Der Titel ist schon sehr gross:
Die Kräfte hinter den Formen. Erdgeschichte, Materie, Prozess in der zeitgenössischen Kunst
Also schaut man sich das mit einiger Neugier an, im Kunstmuseum Thun. Man denkt an Ablagerungen und langsame Verschiebungen, an Schichten und Aufbrüche. Und an ganz andere Zeitskalen – an ein geduldig malmendes Uhrwerk, dem wir Menschen letztlich ziemlich egal sind. Was die Kunst (dieser Seismograph, wie es ja oft heisst) mit der Geologie und ihren Metaphern anzufangen weiss nimmt allerdings Wunder.

Julian Charrière, The Blue Fossil Entropic Stories (1)
Man hätte allerdings gewarnt sein können, hätte man auf der Webseite ein wenig weiter gelesen:
Zudem beschäftigen sie [die Künstler] sich mit den Folgen unseres Umgangs mit Natur, Materie und damit letztlich mit uns selbst.
Aha. Das könnte nun allerdings im Begleittext zu fast jeder Gruppenausstellung stehen. Dabei sind Natur und Erdgeschichte doch zwei sehr verschiedene Themen. Die eine (ist) bedroht, ein ständiger Balanceakt zwischen uns und ihr, die andere einigermassen unbeteiligt – und nach wie vor eher unbeeindruckt von der Tatsache, dass auf dieser Kruste auch noch Leben entstanden ist. Dann: Materie – ja, darum geht es derzeit sehr oft, wenn Künstler installativ arbeiten und sie ihre Arbeitsweise mit reflektieren. Und «mit uns selbst» – damit hat es Kunst ja hoffentlich meistens zu tun.
Leider ist das nicht einfach ein Ausrutscher bei der Kommunikation und also dem Versuch, die Ausstellung publikumswirksamer zu machen als das die Künstler vielleicht vorhatten, das Problem liegt beim kuratorischen Ansatz. Geologie? spannend, scheint man sich da gesagt zu haben, aber ist Natur nicht viel mehr als das? Und müssten wir nicht noch über das Anthropozän sprechen, das doch in aller Munde ist derzeit? Also «über uns selbst»? Und wo wir schon dabei sind: über das Prozesshafte der künstlerischen Arbeit vielleicht auch noch. Heraus kommt ein thematischer Flickenteppich, der zwar schön anzusehen aber am Schluss leider nicht sehr erhellend ist. Schade – aber den Bergen und Moränenhügeln draussen ist’s natürlich egal.
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