Wir trinken, tanzen, taumeln an den urbanen Sehnsuchtsorten einer Jugend im Herbst. Er schaut zu und drückt ab. Nicola Schmid ist der Chronist unserer Jahre in Schwarz und Weiss.
Ich schicke voraus, auch dieses kleine Portrait entlang dem Gefühl einer gewissen Verliebtheit aufschreiben zu müssen. Sehen andere Schriebsteller ihre Ehrlichkeit darin vergütet, die Dinge aus sicherer Distanz beobachten und bezweifeln zu können, schreibe ich lieber Liebesbriefe, wo ich es ehrlich kann. So this song is another love song.
Schnell fort, ein kurzer Spiegel-Reflex, doch wir wollen uns diesem Typen zuwenden, der in seinen Bildern selbst nie erscheint, ihm ein Portrait machen. Strobo. Sie nennen ihn Nicu Strobo, der im Blitzlicht daheim ist. Das Stroboskop ist ein schönes Bild für das Leben eben dieses Typen Ende zwanzig: Die scharfe Unterscheidung in Licht und Dunkel, Weiss und Schwarz, sie zerlegt jede Bewegung in Einzelbilder, Geschichten in Momente und nichts anderes macht der Fotograf.
Auf dem Blog mit Namen «Nine Whores On Crack Under A Starry Sky» versammeln sich hunderte seiner Arbeiten, man müsste es genau nachzählen, aber wer recherchiert schon für einen Liebesbrief. Man kann seine Freude haben an diesem merkwürdigen Namen, aber o. und er führt in die Irre. Die Betrachtung dieses fotografischen Kontinuums nämlich führt uns nicht an die Abgründe der zivilisierten Gesellschaft, nicht zu den Huren, nicht zu den Drogen der sozialen Peripherie. Und sie führt uns nicht unter den besternten Himmel, in die Experimental- oder Kunstfotografie, die andere Fragen stellt, das Universum fokussiert oder das zu behaupten scheint.
Strobo ist nicht ein solcher Typ. Hat eine Lehre gemacht zu einem mechanischen Beruf, der ihn irgendwann auf Nimmerwiedersehen anzuöden begann, ademerci. Arbeitet in Bars, hadert mit den Girls von Zeit zu Zeit, bellt laut und katert still, trägt sein Trainerjäckli derart stolz, dass man sich fragt, ob er ein Dutzend gleiche davon hat, behauptet kokett, er habe wenig Ahnung von der Fototechnik. Und geht doch nie ohne seine Konica. Oder Yashica oder wie die japanische Liebelei grad heissen mag.
Und streift mit ihr durch die Sandsteinstadt, auf den Fersen jener, die ihre Ränder beleben, weil sie Zeit haben. Streift all die Orte, Holligen, Breitsch, Lorraine und Bad, Halle, Aare, Restindustrie, Zwischenräume, leere Strassen, Kaffee und Zigaretten, WG, zerzauste Betten, Vorstadt, Wald. Sein Streifzug liest sich auch als Karte, als Topografie einer Generation im Herbst ihrer Jugend.
Aus ihrer Mitte drückt er ab, ausgerüstet mit einem dokumentarischen Eifer und dem Gespür für das stroboskopische Einzelbild, dass vor dem Betrachter wieder zur Erzählung wird. Er taucht die Sicht in Graustufen, was lieb ist zu den Gesichtern, aber vor allem Kontraste schafft in einer Stadt, die sich selber in ihrer gemütlichen Durchschnittlichkeit, inszeniert bis zum lebleeren Dasein ohne Schatten, glatt und geräuschlos, am besten gefällt.
Strobo,
ich werde die Zeit dereinst erinnern
mit deinen Bildern in Schwarz und Weiss.
Mich haben diese Typen mit den Fotoapparaten immer gestört. Diese Gymnasiasten mit Zugang zu Vatis Dunkelkammer waren so verklemmt, dass sie sich immer hinter der Kamera verstecken mussten. Bei Konzerten finden sie sich dann aber ganz wichtig und müssen starr in der vordersten Reihe das geschehen dokumentieren. Aber klar, die Ästhetik der prätentiöses Schwarzweissfotos von jungen Frauen mit Zigarette sind ist super kreativ; noch nie dagewesen.
Ich freue mich auf die Vernissage mit lokalem Mikrobräu aus dem Lastenvelo. C’est Berne
Ich weiss nicht genau von welchen Typen unser motzer hier schreibt. Aber mit Strobo hat miesepeter’s Beschreibung nichts zu tun. Hauptsache eine dolle Portion Schimmelsenf im digitalen Dunst streichen. C’est triste
wunderbar geschrieben!
ich bin zutiefst berührt. danke danke danke :)
Toller Text! Und so treffend!