Stehend im Kiosk am Bahnhof, stinkend – nach Leben: Rauch, Fritteuse, Chanel No. 5. Suchend, der Griff in die Jackentaschen: Wo sind die Autoschlüssel, Feuerzeug, Taschentücher – die Finger zwischen einer restverteilten Zigarettenschachtel, bröseliger Tabak, beigemischt Kleingeld und ein schrumpeliges Ohropax.
Die Aufmerksamkeit eigentlich aber gerichtet auf das kühlblauweiss überbelichtete Magazinregal. Zuunterst, auf Knöchelhöhe und versteckt zwischen Ox, Rocks und was weiss ich was sonst noch für hochpolierte Schmuddelheftchen, dort sollte sie doch stehen, die letzte Spex: Schutzheilige abschlussloser distinktionssüchtiger Geisteswissenschaftler*innen mit Hang zum Idealismus und der Frankfurter Schule. Heilige Maria Mutter der Popkultur-Rezeption, Ende des Scheissjahres, wo bist du?
Haben dich marodierende Coworking-Space-Klappstuhlpupser auf ihren geifernden Streifzügen – sonst anzutreffen in zentrumsnahen Brockenstuben – nach subversiver Essenz schon aufgekauft? Damit sie dich schliesslich trotzdem einviertelgelesen auf dem Badezimmerboden liegenlassen werden und dir nichts anderes mehr gönnen, als durch die Klospülung zerstäubte Fäkalbakterien? Schande.
Ende gut, alles gut – wer glaubt das denn wirklich, in der finalen Horizontalen, im tannigen letzten Hemd? Auge in Auge, gleich ist’s vorbei – nur Spiesser zweifeln nicht. Besinnung.
«Next chapter: Internet.» steht auf spex.de. Schon klar, beruhige dich, wir machen weiter, wir machen selber was und erst noch losgelöst vom Mutterhaus, mit weniger Werbung und dafür gleichbleibender Selbstausbeute, immerhin. Und immer gehen Dinge verloren (und immer diese verdammten Autoschlüssel).
Print, Gedrucktes, zum Blättern und Aufputzen von mit zittrigen Händen verschüttetem Kaffee. Zeitungen, Magazine auf dünnem Blatt oder Löschpapierähnlichem (Hochglanz den Reaktionären, sowieso), das ist analoges Kulturgut – ein grosses Wort, mein Gott.
Es gab mal Ingenieure, die haben an der Umschaltdauer von Fernsehkanälen rumgedoktert – stellt euch vor!
Die sassen da, in den Laboratorien des Telecom-PTT-Hochhauses in Ostermundigen und versuchten herauszufühlen, welches Intervall sich denn am besten anschickt, beim Zappen, von SF-DRS auf Arte beispielsweise. Kein Witz.
Wie steht’s heut um dein Nervenkostüm, wenn du dich durch eine ruckelige Swisscombox zu schalten suchst, welche dem unsteten Takt deiner verfügbaren Bandbreite folgt?
Digitales befremdet, weil es keine Graustufen toleriert, keine Flageolett-Töne, kein Rauschen – das Binäre ist bedingt durch eine schwarz-weisse Logik, unzählige Valenzen ausgrenzend, das Emotionale geht flöten.
Daneben rottet das Analoge dahin wie ein fauliger Apfel auf deinem Balkonkompost, analog ist im Kern organisch und darum verstärkter Verwesung ausgesetzt. Wie können wir seine Textur bewahren, ohne zu Konservativen zu mutieren? Besinnung – Heilandsack, nicht schwelgen, Besinnung! Was ist der Wert davon?
Taxcards, wisst ihr noch Taxcards, damit konnte man aus Telefonkabinen heraus bargeldlos Klönen, die aufgebrauchten Karten sammelte man wie Briefmarken, weil sie so schöne Bildli aufgedruckt hatten, im Pausenhof tauschten wir die gegen Kaugummi und Panini. Das war der Wert davon.
Scheisse, ich steh immer noch im Bahnhofskiosk. Letzte letzte Spex tatsächlich weg, letzter Blogtext beim Bund lose assoziiert, immerhin (Autoschlüssel müssen noch wo auf einem Tresen liegen), Besinnung – der Verkäufer mustert mich halb fragend, halb besorgt: «Sie, alles klar, kann man ihnen behilflich sein?»
«Alles wunderbar, mir ist nicht zu helfen, danke.»
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