Bern ist zwar nicht Brooklyn, aber hey, trotzdem ist schwer was los in der Stadt. Festivals und Feste, Konzerte und Zelte, ich hör immer nur Zelte. Liederliches, undurchsichtiges Treiben, fadenscheinige Zusammenhänge – Untergrund und hie und da spitzelt er an die Oberfläche. Wie der schwindende Eisberg. «Etwas Licht für die Sache bitte!»
es werde Licht –
Am Mittwoch bei Kerzenschein sass man beisammen zu selbstgemachtem Ingwerlikör, goldversetztem, weil man sich sonst nichts gönnt. Wegen sieben Jahre Kapitel und so und dazu noch schnell Klarheit erlangen, über das Raclette- und Zirkuszelt auf der anderen Strassenseite. Viel wurde ja kolportiert: «Da läuft ja nicht wirklich was und die Leute haben sich übernommen.»
Fakt ist, hier schleift sich gerade ein frischer Bewegungsablauf in die urbane Grosshirnrinde ein und zwar praktisch ohne Geld – «das Zelt war ein Glückstreffer und praktisch jede Schraube wurde von Freund*innen oder selbst reingedreht, das war ein Husarenstück an Engagement und eine Visitenkarte der Szene sondergleichen!», sagt mir Dino während wir zwei selbstgedrehte Zigaretten rauchen.
Man glaubt also dran im Schützenhaus, das Raclette ist gut angeschmolzen und das Kulturkonzept, das Sorgenkind, wird sich finden – kam Zelt kommt Rat und hoffentlich auch etwas Geld, bis dahin geht der Kollekten-Teufel um für Dargebotenes. Und darum greift in die löcherigen Taschen!
Drei Tage später und drei Strassen weiter oben, sitz ich früh morgens, bei queer einfallenden Sonnenstrahlen und sturmer Rübe – weil nachts zuvor ein Kollektiv und sein Raum am Terrassenweg 25 Jahre feierten und man sich zu Cumbia kräftig mit Champagner begoss, Applaus! – in der Turnhalle zu einer Tasse Kaffee und schau mir ein «Warm-up» des Bone21-Performance-Art-Festival an, aber blick irgendwie nicht ganz durch. Das Programmheft überfordert meine Synapsen und ich stolpere in vier Sätzen gefühlt zwanzigmal über das Wort Performance. Schau mir dann, dumm wie zuvor, lieber das zerstreute Treiben auf der Bühne an. Da würfelt sich was, zwischen Soundcheck, Jamsession und Theater. Verstörend beruhigend schön– ich such das Weite.
Und lande, wie so oft dabei – in einem Auto voller grosser Herzen und aufgeschaltetem Fernscheinwerfern, vom Turbo getrieben über Feldwege – im BadBonn:
Feldermelder spielt hundert Dialekte Bass und trotzdem Esperanto – Phasen überlagern sich und plötzlich ist das Kopfnicken neben dem Takt, unmerklich schleicht sich das Leitmetrum von Mitten auf Tiefen. Transistoren rauschen, es knistert und ballert, flächige Drones, Breaks und vieles improvisiert und assoziiert und trotzdem alles aus einem verdammten Guss, dass es gar dem Haxan Cloak kalt den Rücken hinunterlaufen müsst’ – Therapiestunde!
Danach, mit geweiteten Pupillen, erwarten wir sehnsüchtig das elegische Zeremoniell von Lord Kesseli und seinen Drums. Sandelholzrauch füllt unsere Kapillaren und wir stehen wie trockene Schwämme vor der Bühne, bereit die neuen Stücke in uns aufzusaugen, dass es uns den Teufel austreibe. Leider bleiben die Tieftöne aus – hat sie Feldi vergriffen? – und das Konzert verreckt technisch ab. Wie Kinder vor einer rohrkrepierten Tischbombe sehen wir uns an und trauern, im Wissen darum aber, dass Lord Kesselis Nummern Sprengladungen an Dynamik bleiben und nächstes Mal explodieren sie, ganz bestimmt.
Geblendet vom neonröhrenhelldurchfluteten Nebel im Haus treten wir den Rückzug an, genug gesehen, es ist Sonntag und wir wünschen uns den Kopf unter die Daunendecke.
Am Abend spielt «Esben and the Witch» im Rössli –
falls sich wer die Lichter noch gänzlich ausknipsen lassen möchte.