Am Schönsten ist Ostermundigen am Bahnhof. Der hat sich über die Jahre sein hübsch-antiquiertes Gesicht bewahrt und ist den Aufwertungsbürolisten irgendwie durch die Lappen. Und weil heute niemand mehr den Regionalzügen zum Abschied pfeift und sich auch die Weichen selbständig einrenken, hats im alten Häuschen: Kunst.
Ostgleis heisst der kleine Ausstellungsraum am Perron 1 neben dem Selectakasten, aber wahrscheinlich hat sich Kuratorin Claudia Grimm nicht von den roten Notfallkiosken inspirieren lassen. Und doch sind da in ihrem Kunstzimmerchen dutzende Dinge drapiert, diesdas, gesammelt über Dekaden, die jetzt feilgeboten für einen Franken “und zehn Minuten” auf einen Käufer warten. Mal verkauft, liegen Zettelchen an ihrer statt als Anschnitte von Geschichten. Geschichten, die eben zum Handel gehören: bevor ein Objekt aus dem Allerlei mit nach Hause darf, muss eine Geschichte erzählt sein über “etwas, dass man mal hatte und jetzt nicht mehr hat.“ Einen Hamster? Heimat? Hoffnung? Aufmerksam hört Frau Grimm die Berichte der Besucher an, greift in die Hermes, stanzt einem so ein Zettelchen, erstattet Quittung und wünscht einen recht schönen Tag.
Eine transaktionale Brockenstube also. Ein höchst poetischer Kniff.
Sollten Sie sich also wieder einmal nach Ostermundigen verlaufen: streifen Sie übers Perron 1! Mit dem Risiko, dass auf der anschliessenden Zugfahrt die Dinge im Kopf etwas mehr beschäftigen als das violette Tabloidgeschrei am Abend. Auch mal schön.
Die besuchte Ausstellung “gehabt haben” endete am Samstag. Das aktuelle Programm und die Termine der alle sechs Wochen fortgeführten Gesprächsreihe finden Sie hier.
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