«Frisch gepresst» die Serie auf KSB; bringt zum Vorschein, was in feuchten Kellerstudios und synthesizerbestückten Dachböden unserer Stadt an Mukke produziert wird – vornehmlich Elektronisches aber grundsätzlich alles was direkt ab Presswerk auf meinem MK landet.
Vor zwei Wochen noch mit HOT-JAM an der Sonne von Capri, heute mit re:st knöcheltief im Morast von Bristol und South London. Die Szenerie ist damit schon mal umrissen, es geht um Bassmusik, the UK Shit und zwar um die richtig dunklen Ecken davon.
Schauplatz nur einen Treppenstieg von der Bundesterrasse entfernt, im lauschigen Marzili, dort befindet sich nämlich, in einer unscheinbaren Altbauwohnung, ein archimedischer Punkt der Berner Electronica Szene. An alle Freaks «Electronica» ihr wisst es natürlich besser als ich, aber eine genaue Genre-Ausbeinelung wäre Nerdtalk und bleibt darum an dieser Stelle mal aussen vor. Dafür bleibt ein Freak im Fokus, LCP: Dj, Labelgründer, Veranstalter, leidenschaftlicher Frickler und, am wichtigsten hier, ein verdammt guter Typ. LCP ist ein Getriebener, mit einem stoisch anmutenden Schaffensdrang; kein Hektiker, kein Strohfeuerentfachter, vielmehr wirkt er wie ein Ingenieur. Einer der beobachtet, analysiert, um sein handwerkliches Können weiss und schlicht nichts anbrennen lässt. 2010 lancierte er sein erstes eigenes Label Luana Records mit Schwerpunkt instrumentalem Hip-Hop und konfus rhythmisierter elektronischer Musik. Darauf wurden Perlen von Spinnern wie Bit-Tuner oder Feldermelder veröffentlicht, um nur zwei beim Namen zu nennen. Mit sich schleichend, aber stetig wandelnden persönlichen Vorlieben, wurde Luana 2015 aber ad acta gelegt und re:st entstand. Die Brennweite wurde dabei etwas eingeschränkt. «re:st soll kompromissloser sein» erklärt mir LCP und spricht dabei nahezu zärtlich von seinen Labels.
Wir sitzen in seinem Studio, übrigens gleichzeitig auch Atelier und Wohnstube, ausstaffiert mit allem, was ein Bastlerherz höherschlagen lässt: Verschiedenste Keyboards – yep, so hat man Synthies früher genannt – grosse Bildschirme, potente Prozessoren, eine schöne Stereo natürlich, Plattenregale mit millimetergenau ausgerichteten Tonträgern. Ergänzend stehen Utensilien zur Gestaltung von Plakaten rum: Lynolplatten, Druckpresse, Farbe. Eine wunderbar haptische Atmosphäre herrscht vor. Und wenn LCP da produziert, dann tut er es wie ein Goldschmied, detailverliebt wäre ein glatter Euphemismus, finessenversessen beschreibt die Herangehensweise besser – ein Maniac halt. «Der Sound welcher dabei momentan entsteht, ist eigentlich eine Weiterentwicklung von Leftfield-Drum’n’Bass, eine Grauzone noch, welche sich am Ausschraffieren ist», wie mir LCP bei einem Kaffee in der Küche zu erklären versucht. Zu Leftfield könnte man referieren, es handelt sich um ein britisches Produzenten-Duo – Wegbereiter für die experimentellen Spielarten von Elektronischer Musik ab Anfang der 90er in England – und darum namensgebend auch für das Genre. But long story short: Man denke an Drum‘n’Bass, halbiere die Geschwindigkeit, füge Techno hinzu, also keinen Breakbeat, sondern gerade Drumpatterns und erreicht eben diese «Grey Area», wie sie es auf der Insel nennen.
Düster auf jeden Fall, keine Einsteigerdroge diese Geschichte, abstrakt, reduziert und staubtrocken. Wenns aber klickt, halleluja; als würde sich eine Ordnung aus dem kosmischen Hintergrundrauschen kristallisieren, als zeichneten sich Formen ab, im Schneeflimmern alter Röhrenbildschirme. Hardcore Zeugs! Sam KDC, ein Grey Area Vorreiter, hat auf dem neuen re:st Release den Track «6 Hands Full of people» von LCP geremixt, was eine ziemlich genaue Visitenkarte dessen abgibt, check it out. Auf der Scheibe findet sich übrigens auch eine Produktion eines gewissen ecuadorianischen Geisterjägers namens Cutkatchi, welcher mit LCP zusammenwohnt und das Studio mittels Sandelholzrauch und Post-Dubstep Tunes, auch auf mystischer Ebene ins Lot bringt; guter Vogel.
Mit leicht sturmer Rübe trete ich an die Sonne im Marzili und reime mir ein Lobeslied auf die Grauzonen unserer Stadt. LCP und sein Label; ohne die wäre unser Pflaster um viele fies-schöne Schraffuren ärmer.
Hier noch der Link zum Sound ihr Diebe, but it’s way better on WAX!
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