Logo

Wechselwarmer Sonntag

Saskia Winkelmann am Montag den 9. November 2015

Besser als Tatort: Motorama (RU) und Boogarins (BR) lieferten, wenn auch beide auf ihre Art, in sich geschlossene Shows am Sonntag im Rössli der Reitschule.

Eine durchaus längere Diskussion wert ist, ob Vorbands einem Abend eine Schattierung oder eher die Komplementärfarbe hinzufügen sollen. Gestern wurde im Rössli nicht unbedingt auf ein stringentes Booking gesetzt. Gitarrenmusik ist eben nicht gleich Gitarrenmusik; die beiden Bands kommen nicht nur geographisch, sondern auch in ihrer Ästhetik aus völlig entgegengesetzten Richtungen.

Motorama

Die fotografische Konzertdokumentation ist der Bloggerins Leid. Doch immerhin: Auf diesem Bild erkennt der aufmerksame Betrachter die Akteure des Abends. Vorne im Foto die Boogarins (mit guter Laune), auf der Bühne Motorama (ohne Laune). Der Abend war eher körnig schwarzweiss, wir tranken Rotwein. Synästhetisch wird hier zumindest die zweite Hälfte des Abends wiedergegeben. Die Bildqualität sei hiermit entschuldigt.

Die Boogarins, als Geheimtipp angekündigt, vermochten mich so gar nicht einzuwärmen bzw. wärmten irgendwie zu sehr mit weichem, krautig-psychedelischem Gitarrengedöns und für meinen Geschmack zu verträumten, sporadisch eingesetztem Gesang, der irgendwo zwischen abgespaced und Bossanova plätscherte. Die langhaarige Band aus Brasilien spielte gefühlt einen Song. Technisch gut, kompositorisch eher zum Gähnen, hatten die Jungs zwar Spass am Spielen – das dann auch sehr – aber nicht viel mehr. Zugegeben, dem Applaus und dem Plattenverkauf  nach waren viele Besucher angenehm überrascht bis überschwänglich begeistert.

Dagegen fast kühl, erfrischend tight, melancholisch und wavig war dann auch das Danach aus Russland, genannt Motorama, die sich durch ihr Repertoire aus sieben Jahren ackerten. Die angenehme Konzertlänge und -dramaturgie und die klaren Songstrukturen deckten sich gut mit dem Erwarteten, überschritten dies aber auch nicht. Kalt vielleicht, aber nicht gefühlsarm, denn durch jedes Gitarrenriff schwappte durchaus mehr innere Notwendigkeit, als die Vorband in einem langen Gitarrensolo  mit Dauergrinsen vermitteln konnte. Zu beschäftigt für Zwischenansagen und grosse Gesten oder Mimik war Motorama. Angenehm! Konsequent waren sie nicht nur in ihrem Spiel, sondern auch im Tour abschliessen: Keine Zugabe. Das gibt zusätzlich Pluspunkte. Schönes Konzert!

Ok, Ohrwürmer gab’s an dem Abend trotzdem wenig bis keine, jedoch zwei, ich möchte sagen, geometrische Konzerte, auch wenn nicht beide nach meinem Geschmack waren.

Mein Lieblingsmensch Berg hatte noch anzumerken, dass das düsterere, post-punkigere, unbekanntere Nebenprojekt von Motorama, genannt УТРО, durchaus hörenswert sei. Inzwischen überprüft: YES! Band der Woche!

 

« Zur Übersicht

2 Kommentare zu “Wechselwarmer Sonntag”

  1. Eugen Burri sagt:

    Danke Frau Mann. Für mich war der Sonntag Abend im Rössli wunderbar. Beide Bands, wenn auch tatsächlich Welten von einander entfernt, lieferten geniale Konzerte ab. Psychedelische Engelsgesänge mit bombastischer RhythmSection von Youngsters dargebracht sowie unterkühlter Darkwave von den Russen.. Bemerkenswert, wie der Sänger/Gitarrist und der zappelige Bassist von Motorama ihre Klampfen nach jedem Song wechselten. Beide Bands äusserts tanzbar. Das beste Konzert seit dem letzten besten Konzert!
    Danke auch für den УТРО-Hinweis!

  2. Saskia Winkelmann sagt:

    Gerne, Herr Burri! Aber die Credits für den УТРО-Hinweis gehen eigentlich an Berg, ich werde es weiterleiten. Und falls es nicht deutlich genug war: Sonntage im Rössli gehören tatsächlich zum Besten oder zumindest immer wieder Überraschendsten, was Bern zu bieten hat!