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Wie ein Rössli aus der Asche

Mirko Schwab am Donnerstag den 4. August 2016

Das Stadttheater ist am Ende! Sie denken jetzt bestimmt an den sympathischen Klotz auf dem Waisenhausplatz, messieurs dames – aber die Rede ist von einem Haus mit Ecken und Kanten mehr. Die Reitschule macht heut den Laden wieder auf und hat nebenbei sämtliche gesellschaftlichen Probleme aus der Welt geschafft. Alle Neuerungen in der exklusiven KSB-Übersicht.

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Einen knappen Monat gaben sie sich Zeit im alten Pferdestall, auszumisten, einzurenken, durchzulüften. Manch einer hat die chaotischen Zustände beinahe vergessen, die vor dem selbstverordneten Time-Out das Volk auf Trab gehalten, wehrlose Tele Bärn-Praktikanten durch die Gefahrenzone gepeitscht und ein ungezügeltes mediales Überschäumnis provoziert haben. Wir liefern deshalb die Ausgangssituation mit und beleuchten die Hintergründe, vor denen dieser Neuanfang zu bewerten ist.

KulturStattBrenn: Mit Konzerten, Kino und Kost gegen den Terror

Vor der Reform: Die Reitschule gleicht einer Stadtwüste. Ausser ein paar abgegammelten Jugendlichen ohne Perspektiven wagt sich keine Menschenseele auf den Vorplatz. Im Innern der Festung: von Kultur keine Spur. Im Infoladen wird die Bibel verbrannt, das Dojo bildet in Stadtguerilla aus. Einzig aus der Cafete ist Musik zu hören, leider Goa. Kein schöner Anblick.

Damit ist nun Schluss. Erstmalig sollen die Räumlichkeiten für kulturelle Zwecke genutzt werden, im Dachstock sind Darbietungen verstärkter Musikgruppen geplant, darüberhinaus ein Kinematografentheater mit Leinwand an der Stelle, wo jahrzehntelang desilussionierte Aktivist_innen gegen die nackte Wand gestarrt haben. Flohmarkt, Tanztheater und ein Restaurationsbetrieb runden das gefreute Angebot ab.

Systemüberholung: Frauenstimmrecht und Demokratie jetzt!

Vor der Reform: Es gilt das Gesetz des Stärkeren, Pfefferspray zerstreut scharfsinnige Kritik, diskutiert wird, wenn je, in skandierten Halbsätzen und schreihalsiger! Interpunktion. Frauen und Minderheiten ziehen sich in einen eigenen Panikraum zurück.

Das hat jetzt ein Ende. Eine Delegation fortschrittlicher Reischüler_innen hat sich durch den unterirdischen Geheimschacht ins Bundeshaus geschlichen, um beim Anblick einer Parlamentssession einmal so richtig mitzuschneiden, wie Demokratie und Gesprächskultur funktionieren. Die Reitschule wird in der Folge fix in eine Handvoll verfeindeter Kleinstgruppen aufgesplittert, die möglichst aneinander vorbeizureden haben, aber wenigstens mit Rednerpult. Wer nicht dran ist, soll sich den Beobachtungen im föderalen Palast zufolge seinen privaten Korrespondenzen widmen oder am Online-Feed gütlich tun. Frauen und Minderheiten dürfen mitreden, werden aber meistens überstimmt.

Die Sache mit der Polizei: endlich beste Freunde?

Vor der Reform: Wie ein treudoofes Hündchen buhlt die Staatsgewalt über die Jahrzehnte ungebrochen und vergebens um etwas Sympathie an der Neubrückstrasse. Die Reitschüler_innen zeigen die kalte Schulter. Das verletzt.

Und ändert sich jetzt. Ein Austauschprogramm ist in Planung, unter dem Titel «Alle Cops an Bord!» sollen langjährige Freundschaften gedeihen. Um der neuen Verliebtheit Ausdruck zu verleihen, wurden schon etliche Wände mit dem akronymisierten Schriftzug versehen – eben so, wie sich auch pubertierende Liebespaare gerne am Beton verewigen. Das Workshopprogramm der Polizei bietet auch inhaltlichen Wert: Im Kurs »Bis auf die Unterhosen: Die Überwindung der Prüderie im Arbeitsalltag« gibt sie praktische Tipps fürs lustvolle Herumblütteln. Der Workshop »Bichromie hilft: Eine einfache Farbenlehre zur Identifikation illegalen Gewerbes« macht die Arbeit auf der Schütz zum spassigen Tschiggis. Und in der Podiumsdiskussion «Wasserwerfen, Flaschenwerfen: Vor- und Nachteile verschiedener Wurftraditionen» kann beidseitiges Wissen prima ausgetauscht werden.

Endlich Ruhe im Stiegenhaus also.

Im Ernst: Die Reitschule öffnet heute wieder ihre Tore und präsentiert ihre Gedanken zu den Herausforderungen rund um die Schützenmatte. Um 18:30 symbolisiert ein friedlicher Stadtrundgang mit Startpunkt Grosse Schanze, dass die Reitschüler_innen diese alleine nicht aus der Welt schaffen können und wollen. Ab 21:00 gibts im Rössli wieder feinste Konzertkultur mit Karl Hector & The Malcouns zwischen Soul, Funk und Kraut. Alles Gute zur Wiedereröffnung, liebe Reitschule!

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