für den musikalischen Rahmen sorgten gleich die Preisträger von Fitzgerald & Rimini. Eine Revue, die Lust machte, das eine oder andere verpasste Werk noch nachzuholen.

Die Ausgezeichneten sind mit der «Literatour» im ganzen Kanton unterwegs.

Safari in bewegter Landschaft

Roland Fischer am Donnerstag den 18. Juni 2015

Lyrik: interessiert niemanden? Stimmt ja gar nicht, der Kairo-Keller war sehr gut gefüllt gestern, zur Taufe von Martin Bieris Gedichtband «Europa, Tektonik des Kapitals», zu der er sich noch ein wenig Verstärkung hinzugebeten hatte, von drei weiteren Berner Ge-Dichtern, Rolf Hermann, Raphael Urweider und Gerhard Meister.

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Hermann war dann so freundlich, auch gleich noch eine Definition von Lyrik zu versuchen – er werde ja oft gefragt, was ein Gedicht eigentlich sei, und da sage er jeweils: es sei ein wenig wie ein Reh. Man wusste nicht so recht, wie er es meinte – scheu und meist im Unterholz unterwegs, und wenn es sich mal auf eine Lichtung hinauswagt passiert es leicht, dass es totgeschossen wird? Aber ja, vielleicht müsste man tatsächlich ein wenig auf die Pirsch gehen, mit entsprechender Vorsicht und Geduld, wenn man gute Lyrik finden möchte.

Die Herren gestern wollten das Publikum indessen lieber gut unterhalten wissen als es ein wenig auf die Probe zu stellen. Manchmal wurde das dann ein wenig zur Safari, was schade um die tollen Texte war. Bieri kümmerte sich übrigens am wenigstens um den Unterhaltungswert – eine Haltung, die er schon als Dramaturg von Schauplatz International souverän vertreten hatte und die er nun als Lyriker formvollendet auf den Punkt bringt. Was eindeutig als Kaufempfehlung zu verstehen ist. Wenn man die Mühe des Lesens nicht scheut, wird man sich mit diesen weite Räume öffnenden Texten wunderbar unterhalten. Aber man muss schon selbst was dazu tun.

hier ein Muster:

Paris

Nach einem starren Winter
legt sich nun dein Blick wieder
über die bewegte Landschaft.

Was im Sommer stumpf sein wird,
Stunden ohne Sinn, ist jetzt
ein frühes Versprechen.

Flaches Licht fällt darauf.
Du sitzt am Fenster, gebannt
von dieser Freiheit draußen.

Kein Ernst, es ist noch nicht die
große Tour, es ist der Frühling,
wenn auch erst in Nizza.

Bücherkiste: Berner Krimis

Gisela Feuz am Mittwoch den 8. April 2015

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Es wird gemordet, was das Zeugs hält, in diesem Bern. Zumindest zwischen Buchdeckeln. Dabei zeigen sich Autorinnen keinesfalls weniger blutrünstig, als die Mitstreiter ihres Faches. KSB hat für Sie, werte Krimi-Fans, drei neuere Erzeugnisse von Schriftstellerinnen gelesen, in denen Bern oder Umgebung als Schauplatz dient.

 

«Endstation Bern» von Nicole Bachmann
Alles beginnt mit der Einlieferung eines vierzehn Woche alten Kleinkindes, welches an Tuberkulose erkrankt ist, und zwar an einer multiresistenten und deswegen speziell gefährlichen Form von Tuberkulose. In der Folge beginnt die sture und sympathisch unperfekte Protagonistin Louisa Beck, wissenschaftliche Mitarbeiterin im fiktiven Berner Spital Walmot, auf eigene Faust nach der Herkunft Infektionskrankheit zu fahnden und schlittert dabei in ein spannendes Abenteuer rund um illegale Einwanderer und zwielichtige Hilfsorganisationen. «Endstation Bern» bietet detaillierten Einblick in medizinische Belangen, das Spitalwesen und das Leben von Sans-Papiers, ohne dabei überladen oder belehrend zu wirken. Bachmanns Sprache ist präzis und ihr Humor vergnüglich trocken.

