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Druckvolle Intensität

Gisela Feuz am Mittwoch den 12. April 2017

Diese Woche bei uns zu Gast: Herr Rrr, Chefredakteur des Fussballblogs Zum Runden Leder.

“Hallo Kulturfans, ich habs geschafft! Ich wohne jetzt in der Lorraine. Total trendy Gegend, und gar nicht mal so teuer. Jedenfalls, wenn Sie einen Kaderlohn haben. Aber item, einziger Wermutstropfen: Das Schlafzimmer ist überdimensioniert, und die Wand über dem Bett riesig. Klarer Fall, da muss ein massives Bild her. Also ab ins Kunstmuseum Bern, wo zurzeit tolle Werke über die russische Revolution zu sehen sind.

Ah, Frau Feuz ist auch da! Die langjährige Kulturbloggerin empfiehlt mir das Bild “What the Homeland Begins With” von Dubossarsky und Vinogradov. “Das passt zu Ihrer Bettwäsche, Herr Rrr.”

“Tolle Giraffe”, murmelt Herr Rrr. Und klar, Dubossarsky und Vinogradov reflektieren mit ihrer eigentümlichen Theatralität die beispiellose Spektakulisierung unseres Bewusstseins. Aber im Schlafzimmer? “Dann doch lieber so was, Frau Feuz.”

Dieselben Künstler, elf Jahre früher. “Hier wird Stalins Industrialisierungskampagne mit der Pseudorealität der Folklore-Industrie kontrastiert”, weiss Herr Rrr, “aber unter dem Strich bleibt doch etwas Druckvolles, Animalisches. Diese Intensität, Frau Feuz, dieses wilde Feuer – so muss es doch einfach sein in einem zeitgemässen Schlafzimmer!”

Nur zur Sicherheit gehen wir noch andere Möglichkeiten durch. Zum Beispiel feinste sozialistische Popart von Alexander Melamid und Vitaly Komar. Wobei, der Blick von Stalin wird auf Dauer vielleicht zu viel. Dann eben Erik Bulatovs Revolution – Perestroika: Lenin kann man in der Lorraine immer bringen, und der Typ vorne ist quasi Gorbi, einfach ohne Feuermal. Andererseits, das Werk passt farblich schlecht zu den Vorhängen.

Letzter Anlauf: Fotorealismus mit Boris Mikhailov. Freilich – wenn man sich die Option behalten will, später auch andere Räumlichkeiten mit demselben Künstler auszustaffieren, ist das Gesamtwerk vielleicht etwas verstörend.

Fazit: Frau Feuz und ich besuchen jetzt noch den zweiten Teil der Ausstellung im Zentrum Paul Klee, aber vermutlich entscheiden wir uns dann für ein Hochglanz-Poster von Genosse Stachanov. Passt alles in allem wohl doch am besten.”

Die Ausstellung «Die Revolution ist tot. Lang lebe die Revolution!» zum 100. Jahrestag der russischen Oktoberrevolution im Zentrum Paul Klee und dem Kunstmuseum Bern dauert bis 9. Juli 2017.  Zur Eröffnung gibts heute Abend im Zentrum Paul Klee Borschtsch und Russenparty mit DJ Goran Potkoniak, derweilen im Kino Rex der Berliner Maler Norbert Bisky über seine Kindheit in der DDR spricht. Im Anschluss wird der sowjetischen Filmklassiker «Wenn die Kraniche ziehen» (1957) gezeigt.

 

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12 Kommentare zu “Druckvolle Intensität”

  1. Harvest sagt:

    Der Dubossarsky und Vinogradov, Frau Feuz hat einen exzellenten Geschmack.

  2. Rrr sagt:

    Jetzt brauche ich nur noch eine Ming-Vase für die Blumen.

  3. Harvest sagt:

    Ich hätte zu Hause noch ein altes Bernsteinzimmer aus St. Petersburg, vielleicht würde sich das bei Ihnen noch gut machen, Herr Rrr?

  4. Natischer sagt:

    In Bern gibt’s ein Kunstmuseeum??

  5. Rrr sagt:

    Sie kennen natürlich nur das Heimatmuseum in Visperterminen und die Trachtensammlung im Obergoms, das ist mir schon klar.

  6. Frau Feuz sagt:

    Herr Rrr, ich habe da eben ein paar Ostereier für uns zum Tütschen gekauft.

  7. Val der Ama sagt:

    Jesses! Wegen so Bildern gehen Sie in ein Museum und wohl noch mit Eintritt? Wenn ich Bilder gucken will, schaue ich Internet.

  8. Frau Götti sagt:

    Also mir hat errr versprochen, errr hängt das da auf:

    Das ist im Fall auch voll die grosse Kunst.

  9. Frau Götti sagt:

    uii, Frau Feuz, können Sie mir das bitte bitte flicken?

    Es hat eine schöne Vase drauf. (Und einen schönen Mann, der sie küsst, die Vase.)

  10. Frau Götti sagt:

    Messi!!!

  11. Alleswisser sagt:

    alles schön und gut, aber wo bleibt der Bezug zu Lew Iwanowitsch Jaschin?

  12. Waso Immer sagt:

    Genau, Herr Alleswisser, Фаберже (Fabergé) ist mit seinen Eiern doch etwas zu präprärevoluzionär …

    Vielleicht würde für den Herrn Rrr auch ein Föteli vom Grab des Herrn Michail Bakunin auf dem Bremgartenfriedhof langen, schwarz-weiss mit Braunton, so richtig grobkörnig, internationalistisch und doch heimatverwurzelt – wie er eben ist, der Lorrainebewohner.