Die schönsten Liebesbriefe schreibt unser Schwab. Inspiriert kredenze ich einen eigenen. Meiner geht an Zoë Binetti: Tänzerin, Musikerin, Muse und Abvondieserwelt.
Es war Anfang Winter 2015, als mich ein Freund in die Butoh-Klasse der Binetti mitgenommen hat. Ich wusste nicht, worauf ich mich einlassen würde. Ich dachte an esoterisch angehauchte Gschpürschmi-Gymnastik, ich dachte daran, dass sie mir sicher nicht schaden würde so eine Tanzstunde. Aber an etwas Langfristiges glaubte ich nicht. Was sich mir offenbarte war ein Kosmos voller Wissen, Leidenschaft und Verrücktheit. Ich habe eine Frau kennengelernt, die glatt nicht von dieser Welt sein könnte, wäre sie nicht so sehr im Boden verankert und hätte ihren Shit beienander. Das hat sie nämlich.
Nun bringt sie das dritte Sinnestheater in Jahresfolge auf die Bühne, ein vom japanischen Rebellionstheater Butoh inspirierter «Tanz der Jahresnacht», zusammengestellt von fünf Künstlerinnen, unter der Regie von ihr selbst. Bei den zwei bisherigen Produktionen war ich dabei, die letztjährige hat unsere Frau Feuz hier besprochen.
Was dieses Jahr zu erwarten ist, weiss auch ich nicht. Aber ich versichere Ihnen nichts minder als einen Abstecher ein paar Zentimeter über oder unter die Erde. Sie werden vielleicht Handlungen vollführen, die unter weltlichen Umständen undenkbar wären. Aber dort liegt sie Begraben, die Magie der Zoë Binetti: Sie versteht es, Menschen in Zustände zu versetzen, in denen Sie sich selbst neu erfahren. Und: Dieser Zustand macht süchtig. So ist bis jetzt jede Sinnestheater-Vorstellung ausverkauft gewesen. Es lohnt sich also, zu reservieren (alles Weiter dazu unten, kursiv).
Aber Zoë Binetti ist auch Zizi Transistor, ein Gesamtkunstwerk verkeilt zwischen Tanz und Performance und Cabaret und Clown, der aus dem Zirkus geflüchtet ist und jetzt freelanct. Ich habe sie schon nackt in einer Kirche gesehen, mit einem Rosskopf im Wald und aus einem Wollmantel herauspinkelnd im Weissenburgbad. Auch hat sie ihr Harmonium schon über einen Fluss geschleppt.
Dieses Jahr hat sie ein Werk veröffentlicht mit Musik, die ich gerne unangekündigt auflege, um dann gefragt zu werden: «Was isch ds!?». Es ist ein sanftes Album namens «Zizi Transistor’s Sideshow», eingespielt mit Kontrabass, Harmonium, Piano, Gitarren und allerlei Perkussion. Natürlich ist es nicht nur Beiprogramm, sondern ein Spektakel für sich.
Mein Anspieltipp ist «Rocks». Und so macht Zizi es mir einfach, weil sie dazu kürzlich ein Video veröffentlicht hat, ein poetischer Film von Andi Hofmann mit all den Schätzen, die Zizis Kosmos mittragen.
Das Sinnestheater findet statt vom 17. bis 19. und 21. bis 23. Dezember an der Güterstrasse 8. Reservationen unter rauhnaechte@gmx.ch. Weitere Info hier.
PS. Auf dem Flyer zum Sinnestheater steht, ich hätte Musik dazu komponiert. Das wäre so gedacht gewesen in einer Zeit, in der ich meinte, ein Übermensch zu sein. Leider musste ich aussteigen aufgrund Burnout-Prävention.
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