Logo

Was uns bleibt o. how cares

Mirko Schwab am Mittwoch den 31. Mai 2017

Sonnenbrand ist Seelenbrand. Stille ist Lärm. Und am Rand noch ein Konzert.

Fuck me up, it’s okay. (Fotojob: Ilona Steiger x Eva Wolf.)

Von der Pigmentpanne neulich im Weyerli hat Ihnen ja die Feuz bereits berichtet. Allein, dem ersten Sonnenbrand im Jahr wohnt doch ein ritueller Charakter inne. Als hiesse man den Sommer mit nackten Armen willkommen und stöhnte: «Fuck me up, it’s okay.» Mütter fürchten den Sonnenbrand. Sie fürchten ihn mehr als den Jugendrichter oder diesen ominösen Typen, mit dem man nie! nie! nie! mitgehen solle, auch wenn er einem Schokolade anbietet. Sie fürchten ihn mehr als den Tod, den krebsenden Tod, mit dem sie vor dem Sonnenbrand warnen. Und so ist also aus der ganzen gutgemeinten Mutterhysterie heraus, die einen den Nachmittag im schattigen Verliess zubringen liess, während alle draussen einen Geilen haben durften mit stolzer roter Birne, so ist also daraus seit frühester Kindheit eines klar: Sonnenbrand und Rebellion, das gehört irgendwie zusammen.

Aber die Rebellion ist alt geworden und ledrig, wie die Haut ist sie halt Hülle und wir begnügen uns dieser Tage mit Weisswein und dem Herumliegen am Aarebett. Die heftige Zelebration von La Dolce ist das letzte, was Bern bleibt, während rundherum die Mächtigen weder Sonne noch Alkohol brauchen, um mit feuerzündrotem Kopf falsche Entscheidungen zu treffen. Aber wie meine liebe Mitbewohnerin sagen würde: How cares.

Warte auf mich auf dem Grund des Swimmingpools, den wir Aare nennen, wohin ich abtauche und wo es still ist. Wobei: Wäre diese Stadt ein Geräusch, sie klänge in ihren poetischeren Momenten nach dem Unterwasser, den sich abschleifenden Steinchen in ewiger Bewegung. Oder nach eingehaltener Nachtruhe in den langweiligeren. Stille immerhin, wenn auch bürokratisch durchgesetzte, auf den siechenden Herz-Kreislauf der Leistungsgesellschaft hin standardisierte Friedhofsruh.

Haben Sie schon einmal bemerkt, wie ähnlich dicht die Momente von absoluter Stille und Lärm sind? Wie alles und nichts, Schwarz und Weiss, Nullräume ohne Horizont. Schliessen wir die Augen, fehlt uns jede fremde Orientierungshilfe (den Geruchssinn haben wir uns wegevolviert.) Wir sind zurückgeworfen auf uns selbst.

Abends im Ross, denn dieser Text ist eigentlich ein Konzertbericht, haben die Londoner Lärmbuben von Part Chimp ihr Gerät hergerichtet. Zwei der vier sympathisch wirkenden Typen auf der Bühne gehören zur Gründungsformation dieses im späten Rockzeitalter ins Leben gerufenen Lärmrock-Bastards. Sie bekleiden die Schlüsselpositionen Gesang, Gitarre und Schlagzeug und das Haupthaar ist schleichend auf dem Rückzug, vielleicht lugt hinter der Solidkörper-Gitarre ein Bierränzlein hervor – Lärmbuben sind sie geblieben. Den etwa dreissig Anwesenden schmettern sie ein beherztes Auf und Ab aus schwer atmenden Sludge-Biestern und rasenden Hardcoreriffs entgegen. Dazwischen hochfrequentierter Noise, dass es blutet. Die Verstärker sind nach englischer Lehre vollen Hahnes aufgedreht und in der Todeszone vor der Bühne, wo die Luft nach einem Platz sucht vor lauter laut, ist man da: zurückgeworfen auf sich selbst und der Stille ganz nah.

Was ist aus der Rebellion geworden? Die Buben, die keine Buben mehr sind, hängen ihr nach und finden in der Lautstärke ein bisschen Erhaltung. Ich nehme das Angebot an. Aber da ist keine Mutter, die mich davon abhalten wollte, mir Ohrenfrieden verschriebe, um den Schaden zu verhindern. Im Nullraum zwischen den Boxentürmen ist kein Horizont, ist kein Widerstand, ist Stille.

« Zur Übersicht

2 Kommentare zu “Was uns bleibt o. how cares”

  1. Tüpflischiisser sagt:

    Sollte das nicht “who cares” heissen? Fremde Sprach, schwierige Sprach… :-)

  2. jessica jurassica sagt:

    dasch halt chli pfroog
    #howcares
    $$$$$$$$$$$$$$$$$