Man stelle sich vor, man wäre VelokurierIn. Den Stress implantiert und der Funk nimmerstill. Eines Tages würde man sich zur Ruhe setzen, das Trikot weglegen, in Kurierpension gehen. Was bekommt man dann von seinen ArbeitskollegInnen zum Abschied geschenkt? Ganz klar – ein Alleycat. Gestern fand ein solches inoffizielles Velorennen, genannt Alleycat, in und um Bern statt. Die FahrerInnen fahren in Zweiergruppen mit verschlüsselten Plänen, rätselhaften Angaben und mühsamen Aufgaben und Gegenständen beladen von Posten zu Posten, das alles gegen die Zeit. Mir wurde die edle Aufgabe zuteil, einen solchen Posten zu betreuen, sprich, das Rennen zu behindern. Und das obwohl mir der Ablauf des Events schon komplex genug vorkam.
»Hier, das ist das Manifest.«
»Das was?«
»Das Manifest legt fest, in welcher Reihenfolge die FahrerInnen die Posten abfahren. Von da nach da, aber dort müssen sie einen Ballon nehmen und in Wabern auf den Zug bringen und der andere holt ihn dann im Spiegel und dazu gehört noch das Losungswort…«
»Warum denn ein Ballon?«
»Na weil du eh immer ausser Puste bist und dann noch einen Ballon aufblasen…«
»Was ist denn das Losungswort zum Ballon?«
»Nid düredreie!«
»Ich bin doch ganz ruhig!«
»Nein, NID DÜREDREIE, ist das Losungswort für deinen Posten, aber nur wenn der richtig farbige Ballon mit dem richtigen Losungswort, von Wabern, mit dem Zug…Es gab übrigens an einem früheren Alleycat mal einen Posten, der war mobil, da fuhr eine als Katze verkleidete Frau auf der 8er Tramlinie und die Kuriere mussten ihr dann einen Ballon…«
Ab da habe ich dann abgehängt und mich darauf eingestellt, dass dem Wahn entgegen irrlichternde, verschwitzte Velokuriere mich mit Wörtern und Ballonen und Manifesten in Grund und Boden fahren werden und habe mich dem Lauf der Dinge gefügt. Die FahrerInnen kamen also ausser Atem um die Ecke gebogen und erblickten ein Scheusal von Musikgerät, ein Alleinunterhalterpiano. Dahinter mich, ohne irgendeinen Plan, welches Losungswort und welchen Ballon ich ihnen, naja, sie ahnen jedenfalls Schauriges. Widerwillig kommen sie näher und werden eingewiesen. The beat is cheap and the sound is weak. Dazu sollen sie folgende Zeilen singen:
Muss weg, muss weg,
geh mir aus dem Weg.
Muss gehn, muss gehn,
muss fahren – kann nicht stehn.
Muss weiter, wohin?
Kein Schweiss, kein Preis,
kein Sinn.
Und ob man es glaubt oder nicht, jedes Lied, das bei diesem Experiment herauskam, war ein Herbert Grönemeyer Cover. Unabhängig voneinander. Abhängig vom Losungswort. Je nach Farbe des Ballons. Kein Sinn.
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