«Jenseits der Rache» von Esther Pauchard
Psychiaterin Kassandra Bergen gibt die Amateurdetektivin und zeigt sich dabei hartnäckig und zickig. Im Grandhotel Giessbach wird sie Zeugin des vermeintlichen Selbstmordes eines bekannten Berner Psychoanalytikers. Hat dessen Tod mit Fehlschlägen in einer Studie zu tun, die sich mit Internet-Psychotherapie beschäftigt? Wie passt dabei eine alkoholkranke Patientin ins Bild, welcher der Tod des Psychoanalytikers offenbar ungemein zusetzt? Welche Verknüpfung gibt es zum Autounfall einer unterschenkelamputierten Dame und welche Rolle spielt die eiskalte Chefin eines traditionsreichen Pharma-Unternehmens? «Jenseits der Rache» gewährt einen interessanten Einblick in den Alltag einer psychiatrischen Klinik, den Ablauf von medizinischen Studien über Psycho- und Online-Therapien und bietet ein spannendes Finale. Wenn doch bloss die Protagonistin nicht eine solche Zicke wäre.

«Finale im Nebel» von Regine Frei
Es war in letzter Zeit mehrmals vorgekommen, dass Ferdinand Schlupf verwirrt und unkonzentriert gewesen war und sich plötzlich an Orten wieder fand, ohne zu wissen warum und wieso. So auch an diesem grauen und kalten Tag im November an der Hallerstrasse im Länggassquartier. Derweilen wird am Zibelemärit beim Bernabrunnen vor dem Bundeshaus ein junger Mann tot aufgefunden. Die akribischen Ermittlungen der Berner Polizei führen in die Senioren-WG, in der auch Ferdinand Schlupf beheimatet ist. Regine Frei zeigt in «Finale im Nebel» eindrücklich die Verunsicherung, welche eine Krankheit wie Demenz mit sich bringt, und zwar für die Betroffenen selber, aber auch für Freunde und Bekannte. Ihr Krimi lebt von der detaillierten, sorgfältigen und lebendigen Beschreibung von Charakteren und Schauplätzen. Dadurch gerät allerdings die Handlung zwischenzeitlich etwas ins Stocken.

Die Ted Scapas des Blödsinns

Gisela Feuz am Sonntag den 29. März 2015

Frau Feuz in klein war ja stinkeifersüchtig, als die Cousine mit ihrer Kindergartenklasse zu ihm in die Sendung durfte. Tami. Denn was der Mann im weissen Kittel und dem dunklen Kraushaar jeweils auf Papierwände zauberte, war fürs kindliche Gemüt schon grosses Kino. Die Rede ist natürlich von Eduard Schaap, besser bekannt als Ted Scapa, der Ende der 70er- und Anfang 80er-Jahre in der Kindersendung Spielhaus («Es Huus, e Türe, Fäischter äis, zwäi, da sind’s. Chum ine, es häisst Spiilhuus») eine Generation von Kindern mit seinen vergnüglichen Zeichenanleitungen verzückte und beeinflusste. Offenbar war das «Spiilhuus» auch für die Schriftsteller Roland Reichen und Matto Kämpf prägend, beschäftigen sich die beiden in ihrer Freizeit doch gerne mit dicken Zeichenstiften.

Wenn es Reichen und Kämpf an etwas nicht mangelt, dann bekanntlich an abstruser Fantasie. So erlebt ihr gezeichneter Held Schmürzu eine abenteuerliche Reise mit Stopps im Hotel Palace in Interlaken und dem AKW Beznau, während für die hinterhältige Tat der Antagonisten Hagaff und Lok-Führer Corbusier ein Gummiboot von Zelt Jordi eine zentrale Rolle spielt. Fürs Spielhaus wäre der reichen-kämpfsche Wurf wohl kaum geeignet, weil pädagogisch und zeichnerisch durchaus fragwürdig. Wer aber Wortklauberei, vergnügten Blödsinn und abstruse Dada-Erzähltechnik mag, der dürfte sich amüsieren.

Ted Scapa wird am Donnerstag 2. April im Kunstmuseum Bern sein neustes Buch «Meret Meyer Scapa – ein Leben für die Kunst» präsentieren, eine Hommage an seine 85-jährige Frau, die Künstlerin, Malerin, Tänzerin und Keramikerin Meret Meyer Scapa. Buch- und Werkpräsentation dann bis 3. Mai 2015 im Kunstmuseum.