Unsere Stadt lebt auch von Zugezogenen, vom Land, vom Ausland oder gar St.Gallen. Hier gibt es Geschichten dazu, Angereiste und ihr kulturelles Erbe und warum Bern sie braucht.
Am Mittwoch vor einer Woche war Cup und da man am Wochenende die Hoppers schon mal weggeputzt hatte, konnte gar ich als gernegross-YB-Fan wieder mal den Gang ins Wankdorf wagen. Zumal der Panzer am Mittag angerufen hatte und Matchbesuche mit dem Panzer gleichbedeutend sind mit Eskalation, Spass und Exzess. Darum kurzerhand gegen den gemütlichen Radio Bollwerk Abend im Kapitel entschieden und rein in den 20er Bus.
Vor dem Stadion treffen wir auf weitere Freunde: Tonio, Päscu und KabuKöbu, ein illustres Grüppchen. Köbu wird zudem von seiner neuen Freundin begleitet, welche sich als «Allen» vorstellt und aus Uganda stammt. Wir smalltalken erstmals eine Runde. In hölzernem Englisch versuche ich Afrika-Europa-Fettnäpfchen zu umschiffen, klappt nur so halbwegs, wir kippen darum zur Zungenlockerung noch eine Dose – danke Tonio – und begeben uns daraufhin ins D4.
Das Spiel nimmt schnell Fahrt auf; YB liegt nach 20 Minuten 2:0 vorne und wir können uns somit den wichtigen Dingen im Stadion widmen: Wer holt die nächste Runde, Regel-Fachsimpeleien – obwohl wir keine Ahnung haben – und sowieso Trashtalk. Wir schwelgen, gute Stimmung allenthalben, König Fussball: Eduardo Galleano: «El fútbol a sol y sombra».
Trotz todlangweiliger Liga, inkompetenten Führungsriegen in den Oberstuben und idiotisch hoch aufgelöster Überwachungskameras; solange in den Kurven noch unscharfe Ränder für Leidenschaft und Taumel bleiben, wird dieses Gefühl leben.
Die zweite Halbzeit ist etwas neblig, Allen hat ugandischen Gin in kleinen Plastikbeutel mitgebracht – wahlweise mit Kokosaroma – und der Panzer bringt statt YB-Wurst Gelbe-Wurst, tolle Kombo. Endresultat: 5:0 und mittlere Schlagseite. Nach dem Spiel beschliessen wir noch etwas weiterzuziehen, die Brass in der Lorraine wird kurzerhand ins Visier genommen, und dann los von Rom.
Der Aufenthalt in besagter Schenke gestaltet sich jedoch als äusserst kurzes Gastspiel. Ausser ein paar gut angezählter GenossInnen ist die Brasserie schon leer und der Service macht uns mehr als dezidiert darauf aufmerksam, dass der Rubel gezählt und der Stutzen schon geputzt sei. Wir räumen also das Feld – Gastrosolidarität muss sein – und landen zwei Queerstrassen weiter hinten in KabuKöbus Bude.
Dort werden erstmal Nüsschen gefuttert und dazuTracks gedroschen, Küchendisco zu später Stunde: Panzer macht Deutschrap, Allen ugandischen Hip-Hop, Tonio – in Truebschachen aufgewachsen – schwärmt von irgendeiner einer WOODROCK Liveaufnahme. Ich spiele zwischendurch einen Klassiker; Stranglers und Dub-Pistols, aber das Gespräch fixiert sich rund um die Videoclips von «NUTTY NEITHAN» und «Tumusiime Nickson», wahrer Uganda-Gangsta-Rap-Shizzle. Autotune, Raggaton Beat und Heavy-Twerks – Au Backe! -alles dabei. Oder besser: „Au Arschbacke“, aber sparen wir uns die Bildungsbürgerkritik. Ich sprech Allen auf die Homosexuellenrechte und Frauenverstümmelung in Uganda an, sie mich auf die Kolonialisierung und Aufklärung. Ok, Scheissthema, wir lassens bleiben und pumpen dafür noch «Dancing Sembela» von «KingKong MC». Das Video zur Nummer spricht sowieso mehr als viel Gelaber; «Humorlose sind auch Lose, einfach Nieten» (M.Hinrich) oder so – Prädikat supernice!
KabuKöbu – übrigens wie der Panzer auch in Münchenbuchsi-Hood grossgeworden – bläst dann mal zum Zapfenstreich und wirft uns alle raus. Genug scheint genug. Päscu und Tonio bleiben im Quartier, während der Panzer sich mit mir im Schlepptau Richtung Bahnhof bewegt.
Auf dem ersten Nüni-Tram Richtung Wabern freu ich mich. Rundherum steinerne Mienen armer Tagelöhner und trotzdem freu ich mich. Wieder eine Nacht verbracht mit ausschliesslich Zugezogenen. Und was für welchen, ein Funken Hoffnung am Morgen; die Welt ein Dorf und unser Pflaster eine Gaststube.
Big THX to «The Uganda-Truebschachen-Buchsi Gang», sehr gerne wieder…
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