Wie anfangen, wenn eine Ausstellung entweder perfekter Unsinn ist oder, well: perfect sense macht? Oder vielleicht auch beides?
Von allen Museumsbesuchern, die Gradlinigkeiten und ergründliche Wege bevorzugen, müssen wir uns an dieser Stelle leider bereits verabschieden. Jedenfalls wären Sie hiermit gewarnt: Achtung, Meta.
Wer an der Gerechtigkeitsgasse 74 in den dritten Stock hinaufsteigt, begibt sich in die Ausstellung einer Ausstellung einer Ausstellung. Vielleicht sind’s auch ein paar Schachtelungen mehr oder weniger, das ist irgendwann nicht mehr so klar. Am besten fängt man wohl so an: Die Wand, an die man beim Eintreten in die Wohnung als erstes blickt, steht da eigentlich gar nicht, auch wenn sie aussieht als müsste sie genau da stehen, fein säuberlich mit einer Fussleiste versehen. Auch das Lavabo dahinter: nicht ans Wasser angeschlossen. Alles Kulisse, Teil der Reinszenierung einer Wohnung, die auch damals schon, 1974, nur der
Anschein einer rekonstruierten Wohnung als Rahmen für eine Erzählung
war. Und zwar der Lebensgeschichte von Etienne Szeemann, Harald Szeemanns Grossvater. Das Getty Research Institute in Los Angeles hat sich in den letzten Jahren durch Szeemanns Nachlass gewühlt und daraus zwei Shows destilliert, die nun auch in Bern zu sehen sind, Harald Szeemann: Museum der Obsessionen in der Kunsthalle und Grossvater: Ein Pionier wie wir am Originalschauplatz in der Gerechtigkeitsgasse.
Von der eher skurrilen Biografie-Show aus dem Jahr 1974 waren nur Bilder und in alle Weltgegenden verstreute Objekte übrig geblieben, und so fragt man sich beim Reinszenierungs-Besuch nicht so sehr, was das für ein schillerndes und geschichtsbeladenes Leben war, das dieser Coiffeur-Selfmademan gelebt hat zwischen 1873 und 1971, sondern vielmehr, welchen Teufel die Getty-Leute geritten hat, dieses nicht wirklich bedeutende Szeemann-Kapitel bis ins kleinkleinste Detail nachzubauen. Was dann zum Beispiel bedeutet, dass der ausgestopfte Hund, der leider verloren gegangen ist in den letzten vierzig Jahren, irgendwie 3D-geprintet und neu befellt worden ist. Oder dass Hollywood-Setdesigner eine Biedermann-Möbel-Kombination nachgebaut und mit unsinnigem Aufwand bemalt haben, die man mit etwas Glück sicher auch im Brockenhaus gefunden hätte. Nicht exakt dieselben Möbel, natürlich, aber spielt das wirklich eine Rolle?
Man kommt so ziemlich ins Sinnieren. Leider nicht über das, was hier ausgestellt wird, sondern über die Art und Weise, wie es ausgestellt wird – wie es von Szeemann wurde und von seinen Jüngern noch einmal wird. Eben, Meta: Eine Ausstellung übers Ausstellungmachen. Bei Szeemann wie bei Getty: Museum der Obsessionen.
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