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Vaudou Game groovt in bee-flat

Urs Rihs am Dienstag den 25. Oktober 2016

Zum Start der neuen bee-flat Konzertsaison im Progr, luden die Veranstalter dieses Wochenende zu einem kleinen aber sehr feinen Festival. Am Samstag standen die französisch-togolesischen Afrofunker Vaudou Game um Frontmann Peter Solo auf dem Programm.

Beni und ich wollten da unbedingt noch hin, ins bee-flat und zwar trotz Reitschulfest. Vaudou Game und ihr Hit «La vie c’est bon» werden auf couleur 3 schliesslich seit Wochen hoch und runter gespielt. Nur weil die hier noch niemand hört, war das doch ein verdammt aktuelles Booking und verdient ein Kränzchen gewunden. Liegt wohl an der Welsch-Connection im Programmationsteam, Big Up!
Nun denn, wir schafften es also tatsächlich in die Turnhalle und hatten Lust auf Tanz. Dennoch erst mal ran an die Bar und Bier bestellt. Etwas entäuscht ob der fehlenden Auswahl bezüglich guter Crafts aber was solls – Geschmäcklertum in die Ecke gestellt, auf zwei Grosse Offene geeinigt und ab aufs Parkett.

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Stage is ready für die neue Konzertsaison im bee-flat

Die Szenerie ist Anfangs leider etwas steril. Die pikfein hergerichtete Turnhalle – glänzende Kronleuchter, frisch geschliffener Holzboden, Polsterstühle aus dem Vintage-Laden, dazu etwas reserviertes Kulturpublikum – nicht gerade das perfekte Setting für fransigen und schweisstreibenden Afro-Funk-Groove. Aber drauf gepfiffen. Auch ich trage einen frischen Pullover und «was nicht ist, kann ja noch trinken», bemerkt Beni zu recht und wir warten auf die Band.
Vaudou Game betritt die Bühne, begrüsst Bern und Sänger Solo macht gleich darauf aufmerksam, dass getanzt werden darf, sollte man den Drang dazu verspüren. Ich schaue zu Beni rüber und wir sind uns einig: Jetzt muss was kommen. Das hat immer sowas «Räum dein Zimmer auf!» – mässiges, aber die Band wurde wohl gewarnt: Achtung, Bern hat einen Stock im Allerwertesten.
Naja, Vorurteile eben – langweilig eigentlich – aber so ists halt. Vielleicht handelt es sich bei dieser Ansage auch um «die Rache des Italieners», hat mal jemand im Magazin schön beschrieben.
Wer kennt den Moment nicht, wenn wir in der Pizzeria vom Kelner auf italienisch angesprochen, uns entweder mit fürchterlichem Akkzent blossstellen – oder aber auf Deutsch gebärden und somit erklären müssen. Ein Wimpernschlag Genugtuung, Fair enough nach jahrzehntelanger Ausbeutung an Maurerkelle und Asphaltiermaschine, oder?
Das wäre auf Musik übertragen, dann in etwa: «He, wir machen Tanzmusik und wenn du dich nicht bewegst, dann offenbarst du dich als verknorzter Europäer.» und ganz ehrlich, auch das gehört uns ja eigentlich.


Zurück in die Turnhalle jetzt aber, Vaudou Game spielt das erste Riff und sind von Beginn an im Konzert drin, kein Abtasten vonnöten, die Truppe harmoniert. Die Musiker haben grossen Spass, zweifelsohne, von uninspirierter Routine ist da nichts zu sehen. Höchstens, dass der Plot «exzentrischer Frontmann à la Fela versus einheitliche Backingband à la Famous Flames» hie und da etwas gar einstudiert wirkt. Klingen tut das Ganze übrigens wie aus dem Setzkasten; das Kick kommt perfekt gegen die Schärfe der Strings und Horns an, welche gleichzeitig in perfekter Balance mit dem Gesang sind. Die grandiose Audio im Progr tut das Ihrige dazu bei und der Mischer ist ein kleiner Gott. Dem geht höchstens das Gehör für etwas Unschärfe und Fuzz an der richtigen Stelle ab; gerade bei solchem Sound gehört sich ab und zu ein kerniges Feedback. Beni ruft zu recht eine unendlich schöne Gahna-Funk-Perle von Ebo Taylor und seinen Pelicans – allesamt Amateurmusiker – in Erinnerung. Von Perfektion war diese schrammelige Truppe Galaxien weit entfernt und trotzdem oder gerade darum: Ihre Aufnahmen sind unglaublich eindringlich.
Vaudou Game spielen das Konzert mehr als souverän zu Ende. Der Spannungsbogen ist gut, die Dynamik schön, das Publikum entspannt sich und geht mit. Solo unterbricht das Konzert einige Male um etwas folkloristisch anmutende Erklärungen zum Besten zu geben. Voodoo sei nicht etwa schwarze Magie oder Hokus-Pokus, sondern stehe im Togo für Naturverbundenheit, Kontakt mit der Erde und solche Geschichten. Schliesslich würden wir alle früher oder später mal six feet under landen und da empfehle es sich mit der Kugel im Einklang zu stehen. Für Beni und mich klingt das nach dem vierten Bier eigentlich durchaus plausibel und wir lassen uns von den Beats bis zum Ende treiben. Vor allem die Zugabe gefällt nochmal sehr; bravo!
Klar, man könnte im Nachhinein dekonstruieren, auf Stereotypen eingehen, welche die Band reproduziert, Widersprüche aufgreifen und so weiter. Aber Dekonstruktion macht einsam und utopienlos. Da haben wir nach so einem Konzert null Bock drauf. Vaudou Game groovt, reisst mit und vor allem: sie enthemmen. Sogar in steriler Umgebung. Also ein mehr als würdiger Auftritt zur Eröffnung der bee-flat Saison. Ein riesiges Dankeschön an alle Beteiligten an dieser Stelle!
Drinnen gehts dann noch weiter mit den wunderbaren Studer TM an den Turntables– they’re just spinning gems, sweet – doch drinnen darf man nicht rauchen und draussen nicht mehr trinken und ab halb eins nicht mal mehr verweilen.(?) Wir bitten die Türsteher um Erklärung aber darauf scheint hier niemand Lust zu haben, also ziehen wir des Weges, Dekonstruktion macht schliesslich einsam und.. naja, ihr wisst schon.

Konzerte gibts im bee-flat jetzt wieder jeweils am Mittwoch und am Sonntag. Türöffnung jeweils um 20:30 Uhr und die Saison läuft bis Mai 2017, wir halten die Ohren offen.

 

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