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Wie relevant ist Shnit?

Roland Fischer am Mittwoch den 28. September 2016

Was für einen Filmgeschmack hat ein Algorithmus? fragte gestern Der kleine Bund. Keinen, natürlich. Oder vielleicht doch einen bitteren Nach? Was das Shnit da als grosse Big Data-Revolution für Festivalmacher verkauft, ist eine Mogelpackung – und wohl kaum im Sinn der Filmemacher.

Gemeinsam mit einer englischen Firma hat Shnit ein digitales Instrument entwickelt, das die «relevanten Filme», wie van der Hoeven sagt, finden soll. Es analysiert alle wichtigen Filmquellen, vor allem Auszeichnungen, Festivals und Online-Plattformen, und sortiert dann die Filme nach vorgegebenen Kriterien.

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Relevanz gemessen in Auszeichnungen, Klickraten und Nominationen? Das klingt nicht nach Kultur sondern nach Rankinglogik (das immerhin in Reinkultur). Und es entlarvt dieses Festival wieder mal als Soufflé – rasch gewachsen, ohne viel Substanz. «Relevanz» ist nicht umsonst die Lieblingsworthülse der Silicon Valley-Weltumwälzer – die bei ihren Gewinnstrategien notabene sehr gern auf die Arbeit anderer setzen. So wie die Shnit-Macher auch, denn das mühselige Visionieren erledigen nun einfach andere Festivals für die algorithmisch versierten Schlaumeier. Wer so auf die Suche nach Qualität geht und Kunst als Summe von Kennzahlen begreift, dem ist es nicht eigentlich um gute kulturelle Inhalte zu tun, sondern vor allem um den eigenen Erfolg (der sich wiederum anhand von Publikumszahlen bemisst).

Und wo wir schon bei Zahlen sind: Ab nächstes Jahr muss das Shnit auf 70’000 Franken vom Bundesamt für Kultur verzichten, doch «mit den neuen Gebührengeldern wird diese Lücke zu kompensieren sein», sagt Festivalchef van der Hoeven – für jeden eingereichten Film wird neu eine Gebühr fällig. Wegfallende Subventionen auf die Künstler abwälzen? Auch eine Möglichkeit. Eine Lenkungsabgabe, finden die Festivalmacher, statt 10’000 müssen sie so nur noch knapp 5000 Filme visionieren. Dürfte sich auch so noch rechnen: 5000 mal 35 Franken (im Schnitt) – mit einem sechsstelligen Plus unter dem Strich verschmerzt man die Absage des BAK natürlich leicht.

Ah übrigens, «kuratieren» kommt, via englisch curate, vom lateinischen curatus: one responsible for the care (of souls). Man darf es also ruhig sagen: ziemlich seelenlos, so eine Festivalphilosophie.

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Ein Kommentar zu “Wie relevant ist Shnit?”

  1. Rolf sagt:

    Warum so negativ, Herr Fischer? Kuratieren heisst doch nicht unbedingt, dass man möglichst viel CO2 erzeugen muss. Wenn das Online-Tool interessante Filme gefunden hat geht die eigentliche Arbeit erst richtig los. Ist ja nicht so, dass der Computer Entscheidungen fällen würde. Ein grosser Teil der gezeigten Filme wird immer noch eingereicht. Es geht in erster Linie darum, den Horizont zu erweitern. Das hat übrigend noch keinem geschadet.
    .
    Und das Wort “Gewinnstrategien” ist wahrlich das Wort, das am allerwenigsten zum Shnit passt. Haben Sie eine Ahnung, wieviele Leute ehrenamtlich Hunderte von Stunden arbeiten, damit (hoffentlich) eine schwarze Null rausschaut?