Also, das mit der Reitschule scheint ja mal wieder die Gemüter zu erhitzen. Es ginge doch auch anders als mit diesem Trötzelen und Mötzelen, lieber Gemeinderat et al. Um einfach mal vor Augen zu führen, dass es ähnliche Fälle auch in anderen Städten gibt, ein kleiner Vergleich nach Hamburg, zum Gängeviertel.
Besetzt wurde das Gängeviertel im Sommer 2009, und besetzt ist es immer noch. Irgendwie.* Es laufen stetige Verhandlungen mit der Stadt, die sogar immer mal wieder ein bisschen mitfinanziert, wenn’s um Renovationen geht – so wurde gerade letztes Wochenende die Fabrique eingeweiht, eine gigantische Hütte, in der neben Probe- und Veranstaltungsräumen auch gleich eine grosse Küche zwecks noch mehr Möglichkeiten für VoKü eingeplant ist. Ein Mix aus politischem, sozialem und kulturellem Engagement wird angestrebt und an wohl unzähligen Plenumssitzungen immer wieder durchgekäut. (*hierzu unten im Text eine Anmerkung von Claudia Sello)
Was gibt es denn sonst noch hier? Also Theater haben sie keines, ein Kino auch nicht. Dafür mindestens zwei Galerien, ein Konzertlokal, ein veganes Restaurant, eine Bar, ein Kaffee, eine Teestube, einen Umsonstladen – und jetzt eben diese Fabrique. Darüber hinaus gibt es ein ganzes Stockwerk, das nur dazu da ist, damit politische Gruppen ihre Sitzungen hier abhalten können. Das Gängeviertel enthält zudem noch einige Wohnprojekte, verschiedenste Menschen wohnen in den unterschiedlichen Häusern (inklusive Sauna im Innenhof).
Ist das Gängeviertel kommerzieller als die Reitschule? Hm. Ja und nein. Ja, weil eine Genossenschaft gegründet wurde, deren Ziel es ist, das Gebäude der Stadt irgendwie irgendwann abzukaufen. Nein, denn: Alles ist kollektiv und selbstverwaltet. Öffentliche VV jeden Mittwoch. Die Jupibar und das schöne Kaffee über das Spendenprinzip – jedeR zahlt, was er/sie kann. Und sie laufen gut – denn hier wird vor allem Freiwilligenarbeit geleistet.
Ich finde, vom Gängviertel und dem Umgang damit könnten sich beide Berner Seiten eine Scheibe abschneiden – warum nicht wieder richtig unkommerziell werden? Und warum die “bösen Linksautonomen” nicht einfach ihre Sache machen lassen – denn sie machen sie ja gut, seit Jahren, für das Gemeinwohl und mitten in der Stadt. Eine gelebte politische Auseinandersetzung, ein Freiraum, der gerade in der Bundesstadt so wichtig ist, wo doch darüber nachgedacht werden muss, wie wir leben wollen.

eine kleine Karte des Gängeviertels. Handgelenk mal Pi ist die Fläche etwa drei mal so gross wie die Reitschule – aber natürlich mit viel mehr Stockwerken.
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*Anmerkung von C.S.:
Besetzt war es nur anfangs, als die Stadt es Ende 2009 zurückkaufte, bekamen wir für die unsanierten Häuser unentgeltliche Nutzungsverträge, wir zahlen nur die Betriebskosten.
Mit der Einigung auf eine Sanierung in 2011 gab es ein gemeinsam erstelltes Integriertes Nutzungskonzept, daraufhin wurden Gelder aus der Stadtebauförderung für dieses Quartier bereit gestellt, außerdem gibt es Förderung für sozialen wohnungsbau und ca 1/3 sind Kredite. von diesem Geld werden die Häuser saniert. Zu dem Sanierungskozept gibt es einen Kooperationsvertrag, in dem steht, wie die Stadt und ihre Organe mit uns zu Kooperieren zu gedenken. Der hört sich zwar gut an, aber die praktische Umsetzung des ganzen ist unglaublich hart.
Wenn ein Haus fertig saniert ist, dann übernimmt die Genossenschaft dieses ganz offiziell mit einem Generalmietvertrag und verwaltet das Haus selbst. Mit unserer Miete bezahlen wir praktisch die Sanierung zurück.
All diese Ergenisse sind das Ergebnis harter und beständiger Verhandlungen, nix davon gab es geschenkt.
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