Sind es die Tramadoltröpfchen oder ist eben gerade … Grosse Persönlichkeiten der Kulturgeschichte gehen im «3 Eidgenossen» eins ziehen. Heute: Kuno Lauener.
Es ist Krise auf der Redaktion.
Kurznachricht vom Urs, dem notorischen Styler: «Rockboy, hab da ne Scherbe ausgegraben, dystopisch-postpostmodernes, windschief neo-existenzialistisches Fricklermeisterwerk, Doppel-10inch in einer Auflage von 66 Stück, am Abgrund von japanischem Wave und Afro-Trash über Samples nie veröffentlichter sowjetischer Propagandastreifen und so. Mach doch was drüber, mal wieder was für den lokalen Untergrund …» Jaja, hörs mir an. Dandy Fischer meint, ich gehe zu wenig ins Museum. Ob Theater auch wieder einmal Thema sei. Und ob ich überhaupt wisse, wie eine Galerie von innen aussieht. Stimmt, aber das Wetter. Vielleicht. Joa. Auch von oben herab ist nichts gutes zu erwarten. Frau Feuz, die selbsternannte Chefin, zitiert mich ins Büro. Dass Doppelspurigkeiten mit dem gedruckten Bund tunlichst zu vermeiden seien, Finger weg von Flückiger, Anliker, Lauener, den Jeans for Jesus neuerdings – dass die ins Feuilleton gehörten, in einer anderen Liga spielten. Champions League, Herr Schwab, oder emel mindestens Super League mit europäischen Ambitionen! Das Blog aber, das könne knapp Alternativliga-Niveau halten. Und das auch nur, weil man aus der Alternativliga nicht absteigen könne. Und dann: «Schwab, überlassen Sie das den echten Journalisten!»
Das schmerzt. Und überhaupt hat die Feuz den Fussballjargon auch nur parat, weil sie immer mit diesem Der Ama aus dem Lederblog herumscharwenzelt. Aber den Seitenhieb hab ich mir verkniffen oder nicht zu hauen getraut. Und so sitz ich einmal mehr auf der Holzbank meiner Lieblingsbeiz, einmal mehr desparate as fuck. Ein Fertig bitte, auf dass es ein Ende nehme mit dem Selbstmitleid.
Aber das ist erst der Anfang. Der Alkohol ist ein Sauhund. Ein als Arzt verkleideter Scharlatan. Und hast du ihn einmal in der beinahe aufgeräumten Wohnung, bringt er dir die Sachen aus der Ordnung. Öffnet die versorgten Truckli und mischelt in den Devotionalien herum, den aufbewahrten Haarbüscheln, Fotografien, Briefchen und was ihm sonst grad zwischen die gierigen Finger gerät. Bis die Kritik aus der Chefabteilung schliesslich nur noch ein willkürlicher Anstoss ist, sich der ganzen sonstwo aufgeladenen Traurigkeit hinzugeben. Ich krame aus meiner Blazertasche ein Stücklein Papier und beschliesse, mich auf den jungen Dylan zu verlassen und der Sache ein Ende zu setzen. «Don’t think twice, it’s alright.» Zerbrich dir nicht den Kopf, es ist schon recht. Es wird schon gehen, lass es ziehen … Ich versuche mir zu verdeutschen, was es zu lernen gäbe von Robert Zimmermann, auf Englisch eben. Er ist nur knapp älter als zwanzig und also knapp jünger als ich. Ich streife durch seine Verse und mein Vokabular – doch was bei ihm ein so stolz formulierter Aufbruch eines Gebrochenen, ist ein gestelztes, trivialmoralisches Geleier wie aus dem freikirchlichen Singbuch noch bei mir. Oder ein verdammter Schlager. Vor mir liegt die ganze peinliche Sentimentalität in Zitterschrift auf einem Zettel ausgebreitet. Die Idee von Schnaps macht dem gescheiterten Versuch schliesslich ein Ende.
