Sind es die Tramadoltröpfchen oder ist eben gerade … Grosse Persönlichkeiten der Kulturgeschichte gehen im «3 Eidgenossen» eins ziehen. Heute: Sophie Hunger lädt alle ein.
Das Wetter. Sometimes it’s bad, sometimes it’s better und manchmal hagelt es Scheisse. Sophie Hunger tritt zur Tür ein, stabil klassisch, anmutig, eine kindliche Neugier in den wachen Augen, da prasselt der Shitstorm mit voller Wucht und aus heiterem Himmel auf die Bsetzisteine der Rathausgasse herab. Tausend aufgeplatzte Haufen. Einige Touristen machen angewidert Fotos aus Reflex und Bern Tourismus wird sich am späteren Nachmittag per Twitter einschalten, das habe eben mit dem authentischen UNESCO-Mittelaltererlebnis zu tun, all die Kacke auf den Gassen.
Aber ihr macht das nichts aus, sie dreht sich nicht einmal um. Stattdessen steht sie plötzlich vor mir. Ich lege lässig meinen Nietzsche zur Seite und lächle sie an. Ich leere nachlässig meinen kalten Kaffee über den aufgeschlagenen Bernerbär und merke, dass der immerhin saugt, wahrscheinlich, weil nichts drin steht, und lächle gequält. Sie hat Taschentuch und wir kommen ins Gespräch.
Du hast vor etwa einer Woche den hochdotierten Schweizer Musikpreis gewonnen, darob waren nicht alle glücklich. Am lautesten die Unglücklichen. Wie fühlt es sich an, im Shitstorm zu wandern?
Selstam. Vor allem, dass sich so viele Menschen dazu eine Meinung leisten. Ich immerhin könnte das jetzt, mit hundert Kisten im Rücken. Läuft bei mir. Aber bei denen?
Du spielst auf Lautsprecher wie Chris von Rohr oder Polo Hofer an.
Wer soll das sein?
Berechtigte Frage. Was hast du jetzt vor mit all dem Geld?
(Nachdenklich.) Ich kann jetzt endlich machen, was ich will. All die Jahre Kammerpop, all die wohltemperierten Arrangements und doppelbödigen Texte, Jazzfestivals … Ich hab die Nase voll von diesem Kulturbürgerzeug. Mein Publikum könnte meine Eltern sein. Wobei, dein Publikum ist ja immer irgendwie die Mutter des Erfolgs ..
… du schweifst ab.
Wie gesagt mach ich jetzt nur noch, was ich wirklich will. Ein Trap-Album etwa. Das liegt mir schon lange am Herzen. Ich brauche noch einen neuen Namen fürs Projekt, «$$$ophie» fänd ich ganz geil oder «Diplomatentochta». (Beginnt zu singen im Stil zeitgenössischen Raps.) «100K in der Tasche-e – zünde mir Joint mit Geldschein an, ah – Und Du frisst immer noch Spaghetti mit Spinat, Digga.»
Aha. Fairerweise muss man sagen: Viele MusikerIinnen haben sich auch schützend hinter dich – oder vor dich? Keine Ahnung … Jedenfalls war da auch Solidarität herum.
Korrekt.
Vielen Dank für dieses Gespräch.
Ob wir einen saufen sollen. Sie bestellt sich Büffelgras-Vodka. «EY, WER WILL EINEN SAUFEN?» Dann steht sie auf den Tisch und lädt die Bar ein, nein, kauft die Bar, lässt einen Giacometti Trinkgeld liegen, «eine Promille, wenn du weisst was ich meine» und verschwindet. Ich schaue ihr nach. Als sie um die Ecke biegt, höre ich die Kacke rhythmisch prasseln.
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nonchalante Grossartigkeit – ich danke Ihnen!
gibt es einen ‘tom kummer award’? ich würd sie gern nominieren, Herr Schwab. und das meine ich im besten sinn – auch ich danke ihnen!