Samstagnacht, im Hagel von Gummischrot und beissenden Wolken von Capsaicin, da lag er plötzlich am Boden, zwischen den Scherben, mit Kugelschreiber gezeichnet auf das gelbe Wuchtgeschoss.
Dieser Smiley galt uns – aber gehören tut er das sowieso.
Eine rote Linie überschritten – würde good ol’ Paul Rechsteini wohl sagen. Popkulturelle Appropriation bei der Polizei!
Dieses simple Lächeln, ein Symbol der Attitüde, der COOLNESS, als Waffe der Exekutive missbraucht. Das sagt vieles aus – auch wenn Aussagen grundsätzlich verweigert gehören – über den state of mind einzelner Einsatzkräfte.
Aber erst ein kurzer Blick über die Schulter: Smiley, der oder das – ursprünglich entworfen in den 60ern von einem gewissen Werbegrafiker namens Harvey Ball aus den godfuckin’ U.S. of A. – wurde nach seiner Geburt schnell zu einer Insigne der Gegenkultur. Ende der Achtziger gar zum Gallions-Icon der Acid House Bewegung aus Chicago. Das war pure underground. Dann kam der second sommer of love auf der Insel, der Rave und der Rest ist Geschichte.
Auch im Comic avancierte der gelbe Kreis mit dem nasenlosen Lächeln zum Zeichen der Alternativen, der Kaputten, Zyniker und Antihelden. Am prominentesten vielleicht als «The Button» im Superhero-Noir WATCHMEN ebenfalls aus den 80ies. Oder, knapp zehn Jahre später, im schwerstgesellschaftskritischen SciFi-Gonzo-Epos TRANSMETROPOLITAN als dreiäugige Variante und als Reminiszenz – der Smiley wurde weiterverwendet als Bezeichnendes, als Signifikant: Für das Dagegen.
You dig?
Und natürlich durfte das Proto-Emoji auch im Graffiti nicht fehlen. Unzählige Adaptionen und Varianten gab es davon, wahrscheinlich am konsequentesten und radikalsten wurde es in unseren Breitengraden von «OZ» aka «Oli» in Hamburg gesprüht und umgesetzt. Bis er 2014 von dieser verfluchten S-Bahn in den Tod gerissen wurde – R.I.P. Brother.
Was es zu beweisen galt – der Smiley untermauert Attitüde, wie eingangs festgemacht, und diese speist sich echterweise aus dem Unangepassten. Aus Homo- und Bürgerrechts-Struggles bei der Housemusik, als Ablehnung gegen den Mainstream im Comic und als Ausdruck des eigenen fehl am Platz Seins im Graffiti.
Die Liste wäre – vom Smiley losgekoppelt – um unzählige Beispiele zu erweitern. Wichtig ist, füttert sich Attitüde nicht aus «echtem» Leiden, untergräbt sie sich selbst, wird hohl und brüchig.
Wenn nun einzelne Köpfe im Polizeikorps es für nötig halten, ihre Geschosse mit Botschaften zu bekritzeln, bevor sie es auf Kopfhöhe verpulvern, dann kommt dabei erster Dinge ein archaischer Drang zum Zug, welcher über Jahrtausende bereits verbrieft ist.
Schon die Römer versahen ihre Schleudergeschosse mit Nachrichten an ihre Feinde und dass in zeitgenössischen Kriegen Bomben mit Schriftzügen versehen werden ist bekannt. Zum Nachdenken – aber nicht weiter tragischer als ohnehin schon.
Dass bei der Kantonspolizei aber offensichtlich mit popkultureller Symbolik der in die Schranken zu weisenden Gruppe kokettiert wird, lässt auf noch andere Defizite schliessen.
Wohlstandverwahrlost?
Das sind wir in unserem westlich-neoliberalen Diskurs alle, das greift auch bei der Exekutive als Begründung ihrer Verfehlungen nicht weit genug.
Vielmehr scheint hier tatsächlich die eigene Attitüde auf sandigem Grund zu stehen.
(Obwohl das Leiden vorhanden wäre.)
Vielleicht weil man merkt, dass sich das subjektive Sicherheitsgefühl im städtischen Kontext mehr und mehr von der «präventiven Präsenz» der Polizei zu lösen scheint? Oder weil die Uniform so schrecklich spannt und der Helm drückt?
Ich weiss es nicht. Ich weiss nur: Cool sein dürft ihre noch lange nicht – dafür müssen erst die Waffen weg.
Und der Smiley, das Lachen –
das gehört uns.
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