Er kommt durch die Tür, als mir das Gesöff den Hals herabrinnt, in dem kurzen Moment, da einem die ganze hochprozentige Giftigkeit schmerzlich bewusst wird, bevor die Wärme aufsteigt und man versöhnlich wird und vergisst. Da kommt er herein. Und natürlich erkennt ihn die ganze Bar und weil hier Bern ist und nicht Brookyln, bleibts beim Erkennen oder einem halblaut vorgetragenen dummen Spruch aus der Ecke höchstens. In Ruhe gelassen setzt er sich ein paar Tische weiter hin. Kuno Lauener begleitet mich, seit ich denken kann. Meinen Freunden geht es ähnlich. Nicht die Generation, die diese Band und seine Texte berühmt machte. Die Generation eher, die damit aufwuchs, dass die Texte berühmt waren und sie zuerst immer nur halb verstand. «Traffik» war mir ein Rätsel. Die Generation eben, deren Mütter auf Kuno Lauener standen. Und, da müsste man jetzt den alten Freud ranlassen, dadurch vielleicht eine seltsame Vaterbeziehung entwickelte zu einem, vor dem unseren Vätern nur die grosszügige Bewunderung und ein bisschen Resteifersucht blieb.
Inzwischen hat sich ein Zweiter an Laueners Tisch gesetzt mit Block und Stift und einem blöden Lächeln, zwischen ihnen ziehen zwei Tee. Irgendeiner, der Fragen stellt, die immergleichen. Wieviel vom echten Kuno denn in seinen Texten sei. Wie es sich denn anfühle als tourender Vater Mitte fünfzig. Wie es sich denn eigentlich von der Musik leben lasse in der Schweiz. Und ob er denn immer noch an den YB-Match gehe.
Ich krame einen zweiten Zettel heraus und beginne mit dem Aufschreiben der Fragen, die ich wirklich interessant fände. Ich würde dann irgendwann aufstehen, ihm die Notiz im Abgang elegant auf den Tisch legen und vielleicht nicht einmal rot anlaufen dabei.
Hast du dich auch schon hämisch am Gedanken erfreut, dass sich auf einer stockbiederen Hochzeit, irgendwo im Mittelland, zu deiner Annekdote aus dem Puff das Ja-Wort gegeben wird?
Was gefällt dir an Hoover Jam (der Flop nach dem grossen Hit, die imaginierte Red.)? Und welcher Hit ist dir wieso ein bisschen verleidet?
Hast du je während eines Konzerts geweint, danach oder davor?
Was war dein grössenwahnsinnigster Moment als Frontmann oder Texter?
Hat dich je ein übermotivierter Berndeutsch-Pedant auf den durch ihn identifizierten Fehler in «26 Schtung oder zwe» (korrekt wäre demnach «zwo», d.i.R.) hingewiesen? Hat dich das gerührt oder genervt und was hast du ihm entgegnet?
Hast du je einen verdammt guten, aber zu persönlichen Text verworfen?
Am Nebentisch sprechen sie über eine Coverversion von Dylans «Don’t Think Twice, It’s Alright», die offenbar auf dem neuen Album gelandet ist. Dass sie sehr gelungen sei, meint der Journi brav. Und wie es denn dazu gekommen sei.
An welcher englischen Wendung bist du bei einer Übersetzung (fast) gescheitert?
Mit welchem Song würdest du das Konzert an der Meisterfeier beginnen? Und mit welchem würdest du es beschliessen? Oder welches Lied würdest du gerade dann nicht spielen?
Es ist recht spät. Das Interview am Nebentisch scheint langsam auszufädeln. Getreu meinem Plan nehme ich meinen Blazer vom Stuhl, werfe ihn über und mein Zettelchen schnörkellos auf Laueners Tisch. Ich trete auf die Gasse, fingere nach dem Feuerzeug, ziehe ein Zettelchen aus der Tasche an dessen statt. Hast du je einen verdammt guten, aber zu persönlichen Text verworfen?
Im selben Moment steckt Kuno die schäbige Dylan-Übersetzung ein und ich mir eine Zigarette in Brand. Und erröte still.
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Die KSB-Serie «Genossen» ist der besten Bar der Stadt gewidmet. Bisher erschienen sind: Ozzy Osbourne / Sophie Hunger / Lenin / Falco / Thom Yorke / Eminem / Die Verflossenen / Haiyiti
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Danke, Herr Schwab!
der autor hat wohl wieder voll 1 kekifft
Wadenbeisser SCHWAB, ins BÜRO!! Sie kommen jetzt dann öppen mal eine gedribbelt und werden auf den Transfermarkt geworfen, wenn sie hier weiterhin Blutgrätschenjournalismus betreiben, Sie Windpille Sie!
Ausserdem: ohne Kuno kann die Feuz schon lange