Zwei Takte den Atem anhalten, Gitarre rein, Drop. Über den betörenden Rave-Pop der Zürcher Formation Len Sander.
Die Grosse Halle ist ein traditionell problematischer Ort für Konzerte. Das grosse Hallen ist ein traditionelles Problem solcher Hallen. Das chronisch zu wenige Publikum verirrt, wie verbrösmelt im gefrässigen, finsteren Schlund, auf der Suche nach dem süssen Quadratmeter, der etwas Orientierung in der Soundsuppe verspricht. Aber anders diese Tage. Die Enthusiastinnen und Enthusiasten vom UNA-Festival haben mit viel baulichem Geschick Struktur in die öde Weite gezimmert und eine trotzdem grosszügige Konzertbühne darin eingebettet. Darauf hat sich das Zürcher Quintett Len Sander eingerichtet und den Mittwochabend verneint.
Dem Szene-Lamento nämlich, die Wochenenden würden zusehends der Ein-Mensch-Digitalisierung überlassen, die die wahren Handwerker der Popmusik an die Wochenperipherie drängten, lakonisch in die Werktage zurückweisen würden, diesem Gemurr trotzt die Gruppe Len Sander, wissend, dass der Samstagabend bereit ist für sie. Es ist dieser stolze Trotz, der sie von musikalisch ähnlich gelagerten Projekten, Acts oder gar Schall gewordenen Selfies unterscheidet.
Trotz, die verspielte Elektro-Futuristik, die manipulativen Sägezahnbässe und die scharf geschossenen Beats auf zehn Hände und Füsse zu verteilen. Trotz, einen Karrenvoll Sachen mühsam mitzuschleppen für jedes Konzert. Trotz, die von den Projekten, Acts und Schall gewordenen Selfies gedumpten Gagen zu dividieren in fünf mal nichts. Und der Einsatz lohnt. Ökonomische Prinzipien klingen zum Glück auch heute noch schlechter als Verschwendung.
Dass die Gruppe um Sängerin Blanka Inauen und Synthesist Alessandro Hug die Regeln kennt, steht ausser Frage. Glasklar strukturierte Songs, das kurze Stocken vor dem Abrissrefrain, die Ehrenrunde zum Schluss. Man möchte sie anfechten, die etwas bürokratische Ruhe der vom Metronom angepeitschten Instrumentalisten, ihren scheinbar fehlerlosen Vortrag. Aber es ist eben genau, was eine solche Musik in ihrer Kühlheit braucht. Nichts wäre befremdlicher als abgedroschene Rockstarposen oder gespielte Nonchallance über diese Stücke. Und also stehen die vier Herren im Hintergrund still und vertrauen auf die Wirkung ihrer sorgfältig platzierten Klänge, die im Hall anschwellen zur grossen Geste. Wie eine anmutige, traurige Weide steht vor ihnen die Sängerin und singt ohne Theater dramatische Hymnen mit ihrer hypnotischen und wunderlich näselnden Stimme, die klingt, als wäre sie ständig etwas erklältet, was die Darbietung erwärmt und Charakter stiftet. Dazwischen sagt sie schüchtern «Merci vielmal.»
Dass zum Schluss mehr zurückbleibt als ein bisschen Anerkennung für die prima durchorchestrierte Konzertdramaturgie, das makellose Zusammenspiel und die à point einsetzenden Stroboskopgewitter – ein Gefühl von Ergriffenheit hier, eine Handvoll Mittwochstänzer da, es ist eine gebrochene Lanze fürs Konzept Band und den Sog, den fünf begabte Musiker erzeugen können, wenn sie sich zusammentun. Durchaus schändlich, das zu vergessen und ebenso schändlich, ein Ende dieser Idee herbeizureden.
Und so feiern alle mit, der szenige und auf Elektronik bedachte Zürcher Radiosender GDS.FM ebenso wie das staatliche Hitradio, das Len Sander neulich als «bestes Talent» bewertete. Der Dachstock lädt sie zur neuen Saison hin bereits zum zweiten Gastspiel ein, aber auch weniger abenteuerlustige Schüppen wie die Lysser Kulturfabrik melden Interesse an – und Europa wartet.
Die EP «Another Man» ist im Mai über Mouthwatering Records erschienen. Im Dachstock zu hören am 15. Oktober. Das UNA-Festival geht weiter bis zum 27. August mit ebenso europatauglichen Einheimischen: One Sentence. Supervisor oder Electric Blanket etwa.
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